Gemeinderat Kirchseeon:Einig im Gegensatz

Die Frage, ob in der Marktgemeinde künftig wieder Ausschüsse gebildet werden sollen, führt zu einer kontroversen Debatte

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

So manchen Kirchseeoner Gemeinderat dürften am Dienstagmorgen arge Nackenschmerzen geplagt haben. Falls dem so war, könnte der Grund dafür das viele Kopfschütteln am Abend zuvor gewesen sein, als das Gremium zu einer Sondersitzung in der ATSV-Halle zusammengekommen ist. Auf der Tagesordnung der offenen Diskussionsrunde waren mehrere Anträge, die sich um die neue Geschäftsordnung der Marktgemeinde drehten - und am Ende der etwa dreistündigen Zusammenkunft stand die Erkenntnis, dass sich das Kirchseeoner Gremium selten so uneinig war, wie an diesem Abend.

Als es draußen vor der Halle längst finster war und sich der Zeiger immer näher auf die 22-Uhr-Marke zubewegte, versuchte es Susanne Markmiller mit Vernunft: "Ich fände es besser, wenn sich jeder an der eigenen Nase packt." Dann, so die FDP-Gemeinderätin, würden auch nicht ständig die gleichen Argumente kommen, die zuvor schon mehrmals gesagt worden seien. In dem Fall ging es gerade um eine Begrenzung der Redezeit im Gremium, wie sie von der CSU-Fraktion gefordert wird. Während zwar auch dieses Thema für eine kontroverse Diskussion sorgte, war der Hauptstreitpunkt an diesem Abend dennoch ein anderer: Es ging um die Frage, ob in der Marktgemeinde künftig wieder Ausschüsse gebildet werden sollen.

Dieses in den meisten vergleichbaren Landkreisgemeinden übliche Modell hatte es in Kirchseeon zuletzt vor etwa 18 Jahren gegeben. Seither fährt die mit rund 11 000 Einwohnern sechstgrößte Kommune im Kreis Ebersberg lokalpolitisch ihre eigene Schiene. Anstatt Themen in Gremien wie Bau- oder Finanzausschuss vorzuberaten, gehen alle Tagesordnungspunkte direkt in den Gemeinderat, der alle drei Wochen tagt. Dieses Vorgehen sei inzwischen überholt, meinen nun SPD und Grüne, die deshalb gerne wieder zum Ausschuss-Prinzip zurückkehren wollen. Konkret würden sich die Sozialdemokraten und die Ökopartei einen beschließenden Bau- und Umweltausschuss, sowie einen jeweils vorberatenden Haupt- und Finanzausschuss und einen Verkehrsausschuss wünschen.

Die Gründe dafür nannte SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Kroll in der Sitzung, die zunächst nur beratende Funktion haben sollte. Wenn kleinere Themen in Ausschüssen besprochen würden, hätte man im Gemeinderat mehr Kapazitäten frei. "Es gibt Themen, die wichtig wären, für die man aber mehr Zeit bräuchte", so Kroll. Als Beispiele nannte er etwa ein umfassendes Fahrradwege- oder ein aktualisiertes Klimaschutzkonzept. "Das sind alles Dinge, die wegen anderen Sachen unter den Tisch fallen." Unter diesen anderen Sachen verstehen SPD und Grüne vor allem kleinere Bauvorhaben, die zumeist reine Formalien sind, aber dennoch durch den Gemeinderat abgesegnet werden müssen. Krolls Fazit deshalb: Es werde im Gremium überwiegend nur noch reagiert und nicht gemeinsam geplant.

Diesen unterschwelligen Vorwurf der Trägheit wollte man vor allem in der CSU nicht auf sich sitzen lassen. Der Gemeinderat habe in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet, sagte deren Fraktionsvorsitzender Paul Hörl, der Ausschüsse mit einer Art Flüsterpost verglich. Da nicht alle Gemeinderäte an den Sitzungen teilnähmen, würden Informationen durch die Zwischenschritte verschleiert und undeutlich. "Das ist ein längerer Weg als jetzt im Gemeinderat." Zudem gab Hörl zu bedenken, dass sich dadurch auch der Verwaltungsweg verlängern würde und gerade Bauwerber länger auf die Entscheidungen des Gremiums warten müssten. Unterstützung bekamen die Christsozialen von der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG), bei der man nach Rücksprache mit einigen ehemaligen Gemeinderäten ebenfalls zu der Erkenntnis gelangt ist, dass Ausschüsse politische Entscheidungen nur hinauszögern würden.

Was die Bildung von vorberatenden Gremien konkret für den Markt bedeuten würde, unterlegte Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) schließlich mit einigen Fakten. Demnach würde eine zusätzliche monatliche Sitzung etwa 12 000 Euro im Jahr kosten, eine Vollzeitkraft müsste mit deren Vor- und Nachbereitung etwa 84 Arbeitstage im Jahr mehr leisten.

Die ablehnende Haltung aus dem konservativen Lager wollten aber vor allem einige Mandatsträger der Grünen Liste nicht wahrhaben und versuchten durch teils ausschweifende und sich wiederholende Argumentationen, ihre Sicht der Dinge darzulegen - was zu eingangs erwähntem kollektiven Kopfschütteln aus der anderen Ecke der ATSV-Halle und dem späten Appell an die Vernunft führte.

Auf einen Konsens jedenfalls konnte man sich an diesem Abend nicht einigen. Deshalb steht aus Sicht von SPD und Grüne zu befürchten, dass der Antrag vorerst Wunschdenken bleibt, denn wenn das Thema in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen zur Abstimmung kommt, hätten CSU und UWG die Mehrheit auf ihrer Seite.

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