Glonn:Lyrische Transparenz

Glonn: Gefühle transportieren möchte die Malerin Karin Nahr, in der Schrottgalerie zeigt sie unter anderem Kompositionen aus Farbe und Wachs.

Gefühle transportieren möchte die Malerin Karin Nahr, in der Schrottgalerie zeigt sie unter anderem Kompositionen aus Farbe und Wachs.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Künstlerin Karin Nahr zeigt in der Schrottgalerie crossmediale Werke

Von Alexandra Leuthner, Glonn

Venedig. Unverkennbar. Der Dogenpalast am linken Rand des Bildes, fast reliefartig mit feinsten Linien in weißes Wachs geritzt. In der Mitte, als Blickfang, eine der verspielten venezianischen Laternen mit geschwungenen Armen und altertümlicher Anmutung. Wer die Stadt im Wasser kennt, lässt sich widerstandslos hinein ziehen in die Szenerie, ihre Theaterstimmung; die Atmosphäre einer "alten Stadt", wie Karin Nahr sagt. Sie malt sie immer wieder, seit sie 2003 unzählige Fotos mitgebracht hat - und unzählige Bilder im Kopf. "Eine Reise, von der ich immer noch zehre", sagt die Malerin.

Zum vierten Mal stellt die Wahl-Glonnerin nun in der Schrottgalerie aus, Bilder in diversen Techniken, Abstraktes ebenso wie Gegenständliches, Stadtszenerien und Akte, Landschaften und Figürliches. Karin Nahr lässt sich gerne treiben bei der Entwicklung ihrer Werke. "Ich stelle mir vor", sagt sie, "das ist wie beim Komponieren: Man hat eine Melodie im Kopf und dann fügt man nach und nach verschiedene Instrumente hinzu." Nicht die Abbildung ist ihr Ziel, "das Motiv ist nur der Auslöser". Es geht um das Gefühl, das sie mit einem Bild verbindet: Die Gelassenheit beim Anblick der Gondolieri, die ihre Spuren durch die Kanäle ziehen. "Sie sind für mich eine Konstante im Geschehen Venedigs", einer Stadt, die unter Touristenströmen verschwindet, in der man nach Ruhe suchen muss. In Schwarz und Weiß hat Nahr die Gondolieri verewigt, angedeutet, fast skizzenhaft - den Eindruck einer Geste, einer bestimmten Haltung, die Empfindung vom Gleichmaß der Bewegung, in dem das Remo, das lange Ruder am Heck, durchs Wasser bewegt wird - Bilder im Kopf.

"Crossover" ist die Ausstellung in der Schrottgalerei überschrieben, und das bezieht sich nicht nur auf die Motive, sondern auch auf das Material. So sind Mischtechniken mit Wachs oder mit stofflichen Materialien ebenso zu sehen wie feine Aquarelle. Aus Insektengaze etwa formt Nahr zarte Blütenblätter blauer Blumen. Kompositionen aus Farbe und Wachs - das eine zur Andeutung von Figuren oder Gebäuden im Hintergrund verwendet, das andere als weiche Oberfläche, in die ähnlich einer Radierung Formen hineingekratzt sind - haben es ihr aber besonders angetan. Sie spielt mit den Grundstoffen: Das Wachs gibt dem Dogenpalast seine freskenhaft erscheinende Außenwand, bildet bei Nahrs abstrakten Bildern eine Oberfläche, eine Kruste, durch deren Risse und Brüche Farbschnipsel scheinen wie Versprechen aus geheimnisvoller Tiefe. Vier Studien unter dem Titel "Zustände" hat Nahr mit Wachs und grüner Farbe gestaltet, andere in Rot gehalten. Wo das Wachs aufbricht, entstehen Strukturen, manchmal kristallisieren sich Figuren, Gesichter heraus, manchmal glaubt man diese auch nur zu sehen. Wenn sich auch die Motive ebenso wie die Techniken unterscheiden, sprechen sie doch eine gemeinsame Sprache: Sie ähneln sich in ihrer Transparenz, dem leichten, fast lyrischen Pinselstrich, der den Eindruck des Schwebens in Zeit und Raum vermittelt. Vieles ist mehr weggelassen als hingemalt.

Nahr, zunächst zur grafischen Zeichnerin ausgebildet, dann Lehrerin für Kunst und Werken geworden, spielt auch mit der Perspektive. Von einem Besuch in ihrer fränkischen Heimat - sie stammt aus Nürnberg, lebte dann lange in München bevor sie nach Glonn zog - hat sie Eindrücke aus mittelalterlichen Straßen mitgebracht. Hier führt sie den Betrachter ebenso spielerisch mit ihrem Pinsel durch verlassene Gassen zwischen Fachwerkhäusern hindurch wie durch die Kanäle von Venedig. Sie lässt der Unberechenbarkeit der Aquarellfarbe Raum, fängt sie an anderer Stelle gekonnt wieder ein. Gelegentlich, erzählt sie, arbeite sie mit Links - mit der rechten Hand gerieten ihr als Grafikerin die Striche manchmal zu exakt, die nicht ganz so starke Linke dagegen bewege sich näher an der nie geometrisch vermessenen Natur. Die Spuren dieser Striche verlieren sich in bröckelndem Kopfsteinpflaster, in den Platten des Markusplatzes, die nach einem Regenguss schimmern, im milchigen Licht eines über den Kanälen aufsteigenden Tags. Nichts wie hin!

"Crossover": Ausstellung von Karin Nahr in der Glonner Schrottgalerie, zu sehen bis 5. November.

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