Gericht:Alarm ohne Anlass

Lesezeit: 2 min

Wiederholungstäter erhält Freiheitsstrafe für unbegründete Anrufe bei der Notrufzentrale

Von Katharina Behmer, Ebersberg

Wer den Notruf wählt, befindet sich in der Regel auch in einer Notsituation. Ganz anderer Natur waren da schon die Anrufe, die im März bei der Notrufzentrale für den Landkreis Ebersberg eingingen: Immer wieder verlangte darin ein Mann nach Polizei und Krankenwagen, da seine Begleiterin starke Schmerzen habe. Als die Einsatzkräfte ankamen, ließen sich allerdings keinerlei gesundheitliche Probleme feststellen. Die Dame weigerte sich sogar, mit in ein Krankenhaus zu fahren.

Insgesamt zwölf Mal blockierten die 46-Jährige und ihr Partner aus dem nördlichen Landkreis an diesem Tag die Notrufhotline in Ingolstadt mit derartigen Fehlalarmen. Die beiden Angeklagten mussten sich nun vor dem Ebersberger Amtsgericht für ihre Tat verantworten. Der 58-Jährige war der Justiz schon vorher wohl bekannt - die Liste seiner bisherigen Vergehen ist lang: Er wurde bereits für Beleidigung, Körperverletzung, Hausfriedensbruch und verschiedene Verkehrsdelikte verurteilt und befand sich sogar schon für mehrere Monate in Haft. In seinem bewegten Leben kam es außerdem immer wieder auch zu unbegründeten Anrufen bei Notrufhotlines. 2012 war er dafür bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

"Der Missbrauch von Notrufen ist keinesfalls ein Kavaliersdelikt, sondern grundsätzlich eine Straftat", erklärt Jürgen Weigert, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. Dies gelte vor allem, wenn ein Notfall nur vorgespiegelt werde. "In dem Moment, in dem jemand ohne einen Grund den Notruf wählt, nimmt er jemandem, der wirklich in einer Notlage ist, den Anschluss weg." Die Einsatzzentrale in Ingolstadt, zu der auch die Anrufer aus dem Landkreis Ebersberg durchgestellt werden, hat im Regelfall drei bis vier solcher Anschlüsse ständig besetzt. Zu Stoßzeiten, wie bei Unwettern, können sich laut Weigert aber auch schon mal Anrufe anstauen. "Gott sei Dank ist der Missbrauch von Notrufen kein sehr häufiges Delikt", resümiert der Pressesprecher. Im laufenden Jahr wurden im Norden Oberbayerns bislang knapp 100 Fälle zur Anzeige gebracht. In diese Statistik fallen auch Tatbestände, in denen sich an Warnschildern oder Rettungsequipment zu Schaffen gemacht wurde. Wenn dann aber doch mal falsche Anrufe in der Zentrale eingingen, steckten häufig Kinder dahinter.

Der Fall am Amtsgericht Ebersberg ist alles andere als ein Kinderstreich - alleine das Verlesen der Vorstrafen des Angeklagten, durch die Richterin Vera Hörauf nahm mehrere Minuten der Hauptverhandlung in Anspruch. Taten, bei denen der Angeklagte unter Alkoholeinfluss stand, zogen sich dabei wie ein roter Faden durch den kriminellen Werdegang. Dieses Problem schien der geständige Mann allerdings auch schon selbst erkannt zu haben und schlug vor sein Alkoholproblem in Angriff zu nehmen und regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholiker zu besuchen: "Das wäre vielleicht ganz ratsam in meinem Fall." Vera Hörauf legte dem Mann nahe, er solle seine Partnerin doch gleich mal zu der Gruppentherapie mitnehmen. Die Richterin betonte aber auch, dass ein Alkoholproblem als Ausrede für kriminelle Vergehen auf Dauer nur sehr bedingt geeignet sei.

Sichtlich zerknirscht räumte auch die 46-Jährige Mittäterin die Anrufe bei der Polizei ein und kam mit einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen von jeweils 25 Euro davon. Bei dem Wiederholungstäter zeigte sich die Richterin weniger gnädig: "Hier muss jetzt auch mal wieder eine Freiheitsstrafe her", erklärte Hörauf ihr Urteil von zehn Monaten Haft. Die Strafe setzte sie allerdings noch einmal auf Bewährung aus, unter der Voraussetzung, dass der Mann aktiv an der Bekämpfung seines Alkoholproblems arbeitet und in den nächsten vier Monaten mindestens sechs Therapiegespräche wahrnimmt. Für den Angeklagten eine Erleichterung - er bewirbt sich gerade auf eine Stelle im Handel, da er seinen eigentlichen Beruf, Fliesenleger, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Das verurteile Paar zeigte sich reuig, fast kleinlaut und entschuldigte sich für die Tat.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: