Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf:29-Jähriger will für die Ebersberger Freien Wähler in den Landtag

Nachwuchspolitiker Markus Erhorn ist sowas wie ein Legionär - mit einer eigenwilligen Strategie.

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Eigentlich wollte er Platz für neue Gesichter machen, nach zwölf Jahren im Vorstand der Initiative für ein Kulturzentrum in Dachau. Doch die neuen Gesichter für den Vorstandsposten blieben aus. Vorgeschlagen wurde wieder einmal: Markus Erhorn. Was blieb dem Dachauer schon anderes übrig als der Vorsitz, vor allem, wenn es um sein Herzensanliegen geht, für das der 29-Jährige seit sechs Jahren kämpft.

Die Anekdote aus Dachau und Erhorns Kandidatur für den Nachbarlandkreis Ebersberg sind symptomatisch für ein Problem, dessen Bekämpfung sich der Freie- Wähler-Kandidat Erhorn selber auf die Fahne geschrieben hat: Politikverdrossenheit unter jungen Menschen. Sein Lösungsansatz: ein Mini-Rat aus demokratisch gewählten Jugendlichen, fest verankert in der Gemeindeordnung. "Es gibt kein besseres Mittel gegen Politikverdrossenheit", sagt Erhorn.

Er kann davon ein Liedchen singen: Bereits mit 15 Jahren begann der Verwaltungsinspektor seine politische Karriere. Einmal in den Dachauer Jugendrat gewählt, fand Erhorn so viel Gefallen am Mitreden und Mitmischen, dass er sich auf die Suche nach einer passenden Partei begab. Mit 16 hatte er ein kurzes Gastspiel bei der Bayernpartei. "Da hab ich schnell gemerkt, dass mir das zu eng ist", sagt Erhorn.

Also suchte er sich die Parteiprogramme der anderen Parteien zusammen, markierte, was ihm gefiel - und hielt mit 16 Jahren bereits sein zweites Parteibuch in der Hand: das der Freien Wähler (FW).

Dass es keine Fraktionsdisziplin gibt, gefällt ihm

Heute ist er stellvertretender Landesvorsitzender der Nachwuchsorganisation und deren Bezirksvorsitzender in Oberbayern. Dass es keine Fraktionsdisziplin gibt, man auch mal querdenken und nach eigenem Gewissen abstimmen kann, gefällt ihm - "auch wenn es das für die Wähler nicht immer so einfach macht". Die Dinge erleichtern möchte er für sie an anderer Stelle: als Bürokratiebekämpfer. "Je komplizierter die Bearbeitung, desto teurer wird's."

Handlungsbedarf sieht er unter anderem bei der Erbschaftssteuer, deren Abschaffung er fordert, und bei Zuwendungen für Asylbewerber. Hier kommt der pragmatische Freie Wähler in ihm raus: Auf der einen Seite ist er für den heftig umstrittenen Vorschlag der Regierung, hier auf Sachleistungen umzustellen; auf der anderen Seite sieht er Bedarf für einen liberaleren Ansatz bei der Genehmigung von Arbeitserlaubnissen: "Wir sollten über jeden froh sein, der arbeitet."

Nicht alle waren froh, als bekannt wurde, dass ein Dachauer für Ebersberg ins Feld geschickt wird. "Natürlich ist Dachau meine Heimat. Das sag ich ganz offen. Alles andere wäre unehrlich", sagt Erhorn. Er betont aber auch, dass er viel Familie im Landkreis Ebersberg hat und mit den Besonderheiten und auch Problemen dieser Region vertraut ist.

Und, dass er in der Zwei-Landkreise-Kandidatur einen taktischen Vorteil sieht. Zweitstimmen aus Dachau, Erststimmen aus Ebersberg - "da könnten die Chancen hochgehen". Im Landtag würde er sich dafür einsetzen, dass der Landkreis mit mehr Regionalzügen "näher an München rückt". Zudem würde er Bürgerbeteiligung, sozialen Wohnungsbau und Lärmschutz an der Bahnstrecke vorantreiben, "da wurde einiges verpennt".

Die Freien Wähler sind die einzige Partei, mit denen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Wahlkampf keine Koalition ausschließt. Gleichzeitig stellt Söder Erhorns Parteichef immer wieder gerne als machthungrige Figur da, der ihm so nahe auf die Pelle rückt, "dass ich jede Schweißperle sehe". Erhorn nimmt Söders Ton gelassen: "Den kriegen wir schon wieder in die Spur." Sich selber rechnet er mit Listenplatz 25 eher Außenseiterchancen zu - "aber vielleicht bin ich ja der lachende Dritte".

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SZ vom 21.09.2018/clli
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