Süddeutsche Zeitung

Grafinger Kneipenfest:Eine Stadt voller Musik

18 Bands spielen quer über Grafing verteilt. Dabei lassen sich die Besucher von Newcomern ebenso begeistern, wie von den Klassikern

Von Amelie Hörger, Grafing

"Eine Party im Freien" soll es werden. Zumindest hatte Rudi Baumann, seines Zeichens musikalischer Leiter des Grafinger Kneipenfests, mit diesen Worten dazu eingeladen. Die dunkle Regenwand jedoch, welche zu Beginn des Festes am Horizont aufzieht, lässt am frühen Samstagabend zunächst eher einen Rückzug in die Kneipen der Stadt vermuten. Die ersten gespannten Besucher trudeln dennoch schon ab 19 Uhr an der Bierinsel am Marktplatz ein, um sich von den fünf Burschen der Blaskapelle WosDaBrassKo einstimmen zu lassen. "Anfangs schaut alles leer aus und später ist alles voll", bemerkt eine Zuhörerin angesichts der noch recht spärlichen Menge, die sich mit reichlich Sicherheitsabstand vor den Musikern platziert hat und in rege Unterhaltungen vertieft ist.

Das Kneipenfest feierte dieses Jahr seine Volljährigkeit, denn inzwischen zum achtzehnten Mal trafen sich Künstler und Bands in Grafing um den Besuchern, verteilt über die Stadt, in Bars, Restaurants und Kneipen, unterschiedlichste Musikrichtungen zu präsentieren. 18 Bands in 15 Locations mit einer entscheidenden Neuerung. Das erste Mal ist auch Zeit für die Nachwuchsförderung, denn neben alten Bekannten wie der Big Band Swinging G's dürfen dieses Jahr auch ganz neue Talente ans Mikrofon.

Zum Start gibt es Blasmusik und Hardrock

Während am Marktplatz noch ein Prosit angestimmt wird, füllen sich eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn um 20.30 Uhr langsam die Tische im Garten des Restaurants Kastenwirt. Zwischen Efeu und einer weiß-blau gestreiften Markise schlemmen die Besucher von der eigens fürs Kneipenfest zusammengestellten Speisekarte und warten gespannt auf die ersten Töne der Cover-Rockband RoxxDoxx. Die Musiker brauchen allerdings noch ein wenig, schließlich wurde angesichts des drohenden Regens das Equipment im Inneren des Kastenwirts aufgestellt, aber noch scheint die Sonne und draußen tummeln sich die Leute. Also Bass, Gitarre, Schlagzeug, Mikrofon und allerhand Kabelsalat flott nach draußen getragen, dann kann es losgehen. Mit "AC/DC - There's gonna be some rockin'" holen die Rocker vor allem die älteren Zuschauer ab und liefern gleichzeitig einen guten Startschuss für den Beginn des Festes.

Einige Straßen weiter haben gleichzeitig die Nachwuchsmusiker von Witch Doctors ihren Auftritt, auch sie im Freien, denn das Wetter hält. "Das erinnert mich so an meinen Sohn", sagt eine Dame und lächelt. Der hätte auch einmal in einer Band gespielt. Von Green Day bis hin zu ersten eigenen Songs spielen die sichtlich nervösen Jungs mit ein wenig Zittern in der Stimme ihr Programm. Ankommen tut's, vor allem beim ausgesprochen jungen Publikum, das sich zur Unterstützung versammelt hat. "Folgt uns auf Instagram" ruft am Ende der Leadsänger mit Dreadlocks und Tattoos. Man merkt, es weht ein frischer junger Wind auf dem diesjährigen Grafinger Kneipenfest.

Auch die zweite Nachwuchsband Feluma zieht viele Zuschauer an, einige davon kommen direkt vom Auftritt von den Witch Doctors und freuen sich nun auf noch mehr Musik von jungen Talenten. Vier Bands, das sei an einem Abend machbar, erklärt ein Besucher. Mit ihren rauchigen Stimmen und ruhigen Gitarrenklängen passt das Duo Feluma ganz hervorragend in die mediterrane Atmosphäre unter der leuchtenden Lichterkette im Vorhof von Bianco e Nero. Das Repertoire ist vielfältig: Von eignen Songs wie "Lost" oder "Waves" finden auch "Panic! at the Disco" mit "The Ballad of Mona Lisa" ihren Platz und zaubert den Zuhörern ein kleines Lächeln ins Gesicht, während hier und da ein Feuerzeug gezückt wird. Als die Sängerin mit sanfte Stimme verkündet: "Das ist unser dritter Auftritt und uns gibt's jetzt seit einem Jahr, also danke", stellen viele ihr Weinglas ab und klatschen anerkennend, bevor wieder weitergezogen wird. Es gibt schließlich noch einiges mehr zu entdecken.

Einige Bands sind schon seit Jahren dabei

Zum Beispiel ein Urgestein in der Grafinger Kneipenfest -Geschichte. "Das ist eine gute Frage", sagt Anja Bernhard, Leiterin der Big Band Swinging G's, als sie gefragt wird, wie häufig die Band schon am Kneipenfest aufgetreten sei. Das achte Mal sei es bestimmt. Routiniert spielen die in schwarz gekleideten Musiker ihre Nummern und heizen dem zahlreich erschienen Publikum im Hof hinter dem "Käse Ober" ein. Ray Charles scheint es der Band dieses Mal besonders angetan zu haben, eine Tatsache, die das Publikum mit sehnsüchtigem Stöhnen der Damen bei "Can't stop loving you" und bei dem Klassiker "Hit the road Jack" mit begeisterten Rufen quittiert. In den späteren Abendstunden erstrahlt der Hof in einem Farbenmeer, das passend zum Takt die Songs begleitet. Musik, die zum Tanzen und Mitwippen einlädt.

Bis zum letzten Set, das die Künstler an den unterschiedlichen Plätzen in der Stadt spielen, bricht die Partystimmung nicht ab. Das Wetter hält und es wird weiter gefeiert, sowohl draußen als auch drinnen. Schließlich sind die Green Chilis extra aus Österreich angereist. um Grafing mit Cover-Songs der Red Hot Chili Peppers zu begeistern. Und je später der Abend, desto ausgelassener wird die Stimmung im Café Glashaus, dessen Wände von den lauten Klängen der Gitarre und des Basses förmlich zu vibrieren scheinen. Neben der Musik gibt es dort noch eine weitere Attraktion: Die Haare des Bassisten Benedikt Emig, welche jeden Beat bis in die Spitzen zu fühlen scheinen und wild hin- und herfliegen, ebenso wie die Arme und Beine der Tänzer.

"Das belebt eine Stadt wirklich", freut sich ein Besucher gegen Ende der Veranstaltung. Er erzählt, er sei heuer zum ersten Mal beim Kneipenfest und davon positiv überrascht. Gegen 0.15 Uhr wird es langsam ruhiger in Grafing. Ein letztes Lied geben die Green Chilis noch zum Besten. "Can't stop" schallt durch die Grafinger Nacht und trotzdem muss auch ein gelungener Abend voller Musik irgendwann ein Ende haben.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2018/lela
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