Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Glonn:Originelle Originale

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Karin Nahr, Gabriele Cramer-Schaepe und Rüdiger Thorwarth bespielen zum ersten Mal zusammen die Galerie in der Klosterschule. Zu sehen gibt es Malerei und Grafik, fotografisch inszenierte Verwandlungen sowie humorvolle Keramikfiguren.

Von Anja Blum, Glonn

"Glonner Originale" ist die neue Schau in der alten Klosterschule überschrieben - und dieser Titel trifft es ziemlich gut. Tatsächlich in Glonn geboren ist zwar nur eine von drei Ausstellenden, doch sie alle leben schon sehr lange hier, engagieren sich im Kulturverein und sind dem lokalen Kunstpublikum bestens bekannt. Glonner Originale eben.

Nun haben sich Karin Nahr, Gabriele Cramer-Schaepe und Rüdiger Thorwarth das erste Mal zusammengetan, um die wunderschöne Galerie in der Klosterschule zu dritt zu bespielen - beileibe keine schlechte Idee, wie ein Rundgang zeigt. Denn diese drei Originale beweisen auch jede Menge Originalität, jeder auf seine ganz eigene Weise. Abwechslungsreicher könnte so ein kreatives Trio also kaum sein. Zu sehen gibt es Malerei und Grafik von Nahr, humorvolle Keramikfiguren von Thorwarth und allerhand fotografisch inszenierte Verwandlungen von Cramer-Schaepe. Allerdings nicht im wilden Durcheinander, vielmehr haben die drei Künstler die Räume unter sich aufgeteilt, auf dass ihre Kunstwerke im Zusammenspiel erst recht Wirkung entfalten.

Wer in Glonn kennt sie nicht, die "Großkopferten im handlichen Format" von Rüdiger Thorwarth, die den Besucher gleich im ersten Raum, der Kapelle, begegnen? Und weil er diesmal so viel Platz hat, kann der Künstler eine Art Gesamtschau bieten, von ganz frühen bis zu aktuellen Werken. Thorwarts Metier sind detailreich gearbeitete Figurengruppen aus Ton - und das sie verbindende Element ist der Humor. Immer geht es lustig zu, selbst bei den ernstesten Themen wie Armut, Klimawandel oder Tod.

Tatsächlich sind viele der Thorwarthschen Arbeiten zeitlos. Seine Utopie vom globalen Frieden zum Beispiel, in der er Vertreter aller Kontinente gemeinsam eine entsprechende Pfeife rauchen lässt. Oder seine Umsetzung eines tröstlichen Rilke-Zitats: "Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält." Neben diesen tiefgehenden Betrachtungen gibt es aber auch Leichteres: Tierisches, Bäuerliches und allzu Menschliches. Von der Wirtshausschlägerei über Szenen einer Ehe bis zum Schwebezustand dank fränkischem Bocksbeutel.

Die allermeisten Werke aber sind keramische Kommentare zu politischen Ereignissen. Die ganze Politprominenz, von Bayern bis Amerika, lässt Thorwarth in seinen dreidimensionalen Karikaturen aufmarschieren. Besonders gerne mag der Glonner offenbar Putin, den er im Gegensatz zu Angela oder Markus nicht beim Vornamen nennt. Der russische Machthaber darf an olympischen Ringen hängen, politische Gegner im Judo oder beim Fingerhakeln bezwingen und per Eselstritt in eine Mülltonne fliegen.

So gerät Thorwarths Ausstellung auch zu einer Art Dokumentation von Zeitgeschichte - aus Ton. "Ja, viele meiner Protagonisten sind inzwischen schon wieder von der Bildfläche verschwunden", sagt er lachend. "Da sieht man mal, wie schnelllebig unsere Zeit ist." Sepp Platter wird hier noch von der "Korruptionswalze" erwischt, der fränkisch gedachte "AfDerwind" haut selbst Angela Merkel um, George W. Bush zündelt mit Dollarnoten und Edmund Stoiber darf als bayerischer Münchhausen nach Brüssel fliegen.

Lust an der Inszenierung hat auch Gabriele Cramer-Schaepe. Allerdings verwendet sie dafür keinen Ton, sondern ihren eigenen Körper. Während der Lockdowns habe sie sich im ehemaligen Kinderzimmer eine Bühne gebaut und diese Kulisse immer wieder aufwendig umdekoriert, erzählt sie. So entstanden haufenweise außergewöhnliche, opulente Selbstporträts - witzige wie kritische. "Mir ging es dabei aber nie um mich, sondern darum, möglichst intensiv in verschiedene Welten einzutauchen und so diverse Themen zu verdichten."

