Süddeutsche Zeitung

Geschickt mit Nadel und Faden:Im Dirndlfieber

Lesezeit: 3 min

In der Schneiderei von Manuela Grasberger in Aßling dreht sich alles um die beliebte Tracht. Ihre Kurse sind bis 2021 ausgebucht

Von Stella Vogl, Aßling

Durch das Fenster auf dem Dachboden scheint die milde Mittagssonne auf die alte Pfaff-Nähmaschine von Manuela Grasberger. Neben dem massiven Holztisch hängen selbstgefilzte Taschen. Über eine Kleiderbüste ist ihr persönliches Prachtstück gezogen, der Schalk: ein traditionelles Oberteil aus schwarzer Seide und Rüschen rund um den Ausschnitt. An diesem Ort, der zugleich auch das Zuhause der gelernten Industrieschneiderin ist, geht sie unter Beobachtung ihres ständigen Begleiters, Hund Sammy, ihrer großen Leidenschaft nach: dem Schneidern von Dirndln.

Die Liebe zur Tracht geht so weit, dass sich Grasberger darauf spezialisiert hat und seit 2013 Dirndlkurse anbietet. Ihre Leidenschaft fing mit sechzehn Jahren auf der Hauswirtschaftsschule an, und das ohne den ausdrücklichen Wunsch, überhaupt Schneiderin zu werden. "Ich habe vom ersten Lehrjahr weg geschneidert. Obwohl das eigentlich nicht mein Traumberuf war. Eigentlich wollte ich die Wirtschaft von meinen Eltern übernehmen, das war immer so mein Traum", erzählt die 51-Jährige und lacht. Und während "alle Klammerschürzen genäht haben", setzt sich Grasberger kurzerhand einen Trachtenrock in den Kopf. 1998 macht sie sich schließlich selbständig, nachdem sie für Kunden wie C&A und Escada geschneidert hat. Bis heute schätzt sie die Arbeit fernab von monotonen Massenproduktionen. Über alle die Jahre nimmt die traditionelle Bekleidung einen hohen Stellenwert in ihrem Leben ein. Das zeigt sich besonders dann, als sie stolz ihr erstes Dirndl präsentiert, ein schlichtes Modell aus blauer Baumwolle: "Ich weiß bloß zweimal, dass ich mit meinem Papa einkaufen gefahren bin." Einmal gab es das Dirndl für die damals Zwölfjährige. Und das soll auch weiterhin in Ehren gehalten werden: "Mein Patenkind darf das jetzt anziehen." Liebevoll streicht sie über die Schürze und gibt zu: "Ja, das freut mich schon."

"Wichtig ist, dass das Oberteil gut sitzt, dass es keine Falten schmeißt", sagt Manuela Grasberger.

Ihre Kursteilnehmerinnen fragen sie auch später immer gerne noch nach Rat...

...bei kniffligen Aufgaben.

Eine handgereihte Schürze aus dem Atelier der Aßlingerin: Wer so ein Stück fertigen will, muss viel Zeit und Geduld mitbringen.

Im Gegensatz zum "Faschingsgwand", dem knappen Oktoberfest-Dirndl, bevorzugt sie auch heute noch das klassische Dirndl-Modell, das über die Knie fällt, am liebsten in Moosgrün und Weinrot. Trotzdem wäre es bei so viel Liebe zum Dirndl ein Trugschluss zu glauben, dass Manuela Grasberger ausschließlich in Tracht unterwegs ist. "Ich bin eher die Bequeme", verrät sie. Da sie sich ganz ihren Kursen und dem Schneidern widmet, bleibt kaum noch Zeit für Eigenbedarf: "Jeder meint immer, ich hab meinen Schrank voller Dirndl, aber das ist leider nicht so."

Die Freude an Tradition und Tracht will die Aßlingerin in ihren Dirndlkursen weitergeben. Und das Angebot kommt gut an: Das Dirndl erlebe schließlich einen bemerkenswerten Aufschwung. "Das ist total der Boom. Alle Mädels haben ja mehr Dirndlgewänder im Schrank als Jeans", so die Beobachtung der Aßlingerin. Das gehe sogar so weit, dass sich Brautpaare fast ausschließlich in Tracht das Ja-Wort geben. Umso mehr bedauert die 51-Jährige, die selbst Mitglied im Trachtenverein ist, das mangelnde Angebot bei Handarbeit an den Schulen: "Was ganz schade ist, dass die ja heute in der Schule nix mehr lernen".

Dass sie vor diesem Hintergrund mit der einen oder anderen Teilnehmerin ohne Erfahrung im Handwerk rechnen muss, stört sie dagegen überhaupt nicht. Schließlich ist sie fest davon überzeugt, dass "der, der des macha wui, der ko's a". Und dass der Wille da ist, zeigt sich auch nach Ende des Kurses. Denn da fängt die Liebe zu Nadel und Faden bei den meisten Teilnehmerinnen erst so richtig an: "Die, die dann mal beim Nähen sind, die packt das Nähfieber, die bleiben dann wirklich dabei." Fragen ereilen Manuela Grasberger doch hin und wieder. Denn auch nach den sechs Abenden bleibt sie mit ihren "vogelwilden Henna" in Kontakt.

Und hilft auch weiterhin gerne beim Abstecken, dem A und O beim Schneidern. Das führt die Schneiderin selbst vor, indem sie ein pinkfarbenes Dirndloberteil, den sogenannten Spenzer, hervorholt und anlegt. Mit konzentriertem Blick führt sie die Nadeln durch den Stoff, streicht ihn glatt und verpasst dem groben Schnitt eine Passform, die weder zwickt noch sich zu locker anfühlt: "Wichtig ist, dass das Oberteil gut sitzt, dass es keine Falten schmeißt." Noch wichtiger ist dabei der Spaß beim Nähen: "Für mich ist es so schön, weil sich die Mädels so freuen." Und diese Freude dokumentiert sie in Bildbänden. Dort wird festgehalten, was in den Kursen gezaubert wird. Dabei ist wieder "ganz viel Vintage" in Mode und "hochgeschlossene Schnitte mit V-Ausschnitt sind der Renner". Und auch wenn es jedem freigestellt ist, sein ganz persönliches Dirndl nach eigener Vorstellung zu gestalten, gilt für Manuela Grasberger nach wie vor ein Grundsatz: "Es geht bei mir keine heim, die es nicht fertig hat."

Im September startet der nächste Kurs in ihrem Atelier; alle Plätze dafür sind aber längst belegt. Und auch sonst muss Geduld haben, wer bei Manuela Grasberger lernen will: Bis Sommer 2021 ist sie mit ihren Kursen ausgebucht.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2019
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