Süddeutsche Zeitung

Fridays for Future:650 demonstrieren in Grafing für den Klimaschutz

In Grafing gehen mehr als je zuvor für die Energiewende auf die Straße. Unter dem Motto #AlleFürsKlima nehmen nicht nur Schüler und Studenten teil.

Von Konstantin Schätz, Grafing

Schluchzend heben vier in Schwarz gekleidete Personen die Trage an. Sie haben Hüte tief ins Gesicht gezogen oder tragen Schleier, um die Trauer zu verdecken. Der Körper ist von einer goldenen Rettungsfolie bedeckt, die im Sonnenlicht blendet. Als die Träger sich in Bewegung setzen, folgt ihnen eine riesige Trauergemeinde. Den Grabstein - oder besser gesagt die Grabpappe - des Verstorbenen trägt ein junger Bub. Die Inschrift ist deutlich zu lesen: "R.I.P. Unser Klima - Todesursache: Mensch".

Etwa 650 Demonstranten sind nach Angaben der Veranstalter am Freitag nach Grafing gekommen, um als gut gelaunte "Trauergemeinde" ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Etwas über eine Stunde dauert die Demonstration. Miriam Boehlke, Organisatorin der Demo und Vertreterin der Friday-for-Future-Bewegung in Grafing, ist zufrieden: "Es war heute bunter als die letzten beiden Male. Mehr Menschen haben Fahnen und Transparente gebastelt - und es sind auch mehr Leute gekommen als bei den Demonstrationen im Mai." Sie vermutet, dass sich mehr Menschen überwinden konnten, weil an diesem Tag schließlich ein "Globaler Klimastreik" ausgerufen wurde.

Nur ein paar Schritte hinter den vier Trauernden, die das Klima zu Grabe tragen, halten Schüler Transparente in den Himmel. "Hopp, Hopp, Hopp: Kohlestopp" oder "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut" hallt es über den Marktplatz. Fast ganz vorne laufen auch die beiden Schüler Charles Squire und Yannik Duplitzer mit. Die Zwölf- und 13-Jährigen tragen ein Transparent mit der Aufschrift "Donald Trump you are a liar. Our Earth is on fire." Yannik ist das erste Mal dabei. Charles ist schon mehrmals bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen mitgelaufen. Routiniert wie ein Politiker antwortet er auf die Frage, weshalb ihm diese Demonstration so wichtig sei: "Es geht hier um unsere Zukunft. Wir müssen darum kämpfen."

Auch die ältere Generation ist gut vertreten

Auch Jasmin Ringer und Julian Schmidt laufen ganz vorne mit. Die beiden Schüler engagieren sich bei "Grafing Goes Green" - einer Schülerinitiative, die sich aus einer Schulklasse entwickelt hat. "Wenn man bei uns in der Schule in die Mülleimer schaut, sieht man, wie viel Plastikmüll alleine dort anfällt", erklärt er. Das wollte die Klasse ändern und die ganze Stadt gleich mitanstecken. "Grafing Goes Green" entwickelte eine Stempelkarte, die mittlerweile in vielen Geschäften der Stadt ausliegt. Bei jedem plastikfreien Einkauf bekommt man einen Stempel. Wenn die Karte mit zehn Stempeln voll ist, kann man etwas gewinnen.

Doch nicht alleine Schüler und Studenten treffen sich an diesem Tag, um zu demonstrieren. Unter dem neuen Namen #AlleFürsKlima versuchten die Veranstalter auch ältere Generationen in das Boot zu holen, in dem ohnehin alle sitzen würden. Mit Erfolg.

Einige Meter hinter den Jugendlichen läuft auch die Bürgermeisterin von Grafing Angelika Obermayr (Grüne) mit. Sie wirkt begeistert davon, dass sich unterschiedliche Generationen getroffen haben, um für eine Sache zu demonstrieren: "Es wird eine Brücke geschlagen zwischen den jungen Menschen und den Älteren, von denen schon früher sehr viele auf die Straßen gegangen sind", sagt sie. Für die Kritik - auch gegenüber Grafing - es gehe zu langsam, zeigt sie Verständnis. Es sei gut, dass die Jugend Druck ausübe. "Aber manchmal braucht man Geduld. Demokratische Prozesse können länger dauern."

Das musste auch Miriam Boehlke feststellen. Denn von den 32 Punkten, die ihre Bewegung im Mai der Stadt vorgelegt hat, wurden ihrer Einschätzung nach nur fünf oder sechs Punkte genauer angeschaut. "Man muss aber sagen, dass wir sehr froh darüber sind, dass Grafing zur Klimaschutzregion erklärt wurde", erzählt sie. Auch dass die Stadt extra eine Klimaschutzmanagerin eingestellt hat, empfinde sie als positiv.

"Das sind leider alles nur Insellösungen", sagt Nicola Razak. Zusammen mit einem Ordner bildet die Grafingerin das Schlusslicht. Während der Ordner erklärt, dass es wichtig sei, sich in Sachen Klimaschutz "an die eigene Nase zu fassen", zeigt sich Razak kritischer. "Es fehlt an so vielen Ecken und Enden. Alleine der Umgang der Politik mit großen Firmen, die die Umwelt zerstören oder die schlecht gedämmten Häuser." Sie zeichnet ein ähnlich düsteres Bild wie die vier in Schwarz Gekleideten am anderen Ende der Menschenmasse.

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SZ vom 21.09.2019/koei
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