Gemeinderat Moritz Dietz:Im Kreuzfeuer

Verkraftbar oder unverzeihlich - Leser und Jungpolitiker diskutieren die viermonatige Fehlzeit des neu gewählten Zornedinger Gemeinderats Moritz Dietz. Der will für die Wähler von sofort an erreichbar sein

Von Korbinian Eisenberger

Ganz schön schockiert sei er gewesen, als ihn eine Freundin von den Zeitungsartikeln über ihn erzählt hat. "Dass daraus jetzt so ein Riesending gemacht wird, hat mich echt überrascht", sagt Moritz Dietz. Der 19-Jährige, der vor zwei Monaten zum jüngsten Gemeinderat Zornedings gewählt wurde, reist seit Mitte März im 16 000 Kilometer entfernten Australien herum und sucht nach Gelegenheitsjobs. Jetzt, wenige Wochen nach der konstituierenden Sitzung des Zornedinger Gemeinderats, hat ihn sein Amt an der Nordküste in Darwin eingeholt. Anstatt seine Pflichten als Mandatsträger zu erfüllen, kritisieren die einen, würde Dietz in der Sonne hocken und die Wähler im Regen stehen lassen. Ein großer Teil der Netz- und Lesergemeinde sieht das jedoch gänzlich anders.

Zornedings Gemeinderat Moritz Dietz, 19, vor den Twelve Apostles in Darwin an der Australischen Nordküste

"Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich nicht vor meinen Aufgaben drücke", sagt der 19 Jahre alte IT-Elektroniker Moritz Dietz. Im September verlässt er Australien gen Heimat, wo er dann vier Gemeinderatssitzungen verpasst haben wird.

(Foto: Privat)

Ein paar Monate Work-and-Travel in Australien, so die einhellige Meinung der Dietz-Befürworter, sei angesichts von sechs Jahren Gemeinderat eine verkraftbare Auszeit. Nimmt man es genau, fehlt Dietz im Gemeinderat vier Monate, da der neu gewählte Gemeinderat Anfang Mai zusammentrat und Dietz Anfang September zurückkehrt. "Ich fehle in vier von 72 Sitzungen", sagt Dietz. Bis dato verpasste er lediglich die konstituierende Sitzung, in der unter anderem die Vertreter von Bürgermeister Piet Mayr gewählt wurden - und er selbst zum Jugendsprecher.

Dass sich einige Wähler dennoch darüber ärgern, könnte daran liegen, dass ihnen Dietz' Reisepläne beim Ankreuzen des Wahlzettels nicht bekannt waren. Dietz hatte seinen Australientrip zwar den Grünen angekündigt und vom Ortsverband ausschließlich Unterstützung für seine Work-and-Travel Zeit erhalten, sagt Dietz. Sie setzen den 19-Jährigen auf Platz zwei ihrer Liste für die Gemeinderatswahl. Auf Flyer und Plakate hat Dietz sein Vorhaben freilich nicht gedruckt. Grünen-Fraktionssprecher Helmut Obermaier hielt zudem Dietz' Telefonnummer und E-Mailadresse auf der Grünen-Homepage als auch auf der Telefonliste der Verwaltung zurück. "Weil er nur zeitverzögert erreichbar ist und ich nichts suggerieren wollte, was er nicht einhalten kann", sagt Obermaier.

"Es kommt nicht darauf an, körperlich anwesend zu sein", sagt Franziska Hilger (CSU), mit 27 die jüngste Frau im Ebersberger Kreistag. Im Gegenteil könne es einigen Lokalpolitikern nicht schaden, so Hilger, auch einmal einen Blick über die Gemeindegrenzen hinaus zu wagen. "Solange man sich informiert, was in den Sitzungen besprochen wird, finde ich so eine Reise völlig in Ordnung", so Hilger. In Zorneding, sagt Dietz, gäbe es sogar einen Gemeinderat, der fast jede zweite Sitzung fehle. Ein Facebook-User merkt an, dass ihm auch andere Gemeinderäte vor allem durch häufige Fehlzeiten auffallen würden. Ein anderer fragt, ob der Gemeinderat für derartige Fälle in seiner Geschäftsordnung Abstimmungen via Internet und Videokonferenz in Echtzeit vorsieht.

Tatsächlich ist ein solcher Vermerk dort nicht zu finden. Dietz ließ sich deshalb zwar sämtliche Tagesordnungen und Niederschriften schicken, entdeckte dort sogar Formfehler. Bei den Abstimmungen fehlt er seiner Fraktion jedoch zweifelsohne. Würde er im Sitzungssaal sitzen, hätten Grüne, SPD und Freie Wähler zusammen die Mehrheit. In der vergangenen Wahlperiode hatte sich das Trio als starke Opposition gegen CSU und FDP behauptet. Solange Dietz sich in Australien nach Gelegenheitsjobs umsieht, herrscht jedoch mit zehn zu zehn ein Patt. "Dass ich bei den ersten Sitzungen fehle, macht es für die Grünen Gemeinderäte nicht einfacher", sagt Dietz. "Das ist mir bewusst."

Einschüchtern lassen will sich Dietz von seinen Kritikern nicht. Er bemängelt, dass es die aufgekommene Diskussion jungen Politikern zusätzlich schwer machen würde: "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich nicht vor meinen Aufgaben drücke." Um auch für den Wähler verfügbar zu sein, soll jetzt seine Telefonnummer auf Homepage und Telefonliste veröffentlicht werden. Den Rückflug hat er für den 1. September gebucht. Und der, sagt er, "wird auch sicher nicht verschoben".

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