Geschichte von Grafing:Kitt für die Gemeinschaft

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Der neue Vorsitzende der Grafinger Arbeitsgemeinschaft Heimatkunde, Josef Höhl, mit dem ersten unter seiner Regie produzierten "Gelben Heftl". (Foto: Christian Endt)

Die Arbeitsgemeinschaft Heimatkunde veröffentlicht zwei neue heimatkundliche Schriften

Von Thorsten Rienth, Grafing

Erst einmal klingt alles nach Trübsal blasen. Da klagt Josef Höhl über die allgemeine Schnelllebigkeit, immer größer werdende Städte, den Verlust von Dialekt, von Worten und Sprache, und schreibt von wertvollen Wurzeln, die Gefahr liefen, verloren zu gehen. Die ersten zweieinhalb Absätze seines Vorworts der mittlerweile 20. Ausgabe der Grafinger heimatkundlichen Schriften gehen so weiter - aber dann dreht der neue Vorsitzende der Grafinger Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde, die das Heft herausgibt, doch noch eine scharfe Kurve: "Andererseits ist im feiernden Miteinander von Stadt- und Dorfbevölkerung aufgrund von heutiger Mobilität einiges an fast verloren Gegangenem wieder im Kommen und damit im Erhalten begriffen", heißt es da. Und damit ist Höhl dann auch mitten im Thema des Hefts, dessen Titel da lautet: "Brauchtum und Tradition in und um Grafing - einst und jetzt".

Fast schon philosophisch reflektiert Höhl wenig später den Titel: Bräuche seien ja kein Selbstzweck. Er verweist dabei auf die lateinischen Deutungen des Namens, einmal auf die althochdeutsche Komponente "bruh" - Nutzen. Und auf Usus von lateinisch uti, also "gebrauchen". Brauchtum meine folglich eine innerhalb einer Gemeinschaft entstandene, regelmäßig wiederkehrende soziale Handlung entlang stark ritualisierter Abläufe und Zeremonien. Aus der ethnologischen Perspektive könnte man sagen: Das Brauchtum ist der Kitt einer Dorfgemeinschaft.

Gerade weil er zur Definition des Themas der neuesten Publikation mit dem Lexikon ankommen müsse, sei doch die Notwendigkeit eben dieses Heftes ausreichend belegt, so Höhl. "Die intensive Grundausbildung früherer Jahre scheint teilweise heute nicht mehr so wichtig zu sein. So schieben sich viele Erinnerungen an früher Praktiziertes in der Gemeinschaft für viele, speziell jüngeren Alters, aus der Gedankenwelt ihres Daseins", schreibt der Straußdorfer.

Und so geht es auf den knapp hundert Seiten der wie üblich im Selbstverlag herausgegebenen Schrift um alte Ministrantenbräuche, die Rolle von Glocken außerhalb der Liturgie im zivilen Leben, den Glockenreiter auf dem Dachfirst oder den Brauch der drei vor dem Aufschneiden eines neuen Brotlaibs mit dem Messer in den Boden geschnittenen Kreuze.

Natürlich fehlt zwischendrin die metaphysische Ebene nicht. Etwa bei dem Kapitel über die Wetterregeln. "Ich bin seit 1945 in Neu-Dichau, oftmals in den Jahren waren sehr schwere Gewitter mit Hagelschlag", berichtet eine Alteingesessene. Aber wo vor die Haustür eine Weihwasserschüssel mit Palmkätzchen stand, da habe der Hagel plötzlich aufgehört. "Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir mit unserem Menschenhirn nicht erfassen können."

Die "20. Schrift" kommt in diesem Jahr in einer Art Doppelausgabe heraus. Angedockt ist nämlich noch das 21. Heft von Ulrich Kasparek mit dem Titel "Ein Beitrag zur Geschichte von Straußdorf", in dem unter anderem mehrere Dorfpfarrer berichten.

Veröffentlichung der 20. und 21. heimatkundlichen Grafinger Schrift am Freitag, 29. November, um 19.30 Uhr in der evangelischen Kirche in Grafing.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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