Begonnen habe dieses Spiel mit der Verwandlung anhand von Naturmaterialien, erzählt die Künstlerin, mit kraftvollen, archaischen Bildern - "einer Würdigung unserer Umwelt". Eine selbst gebastelte Krone aus Schilf oder eine Haube aus Pusteblumen auf dem Kopf, das Gesicht voller getrocknetem Lehm, mit Kastanien oder Misteln geschmückt: So sehr verschmilzt Cramer-Schaepe mit ihren Requisiten, dass sie zu einem anderen, rätselhaften Wesen wird. Meist wirkt sie dabei unnahbar und streng, trotz allen skurrilen Humors, der diese Fotografien durchströmt.

Weiter ging es mit Inszenierungen zum Thema Plastikmüll. "Ich wollte wissen: Wie fühlt sich das eigentlich an, so verpackt zu sein?", erzählt die Künstlerin. Also nähte sie sich ein Kleid aus Folie, behängte sich mit Gemüse in Tüten und einem grünen Netz. Um Fleischkonsum wiederum geht es beim "Armen Würstchen": Hier hängt ein rohes Steak um Cramer-Schaepes Hals, auf ihrer Haut prangen Kuhflecken, die Haube ist mit Besteck verziert. Geldwäsche und Glaube, aber auch ihr Heimatgefühl und das Corona-Fernweh hat die Glonnerin bereits in überbordend theatralen Bildern festgehalten. "Und ich habe noch ganz viele weitere Ideen - aber vielleicht sollte ich mal die Bremse reinhauen", sagt sie und lacht.

Kein Mangel an Inspiration scheint auch im Kopf von Karin Nahr zu herrschen. Sie präsentiert sich jedenfalls in großer Vielfältigkeit, technisch wie inhaltlich. Malend oder zeichnend nähert sie sich der Welt, sei es mit Aquarell, Wachsgravur, Keramik-Miniaturen oder Tusche. So entstehen Landschaften und urbane Szenen, zum Beispiel aus Venedig, aber auch Porträts, Aktzeichnungen und Figuren in Bewegung, zwischen Malerei und Grafik changierend.

Besonders reizvoll sind Nahrs Wachsbilder: Dank flüssigem Paraffin, einer Nadel und Acryl- oder Ölfarbe bieten sie eine reizvolle Verbindung feiner Linien mit malerischen Strukturen und starke Hell-Dunkel-Kontraste. Schnell wird klar, dass diese Künstlerin ihr Handwerk beherrscht - und glücklicherweise trotzdem dem Zufall eine Chance lässt. "Bei den Gravuren ist es manchmal besser, die linke Hand zu nehmen anstatt der rechten, sonst wird es zu akkurat", sagt sie. Die Dynamik der Spontaneität: Sie gelingt dieser Glonnerin mit links.

In der Klosterschule präsentiert sich Nahr aber vor allem auch als eine Art moderner Heimatmalerin. In der Filzen, im Reisenthal oder Brucker Moos findet sie oftmals ihre farbintensiven Motive: Winterhimmel, Tauwetter, Rapsfeld, Waldrand. Stets beeindrucken diese Landschaften mit großer Tiefe und expliziten Stimmungen. Sogar gewöhnliche "Gartenabfälle" geraten bei Nahr zu einem Hingucker, zu einer zarten Herbstkomposition in Braun. Und auch bei den Aquarellen lässt sich die Malerin gerne vom eigenen Tun überraschen: "Ein Farbverlauf, eine bizarre Form, eine spontane Assoziation - und man ändert plötzlich die ursprüngliche Intention."

Wer sich also gerne auch mal selbst überraschen lassen möchte von neuen Perspektiven, überbordender Kreativität und ansteckender Fröhlichkeit, der möge an einem der beiden kommenden Wochenenden in die Galerie der Klosterschule gehen. Dort nämlich kann man lauter Glonner Originalen begegnen, solchen aus Fleisch und Blut, aber auch solchen in Vitrinen und an der Wand.

"Glonner Originale" in der Klosterschule, Eröffnung am Samstag, 2. Dezember, 14 bis 18 Uhr, zu sehen am Sonntag, 3. Dezember, 10.30 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag, 9./10. Dezember, wieder 14 bis 18 sowie 10.30 bis 18 Uhr.

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