Süddeutsche Zeitung

Mitten in Ebersberg:Origami leichtgemacht

Plätzchenrezepte - check. Playmobil-Bauanleitungen - check. Doch wenn es zur japanischen Faltkunst kommt, kapituliert sogar die Oma.

Glosse von Franziska Langhammer

Schon in der Adventszeit hilft es, wenn man technische Vorgangsbeschreibungen ohne größeres Gegoogle versteht. So manche Plätzchenrezepte können nämlich ganz schön tricky sein, wenn man nicht das nötige Grundwissen hat. Was ist das All-In-Verfahren? Was ist das Schnurren bei Teiglingen? Der Druck erhöht sich leicht, wenn dabei als Schwierigkeitsgrad "normal" angegeben ist.

Nun ist der Heiligabend und das Plätzchenvernaschen größtenteils vorbei, da steht die nächste Bescherung an: Die Spielzeuge der Kinder sollen zusammengebaut werden. Playmobil und Lego haben das Problem längst erkannt und alles kindgerecht verbildert. Mama oder Papa müssen also nicht mehr mühsam entziffern, welches rote Schräubchen in welche gelbe Mutter eingedreht werden muss - nein, die Kinder können selbst sehen, welche Plastikperücke auf welches Plastikköpfchen passt, und schaffen dies auch meist ohne große Hilfe.

Womit aber niemand gerechnet hat: dass Oma ein Origami-Faltbuch herumliegen hat. Das schnappt sich die sechsjährige Tochter, besorgt Tonpapier und schaut einem aufmerksam dabei zu, wie man aufmerksam die Origami-Anleitung liest. "Also, das ist ganz einfach", versucht man sich Mut zuzusprechen und faltet munter drauf los. Man faltet, wendet, und stutzt: "Rechts falten Sie die Linien so ein, dass sich ein weiteres Dreieck zwischen den Lagen des anderen befindet." Ein weiteres Dreieck? Einfalten? Auch eine Talfalte wird erwähnt. Bilder gibt es nicht. Verdrießlich schaut man Richtung Lego, wo der Vierjährige schon spielt. "Willst du nicht auch...?", versucht man es, doch ein gnadenloses Kopfschütteln folgt. Origami! Origami!

"Oma, kannst du vielleicht helfen?" Aber Oma ist schon geflohen. Da kommt der Onkel und sagt: "Gib mal her." Erleichtert verlässt man den Raum. Betritt ihn zehn Minuten später und staunt: Ein Origami-Frosch und ein Origami-Elefant stehen schon in voller Pracht, eine weitere Origami-Rose ist in Bearbeitung. "Wie hast du das bloß geschafft?" Der Onkel tut so, als wäre es das Einfachste der Welt gewesen, die unbeschreibliche Beschreibung zu durchschauen. Doch seine Nichte verrät ihn schließlich: "Er hat sich das auf dem Handy angeschaut."

Der Onkel vollendet noch die Origami-Rose und setzt sich dann schnell zum Vierjährigen, Lego-Bauen. Und während die Tochter die Papiertiere bestaunt, wird das Origami-Buch schnell zwischen anderen Büchern verstaut. In einer undurchdringlichen Talfalte.

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