Soziales Engagement und Kleiderbörse:Modeumschlagplatz und sozialer Treffpunkt

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Rechts geht es in die Herrenabteilung und zur Trachtenmode, links und im Hauptraum werden Damen fündig, hinter dem Durchgang gibt es alles fürs Kind. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Glonner Verein Kleiderherz verkauft Mode und spendet den Erlös an soziale Organisationen. 30 000 Euro waren es in acht Jahren. Doch der Laden ist auch Mittelpunkt für Austausch und ortsübergreifende Aktionen. Am 29. Juni gibt es beim Dorffest einen Sonderöffnungstag: Herz & Markt.

Von Michaela Pelz, Glonn

„Hier sieht es ja aus wie in einer Boutique!“ Diesen überraschten Ausruf hören sie häufig, im Kleiderherz in Glonn. Er kommt von Menschen, die sich unter einer Verkaufsstelle von gespendeter Kleidung immer noch einen tristen Ort für Bedürftige vorstellen. Jasmin aus Vaterstetten tut das nicht. Die 17-Jährige ist heute da, weil sie wie ihre Freundinnen Fast Fashion ablehnt und laut ihrer ebenfalls anwesenden Mama „eigentlich nur Secondhand tragen will“. Damit gehören die beiden zu den bis zu 50 Verkaufsparteien, die, mal als Mutter-Tochter-Gespann, mal als Paar, mal mit mehreren Freunden oder allein, jeden Donnerstag zwischen 14 und 19 Uhr den Laden im Klosterweg 4 aufsuchen.

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Die Auswahl an Hosen, Röcken, Kleidern, Jacken, Schuhen, Trachtenmode, Badebekleidung und Accessoires aller Art für Damen, Herren und Kinder ist beeindruckend. „Wir haben 1700 gefüllte Kleiderbügel, die gefaltete Ware noch nicht eingerechnet. Hier geht so gut wie keiner raus, ohne etwas gekauft zu haben“, sagt Charlotte Gummert-Schulze, die an der Kasse sitzt.

Gruppenbild mit Herr - die Kleiderherz-Vereinsmitglieder (von links): Annegret Biehn (Gründerin), Gabriele Cramer-Schaepe, Jutta Dreiner, Dirk Schulze, Charlotte Gummert-Schulze, Marcela Peschke. Nicht im Bild: Angelika Bachmann. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sie und Ehemann Dirk haben sich 2024 mit fünf anderen zu einem eingetragenen Verein zusammengeschlossen. Das Kleiderherz selbst existiert jedoch bereits seit 2016, gegründet als „Glonner Kleiderkammer“ von Annegret Biehn und deren mittlerweile verstorbenem Mann Günther. Seitdem hat ein rein ehrenamtliches Team in rund 15 000 Stunden 30 000 Euro erwirtschaftet. Und komplett gespendet – unter anderem an den Glonner Tisch, das Frauenhaus Ebersberg und das ambulante Kinderhospiz Rosenheim.

Zunächst betrieb Biehn die Kleiderbörse im Keller des örtlichen Altenheims. „Schals und Mützen hingen auf einer Schnur, die Kleider an den Wasserrohren“, erinnert sich die 74-jährige. Kein Vergleich zur Präsentation der Ware in den aktuellen Verkaufsräumen. Es ist die dritte Station der Initiative, nachdem man aus Brandschutzgründen erst das Marienheim verlassen musste, danach den von vornherein zeitlich begrenzten Standort in Kulbing. Fast drohte dem Projekt das Aus, doch dann kam das Angebot eines früheren Friseursalons mitten in Glonn, in Gehweite von Marktplatz und Schule. Was für ein Glücksfall! Zumal zwei Schaufenster die Sichtbarkeit erhöhen.

Die aparten Wandkacheln in einer der drei Umkleidekabinen erinnern an die frühere Nutzung als Friseursalon. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Alle zwei bis drei Wochen werden sie liebevoll umdekoriert. Zuständig dafür ist hauptsächlich Gabriele Cramer-Schaepe, von den anderen ob ihrer vielen Talente „unsere Künstlerin“ genannt. Sie findet es erschreckend, „welche Mengen hier abgegeben werden und wie sehr die Modeproduktion zur Umweltzerstörung beiträgt“. Darum hat sich die Glonnerin dem Upcycling verschrieben – also „aus alt mach neu“.

