Grafing:Bahn frei

Am Dienstag wurde die Ostumfahrung eröffnet. Von der Straße erhofft sich die Stadt eine deutliche Entlastung des Marktplatzes, der nun umgestaltet werden soll

Von Thorsten Rienth, Grafing

Feinsäuberlich lagen sie da, sieben silberne Scheren auf dem roten Kissen. Schnell waren sie verteilt an Honoratioren wie Staatssekretär Gerhard Eck, Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Sieben Schnitte durchs weiß-blaue Band, das die Trasse bis eben noch symbolisch absperrte. Seit Dienstagnachmittag hat Grafing seine Ostumfahrung.

"Sie ist vielleicht nicht Grafings lieb gewonnenes Kind", sagte Staatssekretär Gerhard Eck bei der feierlichen Verkehrsfreigabe. "Aber das kann sie ja noch werden." Dann, wenn erst mal allen die Vorteile deutlich würden: "Wir werden mit dieser Straße eine spürbare Entlastung erreichen, die Sicherheit verbessern und den Verkehrslärm reduzieren", sagte er.

Das alles ist freilich eine Frage des Standpunkts, in diesem Fall sogar im ganz unmittelbaren Sinne: Nur ein kleines Stück weiter südlich, nämlich aus der Hochriesstraße, war erst vor ein paar Monaten noch einmal die Forderung nach mehr Lärmschutz laut geworden. Es blieb ein vergeblicher Wunsch.

Am Kreisel an der Rosenheimer Straße biegt die 2,7 Kilometer lange Trasse gen Norden ab. Vorbei an der Hochriesstraße und zwischen Grafing und dem Ortsteil Schönblick hindurch verläuft sie etwa über den alten Mitterweg nach Gsprait zur Ebersberger Südumgehung. 10,7 Millionen Euro wird sie Eck zufolge kosten. 2008 waren noch 6,7 veranschlagt.

Während Eck in seiner Rede allen voran die Bedeutung der verkehrlichen Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaats voranstellte, mühte sich Landrat Niedergesäß um eine differenziertere Betrachtung. "Es gehört bei solchen Projekten leider oftmals dazu, dass es Gewinner und Verlierer gibt", sagte er. Es liege der Straße aber eine basisdemokratische Entscheidung zugrunde, verwies er auf das Rats- und Bürgerbegehren aus dem Dezember 2008. "Wenn der Verkehr aus der Stadt ist, dann eröffnet das außerdem im Herzen der Stadt ganz neue Möglichkeiten." Mit der "St2080neu" werde auch er seinen kleinen Beitrag dazu leisten können. "Wenn ich zum Beispiel einen Termin in Aßling habe, dann muss ich nicht mehr über den Grafinger Marktplatz fahren oder mir einen Schleichweg suchen - sondern ich nehme diese Straße."

Nach Reden voller Lob für Planer und Ämter gab es schließlich auch welches für die Grafinger, und zwar von Bürgermeisterin Angelika Obermayr. "Ich bedanke mich bei Ihnen, liebe Grafingerinnen und Grafinger, die ihr nach den trennenden Diskussionen im Zuge des Bürgerentscheids wieder zusammengefunden habt", sagte sie. Alte Debatten wollte Obermayr, stets Gegnerin der Trasse, nicht mehr aufwärmen. "Lassen Sie uns die Chance nutzen, die das Lkw-Durchfahrtsverbot bietet, lassen Sie uns die Chance nutzen, die sich jetzt für den Marktplatz bietet!" Das werde ein spannender Prozess, dem sie positiv entgegen sehe.

Grafing Ostumfahrung Eröffnung

Staatssekretär Gerhard Eck (2.v.r.) schneidet in Grafing die symbolische Absperrung der neuen Ostumfahrung durch. Die nach einem Fahrradunfall verletzte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (3.v.r.) übergab ihre Schere an Vorgänger Rudolf Heiler (2.v.l.).

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Eröffnung waren aber auch kritische Stimmen zu hören. Etwa die von Uwe Peters, einst Sprecher der Schutzgemeinschaft Grafinger Osten (SGO). "Für mich ist das hier kein Grund zum Feiern. Der große Verlierer ist die Natur, die solche Projekte immer weiter zurückdrängen." Im Falle der Grafinger Ostumfahrung sei das sogar trotz zweifelhaftem Nutzen passiert: Die prognostizierten 15 Prozent Entlastung am Marktplatz werde man kaum spüren - und seien auch für den Freistaat nie entscheidend gewesen. Stattdessen hätte ein Straßendurchstich von Rosenheim zum Flughafen im Vordergrund gestanden, der am Ende Verkehr anziehe, anstatt welchen zu verhindern.

Eine bewegende Szene sahen die etwa 200 Besucher der Verkehrsfreigabe kurz vor dem feierlichen Scherenschnitt. Obermayr wandte sich an ihren Amtsvorgänger. "Herr Heiler, hier ist meine Schere - Sie haben sich jahrelang für diese Straße eingesetzt und einen Teil Ihrer Gesundheit geopfert - jetzt gebührt Ihnen, das Bandl durchzuschneiden." Nach 18 Jahren als Bürgermeister und einer Bypass-Operation war Heiler zur Kommunalwahl 2014 nicht mehr angetreten und hatte sich komplett aus der Lokalpolitik zurückgezogen.

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