Süddeutsche Zeitung

Glonn:Vielschichtige Frauenfiguren

Lesezeit: 3 Min.

Michaela Schulte, Anette Koch und Brigitte Yoshiko Pruchnow stellen in der Klosterschule aus

Von Anja Blum, Glonn

Freunde gegenständlicher Malerei kommen bei der neuen Schau in der Glonner Klosterschule voll auf ihre Kosten. Dort stellen nun drei Künstlerinnen aus, die sich alle der figurativen Kunst verschrieben haben: Anette Koch, Brigitte Yoshiko Pruchnow und Michaela Schulte. "Die Durchlässigkeit der Dinge" nennen sie ihre erste gemeinsame Ausstellung, denn in diesem Thema liegt eine weitere Gemeinsamkeit: Die Malerinnen zeigen, anhand unterschiedlicher Motive und Techniken, dass sich bekannte Formen auflösen können. Sie wollen offenlegen, dass die Kunst und auch die Welt vielschichtig sind. "Es geht darum, sich Zeit zu nehmen hinzuschauen, und die verschiedenen Ebenen zu entdecken - formal wie inhaltlich", sagt Koch. Allen drei gemeinsam ist außerdem, dass sie mit fotografischen Vorlagen arbeiten, diese im Akt des Malens aber verändern, verfremden, zuspitzen.

Eigentlich sollte noch eine vierte Künstlerin, Michaela Wühr, mitmachen, doch sie ist an diesem Wochenende verhindert. So beginnt die Reise dieses Quartetts, das künftig öfter gemeinsam ausstellen will, im Trio-Format. Als Künstlergruppe im eigentlichen Sinn verstehen sich die Malerinnen jedoch nicht: "Unser Zusammenschluss ist einfach getragen von gegenseitigem Respekt und Neugier auf die Arbeit des anderen", erklärt Schulte. "Es ist sehr inspirierend, unsere Bilder hier nebeneinander hängen zu sehen", sagt Pruchnow. Den Kontakt zur Glonner Klosterschule hat Schulte aus Reichertsheim hergestellt, die im Landkreis verwurzelt ist und seit vielen Jahren in Neuhardsberg bei Steinhöring ausstellt. Die drei anderen Malerinnen leben in München. Woher sie sich kennen? "Das berühmte Networking", sagt Koch.

Sie stellt in der Klosterschule zwei Serien aus Ölgemälden aus. Die erste, mit floralen Motiven, zeigt wunderbar licht-zarte Blüten und Blätter, fein lasiert und durch extreme Nahaufnahme verfremdet, also an die Grenze zur Abstraktion herangeführt. "Im Vordergrund steht dabei für mich aber eigentlich nicht das Motiv, sondern die Komposition", sagt Koch. Linien, Flächen Farben: All das folge einem Rhythmus, der dem Bild sein Wesen verleihe. Das gilt auch für die andere Reihe der Künstlerin: Großformatige Bilder, die Menschen unter Wasser darstellen. Hier arbeitet Koch vor allem mit eher dunklen, gedeckten Farben, das vorherrschende Moosgrün lässt unwillkürlich an einen Natursee denken. Gebrochen werden die Formen hier allerdings nicht durch einen Makroeffekt, sondern im Spiel der Elemente. Wellen, Luftblasen und Lichtreflexe umfangen die Taucher, sodass ihre konkrete Gestalt teils nur noch erahnbar ist.

Ganz ähnlich und doch ganz anders kommt eine Serie von Pruchnow daher. Auch sie zeigt Menschen unter Wasser und nutzt gekonnt die Brechungen der Form durch Spiegelungen. Allerdings sind ihre Acrylbilder kleinformatig und in kräftigeren Farben gehalten als die von Koch. "Ich komme vom Zeichnen, habe viele Comics gemacht", sagt sie - und das sieht man ihren Werken auch an. Vor allem die Hintergründe erinnern an die Bildsprache von Animationsfilmen. Eine Herausforderung für die Wahrnehmung sind auch jene Arbeiten, in denen Pruchnow alles durch eine verregnete Scheibe darstellt: Große und kleine Wassertropfen, Schlieren und Rinnsale beeinflussen die Proportionen, verwischen die Farben, verzerren den Blick. So werden selbstverständliche Dinge wie eine Straßenkreuzung zu abstrakten Zeichen, angelehnt an die traditionelle asiatische Kunst. "Ich arbeite wie in der Kalligrafie mit einem sehr nassen, flüssigen Strich."

Schulte wiederum zeigt Porträts und Landschaften - sowie beides in einem. Zum Beispiel das Bild eines traditionell gekleideten jungen Schafhirten vor einer Südtiroler Landschaft, oder das Doppelprofil einer jungen Frau vor einem tiefblauen Bergsee. "Landschaften male ich schon ganz lange, und die kommen auch immer wieder durch", sagt Schulte, in jüngster Zeit aber interessierten sie besonders die Nuancen des menschlichen Gesichts als Spiegel sämtlicher Seelenzustände. Vor allem die Zeit der Pubertät, in der sich ihre Tochter gerade befinde, habe es ihr angetan: "Das ist nicht schlimm, wie alle sagen, sondern ein spannender, nachvollziehbarer und sichtbarer Umbruch, da werden einfach aus Kindern Persönlichkeiten", sagt Schulte. Dieser Entwicklung versucht sie mit ihrer präzisen, unprätentiösen Malweise nachzuspüren. Immer darin angelegt ist: eine Ahnung von der Vergänglichkeit des Seins.

"Die Durchlässigkeit der Dinge": Ausstellung von Brigitte Yoshiko Pruchnow, Michaela Schulte und Anette Koch in der Glonner Klostergalerie, Samstag, 16. April, und Sonntag, 17. April, jeweils von 11 bis 17 Uhr. Die Künstlerinnen sind anwesend.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2016
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