Der erste Schritt zum neuen Badvorleger: Ausrangierte T-Shirts, möglichst bunt. In diesem Fall: zwölf Stück. (Foto: Kleiderherz Glonn/oh)
Nach dem Zerlegen in Streifen kommt die Häkelnadel zum Einsatz. (Foto: Kleiderherz Glonn/oh)
Stolz präsentiert Gabriele Cramer-Schaepe das Endergebnis nach zehn Stunden Arbeit: einen neuen Badvorleger. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ihr und dem Team ist Nachhaltigkeit nach eigenen Angaben extrem wichtig. Laut Kleiderherz-Website sparte der Verkauf von, seit der Gründung, 18 000 gebrauchten Teilen „455 210 Kilogramm CO₂-Emissionen, 291 241 500 Liter Wasser und 1 114 800 Kilowattstunden Energie“.

Auch für die Kundschaft zählt der Umweltgedanke. Ein Kunde sagt: „Bei der Fernsehwerbung für Ultra Fast Fashion wird mir schlecht. Das billige Klump aus China ist kein Vergleich zur Qualität von vor 20 oder 30 Jahren.“ Doch es gibt auch Gespräche ganz anderer Art. Etwa mit dem Sohn, der fünf Kleiderkartons seiner gerade ins Pflegeheim umgezogenen Mutter bringt. Auch er findet hier ein offenes Ohr.

Kundin Carmen Bauhoer kauft für ihre Enkelin ein - sie findet die Idee super, Kleidung wiederzuverwenden und dabei Spendengeld für gute Zwecke zu erwirtschaften. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Denn die soziale Interaktion ist das zweite Merkmal dieses ganz besonderen Ladens, wo sich immer jemand für einen kurzen Ratsch bei einem Kaffee findet. Das schätzen die Glonner – ebenso wie die Motto-Tage mit externen Partnern. Beim nächsten am 11. Juli („Herz und Acker“) wirkt mit Valentin Winhart von der Ursprunger Permakultur.

„Wir sehen uns nicht als Insel, sondern als Teil des Orts“, heißt es im Kleiderherz. Das spüren sogar die ganz Jungen, von denen immer mehr zum Einkaufen kommen. Wie der Zwölfjährige, der unlängst einen Anzug suchte. Oder die vier Freundinnen, deren liebevoll handgemaltem Gutschein das Kleiderherz die Idee verdankt, selbst welche zum Download oder im Laden anzubieten. Auch viel Lustiges hat sich auf den rund 100 Quadratmetern schon zugetragen: Für ein Theaterstück erwarb ein junger Mann einen Siebzigerjahre-Skianzug in lila-orange-giftgrün. Unvergessen auch der Besuch von Lamm Felix, der über seiner Windel einen Kleiderherz-Body trägt.

Jutta Dreiner und das Lämmchen, das sie mit der Flasche aufzieht. Wenn sie es dabei hat, trägt es einen Body - mit Windel. (Foto: Kleiderherz Glonn)

Teammitglied Jutta Dreiner, die den Kleinen mit der Flasche aufzieht, findet „Kleidung muss viel mehr wertgeschätzt werden.“ Weil sich auch aus „zu klein gewordenen oder kaputten Sachen“ noch ganz viel machen lässt, wird sie bei einem der nächsten Motto-Tage im Herbst demonstrieren, wie aus einer ausrangierten Jeans vier bis fünf neue Dinge entstehen – etwa ein Gürtel mit Tasche für Hundeleckerlis.

Was sich dafür eignen könnte, sichtet Dreiner jetzt schon in der Küche beim Sortieren der angelieferten Ware, von der nur 20 Prozent in den Wiederverkauf wandert. 60 Prozent geht an die Flüchtlingshilfe Erding – „nächste Woche holen sie wieder 80 Kartons ab“, der Rest in den Container. Bettwäsche-, Handtuch- oder Deckenspenden, die grundsätzlich nicht verkauft werden, bekommt das Tierheim Ostermünchen, Spiele werden an die Kita oder an Kundenkinder verschenkt.

Auch während des Sonderöffnungstags am 29. Juni wird man sich bestimmt über Aktionsware freuen dürfen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Neben Dreiner wirbelt Marcela Peschke. Die Mutter von drei Söhnen zwischen zwölf und 19 ist schon lange dabei, will Vorbild sein und zeigen, dass nicht immer alles neu sein muss. „Manchmal, wenn ich was finde, wasche ich es und räume es in die Schränke, ohne den Jungs vorher etwas zu sagen“, erzählt sie. „Beim Entdecken freuen sie sich dann.“ Nur eins sei wichtig: „Alles, was nicht schwarz ist, ist keine Kleidung.“

Ob das wirklich stimmt, lässt sich am 29. Juni überprüfen, wenn beim Dorffest der Ökomodell-Region VG Glonn ausnahmsweise samstags geöffnet ist: Von 10 bis 16 Uhr.

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