Glonn:Graswurzel-Blues im Biotop

Strictly Bluegrass

Strictly Bluegrass aus München unterstreichen in Glonn, dass sie zurecht als Kenner der Musikrichtung gelten, nach der sie sich benannt haben.

(Foto: Ulrich Pfaffenberger)

Mit Leidenschaft und Sinn fürs Poetische bringt das Quartett von "Strictly Bluegrass" die Fantasie zum Blühen

Von Ulrich Pfaffenberger, Glonn

Jetzt ist es wieder an der Zeit. Fährt man dieser Tage durch Kentucky, zum Beispiel auf dem Highway 27 von Stanford Richtung Lexington, dann begleiten einen blaugrün blühende Wiesen und Weiden am Wegesrand. Wiesen, die dem US-Bundesstaat seinen indianischen Namen gegeben haben - und der Bluegrass Music ihren Nährboden. Als vor einigen zweihundert Jahren Bauern aus England, Schottland und Irland in diese Region kamen, fasste auch ihre Musik dort Wurzeln, ließ sich von den gleichaltrigen Nachbarn Blues und Gospel berühren und entwickelte sich zum amerikanischen Gegenstück unserer Volksmusik. Um die 1920er Jahre herum wurde der typische Sound aus Fiddle, Banjo, Bass, Dobro und Gitarre dann zum eigenständigen Musikstil, der schließlich die Wiege der amerikanischen Folk Music zu schaukeln begann.

Wer seine Ohren und Gefühle dem Bluegrass leiht, wird mithin nicht nur unterhalten, sondern reiht sich ein in eine lange Wanderschaft der Musik zwischen den Kontinenten, lauscht einer Sprache, die kulturelle Barrieren mit einem Flügelschlag überwindet - und mit einem Lächeln. Denn Bluegrass hat selbst in seinen traurigsten Takten noch die Sonne im Herzen, die die Wiesen zum Blühen bringt. Die Wiesen um Glonn sind derzeit von blaugrüner Blüte noch weit entfernt, gleichwohl sprossen Bluegrass-Klänge an diesem Wochenende in Vollendung in der Schrottgalerie, seit jeher ein Biotop für naturbelassenen Blues und seine musikalische Verwandtschaft.

Denn gerade der kleine Raum, die dichte Akustik und die drei Bodenbretter Nicht-Abstand zwischen Musikern und Zuhörern schaffen eine angemessene Plattform für Bands wie Strictly Bluegrass aus München, die als ausgewiesene Kenner der Stilform nur zu gern unplugged spielen und auf die Zwischentöne Wert legen. So bringen sie die Sonne im Bluegrass zum Leuchten, mal stärker, mal schwächer, aber stets belebend für die feinen Nuancen, zu denen diese Musik fähig ist - und die vielschichtige, anregende Klangbilder gebiert und die Fantasie der Zuhörer beflügelt.

Schon bei der ersten Nummer rollt der Dampfzug durch die Prärie, verwandelt sich ein paar Takte weiter in einen Einspänner, den Cary Grant mit lockerer Hand über die staubige Straße rollen lässt, bis er schließlich als Raddampfer mit Mark Twain im Steuerhaus den Mississippi herunterpaddelt. Bei "Big Scioty" springen die Töne rebellisch von den gezupften Saiten wie Tropfen von einem Wasserfall, beim "Steel Guitar Rag" schaffen die minimal verschleppten Takte, Mikro-Ritardandi, eine Spannung, dass es einen schier zerreißt, bei "Broken Dreams" zeugen fliegende Führungswechsel von einem höchst feinsinnigen Gefühl für die instrumentale Eleganz der Melodie.

Farbig, saftig, lebensfroh tragen Gregor Thurmair, Emanuel Niklas, Dieter Rahner und Günther Wimberger ihre elegant-fröhlichen Arrangements vor. Sie improvisieren - bei aller Routine alter Hasen im Metier - mit Liebe und Leidenschaft, jonglieren entspannt mit Rhythmen und Tempowechseln, zaubern federleichte Übergänge und zweiunddreißigstel-klirrende Läufe, lassen der schlichten Poesie der gesungenen Geschichten freien Lauf.

Keiner, der diese Musik bewegungslos über sich ergehen ließe, keine, die nicht von der Heiterkeit angesteckt und der Anspannung des Alltags entrissen würde. Das ist genau die Musik, die man sich für einen Samstagabend wünscht, für den Feierabend einer harten Arbeitswoche. Damals in Kentucky und heute in Glonn, belohnt mit reichem Applaus in der gut besuchten Blues-Stube.

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