Bauen an der Glonn:Paradies über dem Wasser

Glonn Hochwassergebiet, Wohnhaus auf Stelzen.

Leben nicht in Angst, sondern voller Freude im Hochwassergebiet: Anette Schreiber und Jürgen Hollinger haben sich ein Haus auf Stelzen gebaut.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Glonner Paar hat ein Haus auf Stelzen gebaut - und sich damit einen Traum erfüllt. Auf diese Weise können sie direkt an dem Fluss Glonn wohnen, ohne Angst vor Überschwemmungen zu haben.

Von Anja Blum, Glonn

Jürgen Hollinger hat keine Angst vor dem Wasser, auch wenn erst vor ein paar Tagen der Steg am Teich wieder einmal überflutet war. Ganz im Gegenteil. Der 51-Jährige ist stolz auf das Domizil, das er und seine Lebensgefährtin Anette Schreiber sich geschaffen haben - im Überschwemmungsgebiet direkt neben der Glonn. "Es ist einfach fantastisch hier", sagt der Bauherr, "wir leben mitten im Ort und doch in der freien Natur. Wo sonst kann man das noch haben?" Von der Terrasse aus blickt man direkt aufs glitzernde Wasser, auf Blumen, Schilf. Im Hintergrund riesige Eichen. Ein Bächlein plätschert durchs Gras, ein Steg lädt zum Sonnenbaden ein.

Bereits seit zehn Jahren hätten sie davon geträumt, auf dem Grundstück an der Lena-Christ-Straße, das aus dem Besitz der Familie Schreiber stammt, ein Haus zu errichten. Doch vieles sprach dagegen. Der Untergrund bestand aus Sumpf und Torf, noch heute steht das Gelände unter Wasser, wenn die Glonn über die Ufer tritt. Nur ein Stadl hatte man hier bislang gebaut. Doch irgendwann hörten Hollinger und Schreiber von der Möglichkeit, ein Haus auf Stelzen zu bauen - und packten es an.

Acht Säulen tragen das Gebäude

Seit zwei Jahren bewohnen die Glonnerin und der Burghausener nun ein Passivhaus aus Holz, dessen Erdgeschoss etwa 1,80 Meter über dem Boden liegt. "Das ist knapp über dem Pegel eines hundertjährlichen Hochwassers", erklärt Hollinger. Darunter befindet sich ein Fundament aus Betonstreifen, getragen von acht Säulen, die zehn Meter tief ins Erdreich ragen. Dazwischen kann das Wasser, sollte es steigen, ungehindert über ein Kiesbett fließen. Ein Gitter verhindert lediglich, dass sich größere Tiere unter dem Haus einnisten.

Außerdem ging dem Bau ein groß angelegter Bodenaustausch voran: Insgesamt ist das Gelände, das unter drei Erben aufgeteilt wurde, 35 000 Quadratmeter groß. Um es nutzbar zu machen, wurden Tonnen von Torf weggeschafft und laut Hollinger "etwa 300 Fuhren Kies" aufgeschüttet - ein großer Aufwand mit enormen Kosten. Deshalb habe damals schon so mancher gesagt: "Ihr seid verrückt!" Der Bauherr sieht das freilich anders: "Uns war es das wert", sagt er im Brustton der Überzeugung. Die beiden anderen Grundbesitzer werden es Hollinger und Schreiber nun gleichtun und ebenfalls Häuser mit Streifenfundament errichten.

Als Auffangbecken haben die Glonner einen Badeteich angelegt

Die zweite Besonderheit des Anwesens ist ein 200 Quadratmeter großer und bis zu zwei Meter tiefer Teich, der von allerlei Pflanzen be- und umwachsen ist. "Eine der Auflagen war, dass wir ein Auffangbecken für das Wasser schaffen - da lag es nahe, daraus gleich ein Biotop zu machen", sagt Hollinger. Nun tummeln sich hier Moderlieschen, Frösche, Fledermäuse, Libellen, Enten und allerlei andere Tiere. "Sogar einen Eisvogel haben wir, das freut mich besonders", sagt der passionierte Hobbygärtner und strahlt. Außerdem ist das Wasser völlig klar - "und ganz wunderbar zum Schwimmen".

Der Teich ist mit Grundwasser gefüllt, das an dieser Stelle nur knapp unter der Oberfläche liegt. "Wenn man in der Wiese neben dem Haus gräbt, stößt man schon nach etwa 50 Zentimetern auf Wasser", erklärt Hollinger. Außerdem sei der Teich über ein Rohr mit der Glonn, die gleich hinter dem Grundstück vorbeifließt, verbunden, so dass beide Gewässer stets den selben Pegel hätten. Schwillt der Bach an, tut es auch der Teich. Bei einem echten Hochwasser wird aus beidem eine einzige fließende Fläche, über der das Haus zu schweben scheint. Hoffentlich.

Für das Bauvorhaben eine Genehmigung zu bekommen, war laut Hollinger kein Problem. "Die Behörden waren von unseren Plänen ganz begeistert - sowohl was den Hochwasser- als auch den Naturschutz angeht." Das bestätigt indirekt Christine Huber, Leiterin des Sachgebiets Wasserrecht: "Bei Häusern auf Stelzen gibt es natürlich kaum Verdrängungseffekte, aber solche Bauten sind im Landkreis bislang leider die absolute Ausnahme." Auch eine Elementarversicherung, die Hochwasserschäden mit abdeckt, habe er problemlos abschließen können, so Hollinger.

Sorgen macht sich der Besitzer nun eher um die Nachbarn

Sorgen macht sich der 51-Jährige eher um das Glonner Ortszentrum als um das eigene Haus. "Die Glonn fließt in einem Rohr unter der Hauptstraße durch, aber wenn dort zu viel Wasser ankommt, gibt es schnell einen Rückstau, so dass die Häuser dort überschwemmt werden. Da sollte man unbedingt etwas tun", sagt er. Außerdem hofft er mit Blick auf seine Nachbarn, dass es so bald nicht wieder zu einer heftigen Überschwemmung kommt - schließlich hat so manches Haus hier an der Lena-Christ-Straße keinen Hochwasserschutz.

Bei bereits bestehenden Gebäuden muss dieser Schutz laut Huber nicht nachgerüstet werden. So wie bei der "alten Maria" zum Beispiel: ein weiß getünchtes, altes Häuschen - benannt nach Schreibers Tante -, das vom Wasser aus gesehen hinter dem neuen Passivhaus und laut Hollinger unter Denkmalschutz steht. Im Jahr 2002, bei der jüngsten großen Überschwemmung in Glonn, sei darin laut Erzählungen das Wasser gestanden. Das allerdings hat Hollinger nicht selbst erlebt.

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