Süddeutsche Zeitung

Gemeinderat Zorneding:Orts- contra Sachkenntnis

Die Gemeinde bekommt ein digitales Verkehrsmodell

Von Wieland Bögel, Zorneding

Dass man besser jemanden fragt, der sich auskennt, wird niemand bestreiten, darüber wer dieser jemand ist, gab es nun im Zornedinger Gemeinderat eine längere Debatte. Die Freien Wähler hatten schon vor einiger Zeit beantragt, dass sich Verkehrsexperten einmal in der Gemeinde umsehen und ein Modell der Verkehrsströme erstellen sollen. Mehrmals stand der Punkt schon auf den Tagesordnungen verschiedener Ausschüsse, dort wurde letztlich aber nur beschlossen, dass der Gemeinderat beschließen soll.

Warum er das tun sollte, erläuterte Wilhelm Ficker (FW): "Es geht darum, dass wir eine Basis haben, wenn wir uns wieder Gedanken machen zur Ortsentwicklung." Ein Verkehrsmodell sei "eine Basis für die Bauleitplanung" und könnte auch die Wohnqualität verbessern, warb Ficker für seinen Antrag. Unterstützung kam von Grünen und SPD, ohne eine verlässliche Datengrundlage zu den Verkehrsströmen "werden alle Debatten zu neuen Wohngebieten nebulös", sagte Helmut Obermaier (Grüne). Werner Hintze (SPD) meinte, "wir wissen ja viel im Gemeinderat, jeder kennt seine Straße aber eben nicht alle".

Genau die Gegenposition kam von der CSU: "Die Probleme und die Brennpunkte sind bekannt", sagte Stefanie Berndlmeier, da brauche es kein Gutachten dafür. Die dafür veranschlagten Kosten von maximal 150 000 Euro werden die Gemeinde zwar nicht ruinieren, "das stemmen wir schon - aber wir halten es nicht für nötig", so Berndlmeiers Fazit. "Haben wir keine Augen?", brachte ihre Fraktionskollegin Sylvia Boher die CSU-Position auf den Punkt. Das Gutachten sei ein "Schaufensterantrag im Wahlkampf". Ohnehin gehe es, wie sie unter Protest aus den Reihen der Freien Wähler anmerkte, bei dem Ganzen doch lediglich um die Bucher Straße. Die gilt fraktionsübergreifend als verbesserungswürdig, aber nicht, dass man dazu ein Gutachten braucht. Stattdessen solle man lieber gleich in dieses Thema einsteigen, "wir müssen zum Wohle der Bürger in der Bucher Straße agieren", forderte Boher.

Ein Ansinnen, das Martin Lenz (FG) ausdrücklich lobte, allerdings müsse man dazu eben erst wissen, was gemacht werden soll und wo. Außerdem "ist die Bucher Straße nicht der einzige Brennpunkt". Eine Ansicht, die auch Bürgermeister Piet Mayr (CSU) teilte. Er sei Anfangs auch gegen das Gutachten gewesen, inzwischen habe er aber seine Meinung geändert. Denn auch wenn das Projekt viel Geld koste, "haben wir als Verwaltung ein Tool an der Hand, mit dem wir planen können". Auch sei das Verkehrsmodell langfristig nutzbar. Zwar werde dieses zunächst nur für eine Laufzeit von fünf Jahren erstellt, allerdings lasse es sich, wenn es einmal da ist, mit relativ wenig Aufwand aktualisieren. Peter Pernsteiner (FDP) hatte weniger grundsätzliche als praktische Einwände. Er könne die Auswahl mancher Messpunkte, welche die Planer in ihrer Präsentation nennen, nicht nachvollziehen. Diese Punkte lege ohnehin die Gemeinde fest, entgegnete Ficker, "wenn uns irgendwas besonders interessiert, dann wird es auch untersucht".

Vincent Kalnin (Grüne) erklärte, er habe keine Zweifel, dass das Verkehrsmodell die gewünschten Effekte haben wird - und genau darum werde er dessen Erstellung ablehnen. "Viele Bauprojekte stehen unter dem Damoklesschwert Verkehr, das soll auch so bleiben." Womit er offenbar bei Ferdinand Glasl (CSU) auf viel Verständnis stieß: "die Frage ist, brauchen wir das überhaupt, wenn wir gar nicht so viel Wachstum wollen?" Was wiederum Obermaier mit der Bemerkung konterte, es sei doch gerade die CSU, die immer neue Gewerbegebiete ausweisen wolle.

Beschlossen wurde das digitale Verkehrsmodell dann gegen die Stimmen der CSU und Kalnins. Damit soll nun zunächst eine Erhebung vorgenommen werden, neben den Messpunkten am Straßenrand gibt es dazu auch Fragebögen, in denen die Zornedinger über ihr Mobilitätsverhalten Auskunft geben sollen. Dies wird etwa 75 000 Euro kosten, mit etwas weniger - die konkrete Summe ist noch nicht bekannt - soll dann die Umrechnung in das digitale Modell zu Buche schlagen.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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