Süddeutsche Zeitung

Glonn:Fotokunst am Bildschirm

Die Jahresausstellung der "Fotofreunde Glonn" findet erstmals virtuell statt. Sie gibt einen Einblick das vielfältige kreative Schaffen der Mitglieder.

Von Anja Blum

Ja, Fotografie findet schon lange kaum mehr in der Dunkelkammer statt, der Computer ist - neben der Kamera freilich - zum wichtigsten Instrument der Lichtmaler geworden. Zumal in den Reihen der Fotofreunde Glonn, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, nicht die Realität abzubilden, sondern ihren Blick auf diese auf dezidiert künstlerische Weise umzusetzen - gerade auch mittels digitaler Bildbearbeitung. Trotzdem ist die Fotogruppe stark in der analogen Welt verhaftet: Der Austausch ist ein wichtiger Bestandteil, sei es bei Klubabenden oder Ausstellungen. Insofern, sagt der Vereinsvorsitzende Sebastian Kugler, sei es den Fotofreunden sehr schwer gefallen, auf die 35. Jahresausstellung in der Glonner Klosterschule zu verzichten - und sie erstmals und ausschließlich auf digitalem Weg anzubieten.

"Liebend gerne hätten wir uns wieder mit Euch in der Klosterschule getroffen, uns gemeinsam unsere Bilder angeschaut, einen Kaffee getrunken, geratscht, auch etwas gelästert", heißt es im Vorwort zu der virtuellen Schau, "aber das geht leider heuer nicht". Zwar habe man alles versucht, habe an einem Hygienekonzept gearbeitet und sich mit den Behörden beraten, so Kugler, doch das Ergebnis sei ernüchternd gewesen. "Uns sind vor allem Gespräche wichtig, aber die lässt die Pandemie nicht zu, und wir wollten kein Risiko eingehen." Besondere Zeiten verlangten eben besondere Herangehensweisen. Trotzdem hoffen die Fotofreunde Glonn, mit der Präsentation auf der Homepage einen Einblick in ihr Schaffen geben und in Kontakt mit dem Publikum bleiben zu können. "Auch diesmal ist die Meinung der Betrachter gefragt", erklärt Kugler: Es gibt auch online ein Gästebuch für Anregungen und Kritik.

Negatives indes ist darin bislang nicht zu finden, vielmehr dürfen sich die Fotofreunde freuen über Lob und Anerkennung. Einerseits für ihre Arbeiten, aber auch für die Entscheidung, die Jahresausstellung ins Internet zu verlegen. "Ich danke Euch herzlichst, dass Ihr uns auch in diesem Covidjahr an Euren besonderen, vielfältigen, kreativen und künstlerischen Blicken auf die Dinge teilhaben lasst!", schreibt da jemand. Oder: "Die Gespräche und das Fachsimpeln sowie Eure AV-Shows fehlen zwar, trotzdem ist Eure virtuelle Ausstellung eine wunderbare Alternative in diesen seltsamen Zeiten. Und Eure Fotos sind auch wieder vom Feinsten - vielseitig und sehr kreativ!"

An der digitalen Schau haben sich acht Autoren beteiligt. Neben Begrüßung und Gästebuch gibt es Fotografien in zwei Rubriken zu bestaunen: einmal mit Thema, einmal ohne. Denn auch dieses Jahr haben die Fotofreunde wieder unter einem Motto gearbeitet, es lautet "Wasser". Zu dieser Gemeinschaftsserie - die einen Eindruck von den unterschiedlichen Arbeitsweisen geben soll - hat jedes Mitglied ein oder zwei Bilder beigetragen. All diese Fotografien bestechen mit kühler Ästhetik und minimalistischer Farbgebung. Teils sind sie gleich schwarz-weiß, teils kommen sie mit sehr wenigen, dezenten Tönen aus.

Harald Biebel etwa zeigt eine felsige Höhle mit samtig stürzendem Wasserfall, Volker Jäger eine sich wild brechende Welle sowie eine kleine Aquafarm auf dem großen Meer - ein maritimes Stillleben in zartem Blau. Gisela Wimmers Arbeit mit dem Titel "Eis" gibt Rätsel auf: Was ist hier Spiegelung, was nicht? Klar ist nur: Dieses kleine Naturschauspiel wurd von geschultem Auge entdeckt. Ähnlich gearbeitet hat Sebastian Kugler am Ebersberger Langweiher, auch er präsentiert das Wasser als spannende Reflexionsfläche. Höchst dynamisch dagegen kommt sein Porträt einer Surferin am Münchner Eisbach daher. Etwas weiter weg war Norbert Alexy unterwegs, ihm ist am Flughafen in Singapur eine imposante Wasserinstallation begegnet. Und wie aus einer ganz anderen Welt erscheint Gilbert Pinggeras "Dolphin". Nicht mit einer Naturaufnahme, sondern mit einer grafischen Arbeit stellt sich Alexander Gohlke hingegen vor: Im Hintergrund prangt der Schriftzug "H2O", im Vordergrund hängt an einem dünnen Metallröhrchen ein Tropfen, in dem sich die chemische Formel exakt spiegelt. Ein echter Hingucker!

