Gemeinderat Vaterstetten:Lehrstunde in Populismus

Die Ausschussmitglieder wollen bei ihrem Publikum Eindruck schinden. Das geht zu Lasten eines durchdachten Beschlusses

Von Wieland Bögel

Mit politischer Bildung kann man ja gar nicht früh genug anfangen, insofern könnte man sich darüber freuen, dass am Dienstag zahlreiche Grundschulkinder als Zuhörer im Vaterstettener Verkehrsausschuss waren. Was sie dort aber zu hören und zu sehen bekamen, lässt hoffen, dass die Aufmerksamkeitsspanne des jungen Publikums zur späten Stunde schon etwas nachgelassen haben möge. Denn geboten wurde eine Lehrstunde im Fach Populismus.

Inhaltlich ging es um einen Antrag der SPD, darin wurden zwei Maßnahmen gefordert, die angeblich der Schulwegsicherheit dienen sollen - ein Anliegen, gegen das man ja grundsätzlich nichts einwenden kann. Nur: ob die beiden Neuerungen, eine Ampel und ein Tempolimit, wirklich den Schulweg sicherer machen, hatte niemand auch nur ansatzweise untersucht. Stattdessen wurde ganz offenbar heftig die Werbetrommel bei den Eltern der Grundschulkinder gerührt, die dann auch in großer Zahl der Sitzung des Verkehrsausschusses beiwohnten.

Was merkbar Eindruck bei den Gemeinderatsmitgliedern machte - aber nicht unbedingt ein positives Ergebnis zeitigte. Denn anstatt sich von den durchaus nachvollziehbaren Argumenten des Bauamtes überzeugen zu lassen, und erst einmal zu prüfen, wie sinnvoll eine Ampel und ein Tempolimit ist, ging es den Ausschussmitgliedern sichtlich darum, ihrem Publikum Entscheidungskraft zu demonstrieren. Bei der CSU bemühte man sich sogar, noch entscheidungsfreudiger zu wirken als die Genossen, nach dem Motto, wenn die Roten eine Ampel beantragen, wollen wir mindestens zwei.

Was beim Publikum auch durchaus Eindruck zu machen schien, jedenfalls werden Beschlüsse eines Ausschusses sonst selten bis nie mit Applaus bedacht. Wie viel von der Begeisterung noch übrig ist, wenn der Beschluss irgendwann von der Realität eingeholt wird, weil die Ampel vielleicht an der falschen Stelle steht, weil dafür anderswo eine Verkehrsberuhigung zurückgebaut werden muss oder weil sogar die neuen Ampeln gleich wieder abgerissen werden müssen, wird sich zeigen. Idealerweise ist das erst in einem Jahr der Fall, wenn die Wahl für den Gemeinderat gelaufen ist. Und während man dort mit den Schultern zucken, auf die Starrsinnigkeit der höheren Instanzen verweisen und die Sache ansonsten ad acta legen wird, können Eltern ihren Kinder dann erklären, was Populismus ist, und welche Folgen er hat - und das jeden Tag, ganz praktisch auf dem Weg in die Schule. Wenn das mal kein Beitrag zur politischen Bildung ist.

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