Glonn:Amerikanische Landschaften

Glonn: Sie sind "The Reverend & The Lady": Mauro Ferrarese an Gitarre und Banjo, Alessandra Cecala am Kontrabass.

Sie sind "The Reverend & The Lady": Mauro Ferrarese an Gitarre und Banjo, Alessandra Cecala am Kontrabass.

(Foto: Christian Endt)

The Reverend & The Lady bringen den Blues des frühen 20. Jahrhunderts in die Schrottgalerie Glonn

Von Peter Kees, Glonn

So mancher Altmeister des Italienischen Films hätte womöglich Freude an den beiden gehabt: Mauro Ferrarese erinnert ein wenig an einen übrig gebliebenen 68er. Mit seinem langen, inzwischen ergrautem Haar, seinem Backenbart, der runde Brille, überhaupt mit seinem legeren Outfit hat er sogar gewisse Ähnlichkeiten mit Rainer Langhans. Alessandra Cecala könnte eine Figur aus einem Film von Federico Fellini oder Michelangelo Antonioni sein. Ihr schwarzes Haar, ihr Ausdruck, ihre Bewegungen lassen eine Frau vermuten, die auf der Leinwand womöglich eine gutes Bild abgäbe. Hätte also einer der genannten Regisseure einen Western gedreht, vielleicht hätte er an die beiden Musiker gedacht. Sven Friedel, Leiter der Schrottgalerie in Glonn hat die beiden einst am Gardasee entdeckt. Nicht in New Orleans, St. Louise oder am Mississippi, in Malcesines Hafen standen sie auf der Straße und spielten und sangen Blues. Und eben das taten The Reverend & The Lady auch vergangenen Freitag in ihrem Konzert in der Schrottgalerie; Mauro Ferrarese an der Gitarre und am Banjo, Alessandra Cecala am Kontrabass. In der intimen Atmosphäre der Schrottgalerie leicht umzusetzen: rein akustisch.

Cool war der Auftritt. Da standen zwei Musiker vor einem begeisterten Publikum und ließen es swingen und grooven. Die raue Stimme Ferrareses, das immer wieder Umschlagen seines Gesangs in die falsettartige Kopfstimme - ganz typisch für den Blues -, seine aufreibenden Gitarren- oder Banjosoli, die gezupften oder schnalzenden Saiten des Kontrabasses dazu (bei der Technik wird das Instrument fast zum Schlagzeug), auch der Gesang der Bassistin, all das klang wahrlich nach dem Amerika des frühen 20. Jahrhunderts. Und tatsächlich waren in erster Linie Blues-Songs aus den 20er bis 40er Jahren zu hören.

Blues ist ein Lebensgefühl, der Ausdruck einer Empfindung des späten 19., des frühen 20. Jahrhunderts in der afroamerikanischen Gesellschaft Amerikas. Die Rassendiskriminierung der farbigen Sklaven spielt dabei unbedingt eine Rolle. Derb-melancholisch ist die Grundstimmung, und dennoch voller Kraft und rhythmischer Raffinesse. Es gib kaum alltägliche oder außergewöhnliche Begebenheiten, die nicht von einem Bluessänger aufgegriffen wurden: Armut, Wohnungselend, Untreue, Liebe, Tod oder Katastrophen. Ob seiner Kraft wird der Blues zu Erfolgsgeschichte in ganz Amerika und zieht von dort aus um die Welt.

Bemerkenswert und unbedingt erzählenswert ist ein kleine Anekdote aus dem Konzert: Mauro Ferrarese stimmte beim Wechsel seiner Gitarren das zu spielende Instrumente jeweils nach. Als die Bassistin ihn einmal darauf aufmerksam machte, dass die Stimmung der Gitarre nicht mit dem Bass übereinstimme, zuckte Ferrarese nur mit der Schulter und gab halb lakonisch, halb gewitzt einen Satz von sich: "It sounds good for me." (Es klingt gut für mich.) Und das erzählt etwas über die Haltung des Blues. Hier geht es nicht um Perfektion, hier geht es um Ausdruck, um das Äußern eines Seelenzustandes - und den haben die beiden Italiener unbedingt sehr amerikanisch getroffen. Man konnte sich wahrlich irgendwo in amerikanischer Landschaft wähnen. Die Glonner Kulisse weggedacht, so hätte das Paar auch für einen Italowestern Pate stehen können.

Blues wörtlich übersetzt heißt Traurigkeit; "I've got the Blues", "ich bin traurig". Die Songs sind bemerkenswert: Dem Blues gelingt es, einen Ausdruck zu finden für das, was schmerzt und dabei zugleich etwas zu schaffen, das dem Zuhörern Kraft geben kann. Und das ist nicht anders als in einem der legendären Streifen von Antonioni. Auch dort wird Melancholie formuliert - und doch geht man beseelt aus dem Kino.

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