Gestaltungssatzung aufgehoben:Freies Gestalten

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Weil die Vorgaben zu unkonkret sind, kippt das Verwaltungsgericht die Auflagen der Gemeinde. Ein Ehepaar hatte geklagt

Katharina Blum

Weiße Farbe, dunkle Holzverschalung ab der halben Höhe, Dächer mit Vorsprung: Die alten Häuser im östlichen Teil der Kirchseeoner Siedlerstraße sind weitestgehend von einem einheitlichen Baustil geprägt. Damit das so bleibt, hat die Gemeinde den heutigen Eigentümern mit einer Gestaltungssatzung aufgegeben, diesen ursprünglichen Stil der Siedlung von 1936 zu wahren. Nun hat das Bayerische Verwaltungsgericht München die Satzung für nichtig erklärt. Ein Ehepaar hatte geklagt, sein neu erworbenes Haus nicht nach seinen Wünschen modernisieren zu dürfen. Gekippt wurde die Satzung mit deutlichen Worten, wie Bürgermeister Udo Ockel (CSU) unumwunden zugibt: "Das war ein ganz klares Signal. Man hat uns seitenweise Mängel aufgezeigt." Die Gemeinde wird die Satzung womöglich von einem Anwalt überarbeiten lassen.

"Die Häuser wurden in den 30er Jahren errichtet, meine Mandaten wollen ihr Haus lediglich nach den heutigen Gegebenheiten ausrichten", hatte Anwalt Thomas Böhmer die Klageeinreichung begründet. "Wir sehen keinen nachvollziehbaren Grund, diese Straße zu schützen." Schützenwert sei die Siedlung deshalb nicht, weil es in der Vergangenheit bereits erhebliche Baumaßnahmen gegeben habe und von einer Ortsbildprägung nicht mehr gesprochen werden könne. Das Gericht sah es ähnlich: "Das Denkmalschutzamt wollte den Straßenzug nicht haben. Die nehmen eigentlich jedes Projekt", berichtet Ockel vom Termin in München.

Verhandelt wurden nun zwei Verfahren, zum einen die Klage gegen den Freistaat wegen Baueinstellung. Der Stopp wurde umgehend aufgehoben. Zum anderen die Klage gegen Kirchseeon, weil der Gemeinderat dem Antrag des Paares auf Befreiung von der Satzung nicht zugestimmt hatte. Im November 2011 hatten die Eheleute das Haus gekauft, am 7. Februar 2012 erklärte das Landratsamt laut Böhmer, dass ihre Wünsche ohnehin nicht genehmigungspflichtig seien. Wenige Tage später aber trat die Satzung in Kraft, die Kläger mussten alle Maßnahmen stoppen und blieben auf Farbe sowie Bauteilen und damit auf Kosten von mehreren Tausend Euro sitzen. Ursprünglich wollte das Paar sein Haus mit einer apricot-pastellfarbenen Fassade gestalten, statt kleiner Sprossenfenster bodentiefe Glasfronten einbauen, der Garten sollte einen Metall- anstelle eines Holzzauns bekommen. Alles nicht konform mit der Satzung. Der damalige Beschluss muss nun in der nächsten Sitzung aufgehoben werden, da die Satzung keinen Bestand mehr hat, wie das Gericht bei einer inzidenten Prüfung festgelegt hat. Die Kläger sind der Gemeinde von sich aus entgegengekommen und wollen eine weiße Fassade behalten.

Will Kirchseeon nach wie vor eine Gestaltungssatzung haben, muss die alte Version stark überarbeitet werden, voraussichtlich holt man sich einen Anwalt zur Hilfe, das wird rund 3000 Euro kosten. Bislang hatte man sich an mehreren Mustervorlagen orientiert und diese an die Kirchseeoner Gegebenheiten angepasst. Das Gericht bemängelte unter anderem die zu unscharf formulierten Regelungen. So werden etwa gleich große Fenster gefordert, es werden aber keine Größen angegeben. "Absichtlich nicht", wie Ockel erklärt. "Wir wollten den Eigentümern einen gewissen Spielraum lassen." Möglich ist jetzt auch, dass sich der Rat gegen eine restriktivere Fassung ausspricht. Darauf hofft auch Anwalt Böhmer: "Soll eine Gemeinde hier weiter Geld ausgeben und Prozesse führen, obwohl nur eine Minderheit der Bewohner diese Satzung will?"

© SZ vom 12.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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