Grafing:Stadtrat lehnt Flüchtlingsheim ab

Grafing: Dieses Grundstück am Rand des Schammacher Gewerbegebietes war bereits 2015 als möglicher Standort für eine Unterkunft für Obdachlose und Flüchtlinge im Gespräch.

Dieses Grundstück am Rand des Schammacher Gewerbegebietes war bereits 2015 als möglicher Standort für eine Unterkunft für Obdachlose und Flüchtlinge im Gespräch.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Grafinger Stadtrat spricht sich gegen ein Asylbewerberwohnheim im Gewerbegebiet Schammach aus, obwohl die gesetzliche Grundlage dafür kaum Spielraum lässt

Von Jessica Morof, Grafing

Wenn es nach dem Stadtrat geht, werden künftig keine Asylbewerber im Gewerbegebiet Grafing-Schammach unterkommen. Dies ist das Ergebnis der Bauausschusssitzung am Dienstagabendgewesen. Abgestimmt wurde über einen Bauantrag des Investors Lago GmbH, der dort eine Gemeinschaftsunterkunft für 135 Asylbewerber bauen möchte. Begründet hat das Gremium die einstimmige Ablehnung des Antrags mit dem Bahnlärm der Linie München-Rosenheim.

Hintergrund des Bauantrags ist eine Änderung des Baugesetzbuchs im November 2014. Seitdem gilt eine Befreiung für Sammelunterkünfte für Flüchtlinge, sodass diese auch in Gewerbegebieten errichtet werden dürfen. "Der Gesetzgeber hat hier ein Machtwort gesprochen", erklärte Josef Niedermaier von der Stadtverwaltung. Da die Stadt nur nach städtebaulichen Gesichtspunkten entscheiden dürfe, müsse sie die Bebauung eigentlich zulassen: Das Grundstück gehöre nicht Grafing, die Bauplanung entspreche den Vorgaben und auch der Standort des Wohnheims sei rechtmäßig. "Die Entscheidungsspielräume sind sehr eng." Auch nachbarliche Interessen wären kein Ablehnungsgrund, da keine konkrete Betroffenheit vorliege.

Den einzigen Grund für die Ablehnung des Bauvorhabens liefere das Gebot der Rücksichtnahme: Der Standort sei zu nah an der Bahnlinie. Bis zu 70 dB(A) kämen auf die Bewohner des Heims zu; und das liege oberhalb der zumutbaren Grenze. Zusätzlich wären bei 135 Personen auch Außenwohnbereiche notwendig, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Auch deshalb sei das Grundstück nicht geeignet.

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) betonte ebenfalls, dass der Bauantrag theoretisch genehmigungsfähig sei, weshalb die Verwaltung bislang vorgeschlagen habe, dem Bauvorhaben zuzustimmen. Doch nach intensiven nicht öffentlichen Diskussionen zwischen Stadträten, Obermayr und der Stadtverwaltung am Abend zuvor habe man entschieden, das Thema Lärm neu zu bewerten. Der Vorschlag lautete nun, das Bauvorhaben doch nicht zu genehmigen. "All die Diskussionen über Asylrecht dienen uns hier gar nicht", sagte sie an das Publikum der öffentlichen Sitzung gewandt. Die Menschen seien hier, die Zahl würde künftig noch steigen und man wolle sie Willkommen heißen. Doch sie hätten auch ein Recht auf eine menschenwürdige Behandlung. Darauf nahm sie Bezug, als sie aus der Mail einer Flüchtlingsbetreuerin vorlas: "24 Stunden den Zuglärm, das ist schwer zu ertragen. Nachts ist sowieso für viele eine sehr harte Zeit, Schlafprobleme, Erinnerungen an schreckliche Situationen, das ganze Elend fährt im Kopf Karussell."

Natürlich frage man sich zurecht, wo die Flüchtlinge denn sonst untergebracht werden sollen, wenn nicht in dem neuen Wohnheim. Deshalb habe man sich gemeinsam entschlossen, das Angebot an städtischen Wohnungen nochmals zu durchforsten, um dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu finden.

In der anschließenden Debatte stellten sich die Stadträte allesamt hinter Obermayr. Die Bürgermeisterin habe "unsere Meinung gut vorgetragen", lobte Christiane Goldschmitt-Behmer (Grüne). "Es ist unzumutbar, dass die Menschen Tag und Nacht an der Bahnlinie leben müssen." Karl-Heinz Fröhlich (BfG) schloss sich der Einschätzung an, dass Obermayr die richtigen Worte gefunden habe. Die Suche nach dezentralem Wohnraum für Asylbewerber habe in Grafing schon Tradition. Und auf die finanziellen Interessen des Investors müsse man keine Rücksicht nehmen. Franz Frey (SPD) hofft, man könne "glaubwürdig argumentieren", dass es in diesem Gewerbegebiet nicht sinnvoll sei, eine so große Menge Menschen unterzubringen. Am Abend zuvor sei schließlich mehrmals der Wunsch geäußert worden: "Kein Ghetto in Grafing." Zustimmung gab es auch von den Freien Wählern. "Was die Vorsitzende gesagt hat, können wir zu hundert Prozent unterschreiben", sagte Christian Einhellig.

Im Anschluss stimmten dann auch alle Stadträte dafür, den Bauantrag abzulehnen. Nun ist es die Aufgabe des Landratsamts, zu prüfen, ob diese Entscheidung auch rechtmäßig ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: