Süddeutsche Zeitung

Gedenken an NS-Opfer:Der Widerstand lebt in Markt Schwaben weiter

Nach fünf Jahren kehrt die Ausstellung "Namen statt Nummern" zurück ans Gymnasium. Es geht um die Schicksale von jüdischen Lehrern während der NS-Zeit.

Von Karin Kampwerth, Markt Schwaben

Nach einer Pause von fast fünf Jahren nimmt das Franz-Marc-Gymnasium die viel beachtete Aufarbeitung der NS-Zeit in der Gemeinde und im Landkreis wieder auf. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages am vergangenen Samstag kehrt eine Ausstellung über das Schicksal jüdischer Lehrer an die Schule zurück, die Abiturienten 2013 recherchiert hatten. Die Biografien sind Teil der Gedächtnisbücher des Dachauer Forums und der Wanderausstellung "Namen statt Nummern".

Unter der Leitung des früheren Geschichtslehrers am Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium, Heinrich Mayer, hatten die Abiturienten die bedrückenden Biografien von fünf jüdischen Lehrern und vier Verfolgten aus der Region in Kooperation mit dem Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) sowie dem Dachauer Forum dokumentiert. Nach einer schulinternen Vernissage ist die Ausstellung von diesem Donnerstag, 1. Februar, an für die Öffentlichkeit zugänglich.

Für Schulleiter Peter Popp gehört die Rückkehr der Gedenktafeln zum gelebten Motto des Gymnasiums "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Das Logo des Leitbildes empfängt die Besucher des Gymnasiums gleich am Eingang. "Wir müssen als Schulgemeinschaft Flagge zeigen", sagt Popp. Heinrich Mayer, der bereits mit der fünfteiligen Ausstellung "Vergessener Widerstand" sowie der Aufarbeitung der Geschehnisse um das Massaker an jüdischen Häftlingen im Poinger Todeszug die Schule weit über die Grenzen der Gemeinde bekannt gemacht hat, unterstreicht, dass das Thema hochaktuell sei.

Als Beispiel führt er das Schicksal des jüdischen Lehrers Dr. Ernst Ehrentreu an. 1929 seien ihm die Fenster seiner Wohnung im Lehel eingeschmissen worden. Die Ermittlungen schleppten sich dahin, 1933 wurde das Verfahren eingestellt. "Das öffnet einem den Blick dafür, dass Übergriffe und Ausgrenzungen konsequent verfolgt werden müssen", sagt Mayer mit Blick auf Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

Die Reihe "Vergessener Widerstand" ist auf der Homepage der Schule einsehbar

Auch der frühere BLLV-Präsident Klaus Wenzel hatte die Arbeit an "Namen statt Nummern" bei der Präsentation des Projektes gewürdigt. Die Markt Schwabener Lehrer, zuvorderst Geschichtslehrer Heinrich Mayer, seien sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, für Menschenwürde und gegen jede Form der Diskriminierung aufzustehen. Das hätten die Lehrer während des Dritten Reiches beschämend versäumt. "Sie waren nicht da, als die jüdischen Kollegen abgeholt, deportiert und ermordet worden sind", sagte Wenzel seinerzeit.

Seit Mayer 2014 in den Ruhestand gegangen ist, führt Elfi Jung-Strauß dessen Arbeit an der Schule weiter. Die Fachschaftsbetreuerin Geschichte und Sozialkunde sucht nach neuen Wegen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Jung-Strauß konnte Kontakte zum ersten jüdischen Gymnasium Münchens, das 2016 eröffnet wurde, sowie zum jüdischen Jugendzentrum knüpfen. Schüler reisten außerdem nach Israel, darüber hinaus hat sich in der neunten Jahrgangsstufe der Besuch der Augsburger Synagoge etabliert.

Notwendig ist das auch, weil treue Zeitzeugen des Markt Schwabener Gymnasiums wie der Todeszug-Überlebende und nach Los Angeles emigrierte Leslie Schwartz inzwischen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aus den USA nach Deutschland reisen könne. Vor eineinhalb Jahren war Max Mannheimer, wohl bekanntester Mahner gegen das Vergessen, im Alter von 96 Jahren verstorben.

Aber auch die Arbeit Mayers, der sich weiter ehrenamtlich am Franz-Marc-Gymnasium engagiert und der nun auch die Ausstellung an die Schule zurückholte, ist präsent. Alle fünf Teile der Reihe "Vergessener Widerstand" sind auf der Homepage des Gymnasiums einsehbar. Mayer freut sich besonders, dass nun auch das Markt Schwabener Heimatmuseum Interesse an einigen Gedenktafeln bekundet habe.

Das Bewusstsein bei den Schülern wecken, Toleranz leben und die Erinnerungskultur aufrechterhalten, das ist Schulleiter Popp wichtig. Er lädt alle interessieren Schulklassen, aber auch die Bürger ein, die Ausstellung an der Schule zu deren üblichen Öffnungszeiten zu besuchen. Gruppen werden um Anmeldung unter der Telefonnummer (08121) 933 50 gebeten, dann sind auch Führungen möglich.

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SZ vom 30.01.2018/koei
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