Das gleiche gilt für Gohlkes Serie "Luftblasen", die er im thematisch freien Teil der Jahresausstellung zeigt. In einem Glasgefäß hat er viele dieser einmaligen, höchst vergänglichen Gebilde erzeugt. Die Arbeiten sind inhaltlich minimalistisch, aber maximal grafisch. Eine zweite Serie heißt "Orange City", hier wird eine Stadt nur auf wenige unscharf-bewegte Linien reduziert, die Farbe Orange ist dominant. Eine Stadt, wie sie überall zu finden sein könnte? Ebenfalls mit einem hohen Grad an Abstraktion arbeitet Gisela Wimmer. Ihren faszinierenden Blick von oben in das Innere einer Wendeltreppe haben die Fotofreunde zum Titelbild gewählt, außerdem zeigt sie unter dem Titel "Sommertag" impressionistische Pleinairmalerei mit der Kamera sowie "Der Sommer kann kommen": bunte Schirme am Riemer See.

Überhaupt drängt sich der Eindruck auf, dass die Glonner Fotofreunde diesmal - pandemiebedingt? - ihre Motive oft in der näheren Umgebung fanden, oder zumindest ihre Reisen nicht allzu weit weg führten. Einzige Ausnahme ist da Norbert Alexy mit seinen Bildern aus Singapur. Er hat dort das imposante Gewächshaus "Cloud Forest" besucht, das sich ständig verändernde Perspektiven bietet. In einer anderen Serie experimentiert er mit dem Bokeh-Effekt (Lichtquellen im Bereich der Unschärfe), seine gläsernen Stillleben sind vermutlich zu Hause entstanden. Sebastian Kugler hat es zumindest bis nach Sizilien und Venedig geschafft. So zeigt er einen einsamen Strand, der schon bessere Zeiten gesehen hat: "Mich hat der morbide Charme dieser Gegend inspiriert", erklärt er. Um diesen Eindruck noch zu verstärken, habe er über die Bilder eine Texturebene gelegt. Eine andere Serie entstand in einem fast menschenleeren Venedig, ein heftiger Wolkenbruch über dem Markusplatz inklusive - ein fotografischer Glückstreffer! Nicht weit weg von dort, auf Burano, war Volker Jäger unterwegs und hat Besen fotografiert. Das ist deswegen reizvoll, weil das Fischerdorf mit bunt leuchtenden Fassaden glänzt, an welchen die Reinigungsgeräte lehnen. Außergewöhnliche Farbkonzepte hat Jäger zudem im Bauhaus in Dessau entdeckt, wohingegen seine Bilder aus dem winterlichen Bayerischen Wald fast monochrom gestaltet sind.

Geometrie ist das übergeordnete Thema von Harald Biebel. Er hat die moderne Innenarchitektur der Kunsthalle Mannheim eingefangen sowie einige andere museale Objekte mit originellen Formen. "Hochspannend" auch seine Serie "Vernetzt": Als Basis dienten hier ganz normale Stromleitungen, wie Biebel erklärt, durch Versatz am Computer aber schuf er daraus vielschichtig-grafische Triptychen. Johannes Schmidt setzt mit seinen Bildern der Grafinger Gruppe "Movimento" ein Denkmal: "Es ist faszinierend, mit welchem Mut und Können Jugendliche ab 14 Jahren die Zirkuswelt der Akrobatik erobern", lobt er. Vor allem daheim kreativ war offensichtlich Gilbert Pinggera. Er zeigt "Tafelsilber", einen abstrakt-reduzierten Blick in den Besteckkasten, zudem "Silent Light of Roses", malerische Details aus dem Garten, sowie die Serie "Blue Planet": Man brauche nicht immer tolle Motive oder weit zu reisen, erklärt der Fotograf. "Mit etwas Fantasie, zwei Papierschiffchen kombiniert mit farbigen Flächen, entstehen ebenfalls ausdrucksstarke Bilder."

Wie ein Motto für die ganze virtuelle Schau der Fotofreunde aber wirkt die Serie "Coronakämpfer" von Kugler. Der Vereinschef hat hier Collagen geschaffen aus etwas gruseligen Lost Places, fliegenden, überdimensionalen Viren und Menschen, meist im Ghetto-Look, die sich energisch zur Wehr setzen. Mal schießen sie, mal haben sie Klopapier gehortet. Diese Wege zur Bekämpfung des Corona-Virus seien freilich "nicht so ganz ernst gemeint", erklärt Kugler. Etwas, das für die erste digitale Schau der Fotofreunde indes nicht gilt, ganz im Gegenteil. Sie ist durchaus sehenswert, und das neue Format könnte in Zukunft eine schöne Ergänzung zur analogen Ausstellung in der Klosterschule liefern. Dieser Kampf hat sich also gelohnt!

Die virtuelle Jahresausstellung der "Fotofreunde Glonn" ist zu finden unter www.fotofreundeglonn.de.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2020
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