Glonn:Für 'nen Appel und ein Ei

Bei ihren Exponaten für "Spielräume" waren die Fotofreunde Glonn ganz frei in Themenwahl, Präsentation - und Kostenaufwand

Von Victor Sattler, Glonn

- Den Blick einmal frei schweifen zu lassen, das hat sich Sebastian Kugler erlaubt, als er auf dem Ebersberger Aussichtsturm stand. Da hielt er die Panoramasicht von Steinhöring bis über Grafing hinaus auf vier Aufnahmen fest, die er später am Computer zu einem Bild zusammensetzte. Nun hängt es gleich neben dem Eingang zur Glonner Klosterschule. Der freie Blick könnte gleichzeitig der Ausstellung "Spielräume" als Motto dienen: Denn den Fotofreunden Glonn war es wieder ein Anliegen, mit vielen Einzelstücken den Blick zu erweitern und sich so für neue Möglichkeiten der Kunst einzusetzen.

"Auf der anderen Seite haben wir ja im Herbst immer unsere Jahresausstellung, die ist sehr einheitlich in der Rahmengestaltung und im Format der Bilder", erklärt Kugler. "Aber alle zwei Jahre lassen wir uns dann wieder Freiräume bei der Art und Präsentation der Fotografie. Du arbeitest einfach viel kreativer, wenn du dir dein Thema selbst suchst."

Für Kugler beginnt die Kreativität lange, bevor man den Auslöser drückt, nämlich schon bei der ersten Idee. Der Wunsch, diese in Freiheit umzusetzen, hat auch wiederum seine Fotografien inspiriert: Ein Aktmodell steht in Ketten geschlagen, es spannt aber bereits seine Muskeln an, im Hintergrund hat die Frau eine Wand durchbrochen - die Verfechterin der Freiheit. Ähnlich wie Kugler Einzelbilder vom Aussichtsturm am Computer "gestitcht" hat, platziert er auch seine Models in einer fremden Welt. Für "Fantasy" diente ein Potsdamer Gruselschloss als Kulisse, die beiden düsteren Models standen aber nicht in Potsdam, sondern im Studio. "Manche sagen: Mei, das ist ja alles Photoshop. Aber früher mussten wir für so einen Effekt extra in der Dunkelkammer alles ausschneiden und wieder zusammensetzen, da ist es doch so viel einfacher", sagt Kugler und grinst.

Fotofreunde Glonn - Spielräume 2017

Die Fotofreunde Glonn präsentieren in der Klosterschule nicht nur bemerkenswerte Bilder. Sebastian Kugler widmet sich der "Lebensgemeinschaft Wald".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gisela Wimmer setzt ebenfalls auf technische Ausdrucksformen. Von den drei Orchideenblüten, die ihre Arbeit "Schwerelos" zeigt, ist nur eine echt und wurde auf Papier abfotografiert. Die anderen beiden sind sozusagen Bilder im Bild, die Wimmer eingescannt hat. Mit einem Scanner arbeitet auch Volker Jäger. Das triviale Hühnerei hat er damit kopiert, dann einen Teil in schwarz-weiß abgesetzt. Bei seinem zweiten Motiv aus der Lebensmittelabteilung, dem Apfel, verkehrt Jäger Bereiche ins blaue Negativ, um am Bekannten noch "Unerwartetes entdecken" zu lassen.

Wenn die acht Vereinsmitglieder, die von Freitag, 31. März, an ihre Werke in der Klosterschule ausstellen, zu so pragmatischen Mitteln wie Photoshop und Scanner greifen, dann ist der künstlerische Minimalismus auch ein finanzieller. "Der Preis ist mit Sicherheit ein Faktor", sagt Kugler - immerhin betreiben alle acht Fotofreunde ihre Kunst nur als Hobby. "Es war und wäre im Analogen kaum bezahlbar, was wir jetzt hier haben. Die Digitaltechnik hat vieles ermöglicht und uns viel mehr Zugang zur Kunst verschafft."

Fotofreunde Glonn - Spielräume 2017

"Dünen" von Volker Jäger.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wo das Budget erschöpft ist, kann die Fantasie dann neue Wege aufzeigen. "Für das Hobby der Fotografie werden keine Kosten und Mühen gescheut. Und so flog ich für diese Serie ins Weltall", schreibt Jürgen Bochynek mit einem Zwinkern, der für "Intergalaktische Erfahrungen" seine Planeten aus Granitsteinen, Küchenplatten oder wieder Äpfeln geschaffen hat.

Sebastian Kuglers Werksmaterial war hingegen das Fichtenholz aus seinem eigenen Waldstück. Beim Holzspalten sei ihm die Idee gekommen, aus dem Baumstamm grobe Holzrahmen zu schnitzen. Die Fotos in ebendiesen Rahmen zeigen nun wieder die "Lebensgemeinschaft Wald", so der Titel - "und der Kreis schließt sich", sagt Kugler. Denn das letzte Bild zeigt verrottete Holzscheite, die der Borkenkäfer-Plage zum Opfer gefallen sind, genau wie der Baum, den Kugler fällen musste.

Solche ungewöhnlichen Aufhängideen tragen auch Horst Ehrenberg und Volker Jäger bei. Ehrenberg tüftelte dafür an einem Klemmsystem mit Galerieschiene und Perlonschnüren. Für ihn habe die Aufhängung sogar im Vordergrund gestanden, noch vor den eigentlichen Bildern. "Vielleicht eine Anregung für die Wandgestaltung zu Hause?", meint Jäger zu seinen Fotos an einer langen Holzlatte.

Inge Kolb ist mit 90 Jahren die Grande Dame der Fotofreunde Glonn. Vom künstlerischen Zeitgeist lässt sie sich deshalb aber weder abschrecken, noch abhängen. Stattdessen grinst Kolb auf einem verzerrten Spiegel-Selfie kess in die Digitalkamera in ihrer Hand. "Sie macht das alles sehr modern", schwärmt Kugler, "sogar mit Effekten am Computer". Damit ist Inge Kolb bei den Fotofreunden in bester Gesellschaft. Negativstreifen, Filmkitt und obskure Chemikalien gibt es hier nur noch auf einem nostalgischen Bild von Harald Biebel: Aufgenommen in einer ehemaligen SED-Parteischule, trägt es den Titel "Entwicklungsfähig".

Fotofreunde Glonn - Spielräume 2017

Volker Jäger hat einen Apfel verfremdet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ausstellung "Spielräume" in der Glonner Klosterschule, Vernissage am Freitag, 31. März, 19.30 Uhr. Geöffnet samstags, 1./8. April, von 14 bis 18 Uhr, sowie sonntags, 2./9. April, von 10 bis 18 Uhr.

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