Geschmackstest:Apfelspalterei

Maria Seidinger aus Rinding züchtet in ihrem Garten mehr als 200 Sorten Äpfel - obwohl sie selbst das Obst gar nicht verträgt. Der Magen unseres Autors ist da stabiler.

Kostprobe von Johannes Hirschlach

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Goldrenette von Blenheim Sir Winston Churchill erblickte 1874 im englischen Blenheim Palace das Licht der Welt. Bereits ein Jahrhundert zuvor wuchs unweit des Palastgebäudes eine bis dahin unbekannte Apfelsorte heran, die Goldrenette von Blenheim. Herzrot mit einer ockerfarbenen netzartigen Struktur überzogen, kann die Frucht eine handflächengroßen Durchmesser erreichen. Trotz der sandig rauen Oberfläche quietscht die Schale beim Darüberreiben. Das leuchtend weiße Fruchtfleisch ist sehr bissfest und von milder Säure. Ein flüchtiger Hauch frischer Wiesenkräuter umwabert die geschmackliche Gesamtkomposition

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Goldparmäne Wenn man alten Literaturangaben Glauben schenkt, gehört die Goldparmäne zu den Oldies der heimischen Apfelsorten. 1205 könnte die Sorte bereits in einem mittelalterlichem französischen Garten entstanden sein. So hoch betagt, merkt man der Goldparmäne in Geschmack und Aussehen ihr Alter dennoch nicht an: Keineswegs faltig sondern glatt spannt sich die Schale fest über das brockig herausbrechende Fruchtfleisch. Eine ideale Mischung aus Süße und Säure verteilt sich gleichmäßig auf der Zunge, dazu gesellen sich nussige Aromen. Ein Apfel, wie er im Bilderbuch steht.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Apfel von Croncels Besonders schmackhaft sieht er nicht aus, der "Apfel von Croncels" - wie so viele Apfelsorten im 19. Jahrhundert entstanden. Die Schale ist auffällig hell. Das eingetrübte Blassgelb erinnert an eine milchige, in Smog gehüllte Sonne. Eindeutig verdankt die Frucht diesem Umstand Zweitnamen wie Eis- oder Glasapfel. "Der ist relativ häufig in unseren Breiten", sagt Maria Seidinger. Die Konsistenz bestätigt die Vorurteile des äußeren Eindrucks. Das Fruchtfleisch fühlt sich mehlig, matschig, beinahe buttrig an. Der Geschmack ist von für einen Apfel untypischer Kühle, aber einprägsam. Einerseits sauer, nimmt der Gaumen auch einen seifigen Einschlag wahr, der an Kiefernnadeln erinnert.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bramley's Seedling Wer sich ein Stück von "Bramley's Seedling" genehmigt, muss im wahrsten Sinne in den sauren Apfel beißen. Frisch gepflückt, entfaltet die grasgrüne, von kleinen roten Flächen überzogene Frucht aus Südengland im Mund eine Geschmacksexplosion an Säure. Liebhaber, die sich gerne eine aromatisch herbe Kombination auf der Zunge zergehen lassen, kommen bei dieser Sorte voll auf ihre Kosten. Andere könnte der holzige Geschmack der Schale vor dem rohen Verzehr abhalten. Wandlungsfähig ist der Apfel jedoch: Im Ofen entfalte er seine Qualitäten als Backobst, sagt Maria Seidinger. Vielleicht auch deshalb sei "Bramley's Seedling" der Lieblingsapfel ihrer Großmutter.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)
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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ingrid Marie Aus dem salzigen, maritimen Klima Dänemarks stammt der Apfel "Ingrid Marie". Die Sorte ist im Norden Deutschlands ein beliebter Weihnachtsapfel. Die Färbung der Schale reicht von hellgrün bis tiefdunkelrot, gesprenkelt mit einer auffälligen Anzahl an Lentizellen - bräunlich-grüne Punkte auf der Oberfläche des Apfels. "Der schmeckt nicht leer", sagt Maria Seidinger und hat damit recht: Säuerlich im ersten Moment, hinterlässt der Apfel einen angenehm süßlichen Nachgeschmack. Die herbe Schale kommt deutlich zur Geltung. Für den Hobbygärtner sei "Ingrid Marie" aber nicht zu empfehlen, sagt Seidinger. Die Zucht gestalte sich schwierig.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lavanttaler Bananenapfel Wo Banane draufsteht, ist auch Banane drin: Die Schale der oval ausgeprägten Züchtung aus dem US-Staat Massachusetts leuchtet kirschrot und grün-golden. Kleine braune Punkte, sogenannte Stippen, finden sich auf der Haut. Eine physiologische Störung des Apfels sei das, sagt die Expertin Maria Seidinger. Das Fruchtfleisch ist mehlig und lässt sich mit der Zunge leicht am Gaumen zerdrücken. Der Geschmack erinnert tatsächlich an saure Bananen mit zarter Schale. Dem befremdlich-exotischen Aroma folgt dann eine dezent pilzige Würze. Das Obst für alle, die sich nicht zwischen Apfel und Banane entscheiden können.

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(Foto: N/A)

Coulon's Renette Auf belgische Wurzeln können die Äpfel der Sorte "Coulon's Renette" in Maria Seidingers Garten zurückblicken. Den Apfel entwickelte im 19. Jahrhundert ein Baumschulenbesitzer namens Coulon in Lüttich. Unter der braunen Färbung der Haut schimmert hellklares Grün hindurch. Im Geschmack kämpfen sich süßliche Aromen hervor, werden jedoch überlagert von einem dominanten, bittertrockenen Säureakzent. Der feste Apfel überrascht dabei mit einem Phänomen, das vor allem beim Verzehr von Schlehenfrüchten auftritt. Die starke Säure zieht die Geschmacksknospen zusammen und hinterlässt ein pelziges Gefühl der Zunge.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Pollinger Klosterapfel Keusch und fromm nimmt er sich nicht aus, der Pollinger Klosterapfel. Die Sorte aus dem nicht allzu fernen Polling bei Weilheim ist selten, sagt Maria Seidinger. Groß ist der Fruchtkörper, der Stil dagegen auffällig kurz. Leuchtend rot mit goldenen Einschlägen signalisiert die Frucht verheißungsvolle Süße, überrascht dann aber mit ganz anderen Qualitäten. Der unerwartet bissfeste Apfel schmeckt im Inneren leicht zuckrig, in den äußeren Schichten bitter säuerlich. Das Mischaroma begleiten rustikale Akzente, die an Kräutermischungen mit Kümmel oder Anis erinnern.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kaiser Wilhelm Wahrhaft kaiserlich im Namen, ist der Apfel von adeligem Geblüt aromatisch von keiner herausragenden Eleganz. Aus einem Garten bei Solingen stammend, ist die Haut der Sorte zwar königlich purpur gefärbt, gesprenkelt von edlen weißen Punkten. Im Biss bricht das harte Fleisch scheibig aus der Masse. Die erste, markant saure Note hat allerdings keine Konstante. Sie verflüchtigt sich in Sekundenbruchteilen ins Nichts. Der hohe Zuckergehalt des royalen Apfels kommt kaum zur Geltung - was bleibt ist ein moosiger Schlussakzent und eine pelzige Masse an Schale.

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