Landschaftspflege:"Die Natur mag es gerne unordentlich"

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Akribisch angelegte Schottergärten sind ein Albtraum für die Natur, sagt Amelie Vießmann. . (Foto: Privat)

Amelie Vießmann warnt vor dem menschlichen Ordnungsdrang im heimischen Garten. Die Ebersberger Spezialistin gibt Tipps - auch für die Frequenz beim Rasenmähen.

Von Esther Lärmer, Ebersberg

Von klein auf war sie eng mit Natur und Naturschutz verbunden: Biodiversitätsberaterin Amelie Vießmann ist durch ihre Eltern, die beide im Nationalpark im Bayrischen Wald tätig waren, praktisch damit groß geworden, wie sie sagt.

Hier im Landkreis Ebersberg ist Vießmann unter anderem für Schutzmaßnahmen verantwortlich, die beispielsweise dem Kiebitz helfen sollen, einer Vogelart, die relativ leicht am "gaukelnden" Flug und an den prägnanten "kiju-wit"-Rufen zu erkennen ist. Der Vogel ist nur einer von vielen bedrohten Wiesenbrütern und gehörte einst zu den typischen Vögeln unserer Kulturlandschaft. Doch die Bestände sind in den vergangenen 20 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Etwa der Verlust seines ursprünglichen Lebensraumes, wie etwa offene Feuchtwiesen und Weiden, die durch Trockenlegung, Torfabbau und Aufforstung immer weiter verschwänden, so Vießmann.

Die intensive Bewirtschaftung sei ebenfalls ein großes Problem, weil die Pestizide die Nahrungsgrundlage der Kiebitze zerstören aber auch weil die Bearbeitung des Ackers während der Brutzeit ihre Gelege platt mache. Die frühe Mahd von Wiesen töte viele Jungvögel, die noch nicht flügge sind, sagt Vießmann. Aber auch der wachsende Freizeitdruck abseits der Wege spiele eine Rolle. So stören Spaziergänger und Hunde die Vögel derart, dass viele die Brut aufgeben, führt sie aus.

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All das macht den Kiebitz zu einem der meist bedrohten Vögel in Bayern. Auf der Roten Liste Bayerns und Deutschlands wird er als "stark gefährdet" eingestuft, sagt Vießmann. Seit drei Jahren setzt sie deshalb mit der Hilfe von acht freiwilligen Gelegeschutzhelfern das sogenannte Kiebitz-Schutzprogramm im Landkreis Ebersberg um - ihr erstes Projekt im Landkreis. So werden Landwirte, darüber informiert, dass dieser seltene Vogel bei ihnen brüte. Außerdem werden Markierungen aufgestellt, damit die Bauern ihre Nester erkennen und ausweichen können, um diese nicht zu zerstören, erläutert Vießmann.

Gerade fokussiert die Gruppe sich vor allem auf den Gelegeschutz und die Erfassung konkreter Bestandszahlen dieser Vogelart. Dafür werden die Gelegeanzahl der geschlüpften Kiebitze sowie die Summe der Jungvögel, die tatsächlich das Erwachsenenalter erreichen, dokumentiert. "Eventuell kommen Maßnahmen hinzu, das steckt aber noch in den Kinderschuhen", sagt Vießmann.

Auch privat sei sie gerne in der Natur unterwegs. Was sie daran so begeistert? "Man muss nur mal mit offenen Augen einen Waldspaziergang machen", schwärmt die Biodiversitätsberaterin. Außerdem sei es beruhigend, weit weg von der schnelllebigen Welt.

Die Vielfalt der Natur ist gefährdet und der Mensch nicht unschuldig daran. Zum Beispiel durch akribisch angelegte Schottergärten. "Das ist ein Albtraum für die Natur", macht Vießmann klar. Insekten, Vögel, Fledermäuse - durch die ganze Nahrungskette ziehe sich das. Was also kann der einzelne tun, um gefährdete Tierarten zu erhalten? "Der Natur Raum zur Entfaltung geben", auch wenn viele Menschen den Drang zu Ordnung und Sauberkeit in sich trügen, sagt Vießmann.

Es sei "nicht nötig, fünfmal in der Woche den Rasen zu mähen". Auch Rasenroboter stellten ein Problem dar, da sie vor allem für Igel gefährlich seien, wie Vießmann ausführt. Diese würden nämlich von den Mähmessern nicht selten tödlich verletzt werden. "Ein bisschen Wildnis im eigenen Garten lassen", ist ein weiterer Tipp der Biodiversitätsberaterin. Denn so bleibe für viele Tierarten ihr natürlicher Lebensraum erhalten. So etwa Insekten, denen es im Moment auch "nicht gut geht", wie die Expertin sagt.

Bevor es sie in ihren neuen Beruf in den Landkreis Ebersberg verschlug, war sie im Landschaftspflegeverband Sternberger Endmoränengebiet (LSE) als Projektmitarbeiterin tätig. Zudem war sie in der unteren Naturschutzbehörde in Kronach als Fachkraft für Naturschutz im Einsatz.

Wenn man sie nach den Voraussetzungen für ihren Beruf fragt, zählt sie einiges auf: ein abgeschlossenes Bachelor-Studium an der Fachhochschule etwa in Landschaftsökologie, Biologie, Landwirtschaft oder eine andere Fachrichtung. Dazu braucht es natürlich noch gute Kenntnisse über Flora und Fauna. Sie selbst hat von 2013 bis 2017 in Neubrandenburg ihren Bachelor in Naturschutz und Landnutzungsplanung gemacht. Später kam in Wien ein Master in Naturschutz und Biodiversitätsmanagement hinzu.

"Die Natur mag es gerne unordentlich", sagt Vießmann abschließend. Ihr Appell: Beim Spazierengehen auf den Wegen bleiben, Hunde an die Leine nehmen und nicht frei über Felder laufen lassen. Außerdem sei es wichtig, die Hinweisschilder etwa des Landesbundes für Vogelschutz in Wiesenbrütergebieten zu beachten. Dann steht dem schönen Ausflug ins Grüne nichts mehr im Wege.

© SZ vom 27.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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