Fußball:Immer wieder sonntags

Fußball: Es kommt auf Taktik und Technik an, auf Tore und Punkte - aber nicht nur. Beim Asylkick des TSV Ebersberg geht es um mehr als den Sport.

Es kommt auf Taktik und Technik an, auf Tore und Punkte - aber nicht nur. Beim Asylkick des TSV Ebersberg geht es um mehr als den Sport.

(Foto: Christian Endt)

Der wöchentliche "Asylkick" des TSV Ebersberg soll Fußballer aus Fluchtgebieten an den bayerischen Ligenbetrieb heranführen. Zwei Spieler sind dort bereits im Einsatz - von Herbst an wird es erstmals ein Mix-Team aus Asylbewerbern und Etablierten geben

Von Matthias Reinelt

Ein sonniger Tag im April 2015. Sonntag, früher Abend, 18 Uhr. Für viele Menschen in Deutschland heißt das: im Garten liegen, sich von einer anstrengenden Arbeitswoche erholen, entspannt ein Buch lesen, sich aufs Grillen oder den Tatort vorbereiten - oder beides. Nicht für Dominic Mayer. Er steht auf dem Rasen des Jugendstadions am Volksfestplatz. Der Abteilungsleiter des TSV Ebersberg wartet auf Flüchtlinge. Menschen, die vor dem Krieg, vor Gewalt, Unterdrückung, Verfolgung, Tod geflohen sind.

Sie kamen von weit her, mussten jeden Tag Angst um ihr Leben haben, jetzt sind sie in Ebersberg gelandet, wohnen größtenteils im ehemaligen Restaurant Seerose. Die meisten von ihnen haben einen Sonntagabend wahrscheinlich schon lange nicht mehr entspannt im Kreise der Familie verbracht. Eine regelmäßige Beschäftigung haben sie aber dennoch jeden Sonntag: Fußballspielen.

Der TSV lädt zum gemeinsamen Fußballspielen ein, langsam trudeln die ersten ein, dann kann es losgehen. Zuvor hatte der Verein eine Liste mit allen Abteilungen des TSV Ebersberg verteilt. Alle Neuankömmlinge sollten die Sportangebote kennen lernen. "Ausprobiert wurde sehr vieles", erzählt Mayer. Sogar Stockschießen hatten sich zwei der Flüchtlinge angeschaut, so der 27-Jährige weiter. Allerdings sei klar, wovon die meiste Anziehungskraft ausgehe. Auch auf anderen Kontinenten ist das Interesse an einer Sportart ganz groß: "König Fußball regiert natürlich", wie es Mayer ausdrückt.

Dass dieser Apriltag ein besonderer werden würde, hatte auch Mayer nicht unbedingt geahnt. Seit diesem Tag kommen an jedem Sonntagabend Asylbewerber, um miteinander Sport zu machen. Es sind mal mehr, mal weniger, "der harte Kern ist aber an fast jedem Sonntag da", erzählt Mayer. Fußballbegeistert sind sie alle, weiß er. Der "Asylkick", so werden die regelmäßigen Fußballtreffen seither genannt, ist zur Institution geworden.

An die Anfänge kann er sich noch gut erinnern. Es waren zwar viele junge Männer gekommen, nicht aber in der unbedingt sporttauglichsten Ausrüstung. Sie hatten Jeans an, auf dem Kopf trugen sie Caps und Schmuck an den Armen oder um den Hals. Fußballtrikots der verschiedensten Vereine, wie sie wahrscheinlich jeder dritte Jugendliche in Deutschland besitzt, hatten die Spieler hingegen nicht. Von der Egidius-Braun-Stiftung bekam der Verein 500 Euro als Unterstützung für die Integrationsarbeit. Davon konnte man Trainingsmaterialien finanzieren.

Um die Männer aus sieben verschiedenen Nationen - Senegal, Eritrea, Somalia, Afghanistan, Nigeria, Mali und Sierra Leone - mit Regeln vertraut zu machen, verteilte das Team um Mayer Flyer, den Strafenkatalog, ein übliches Regelwerk bei Fußballmannschaften. Darauf waren ein paar grundlegende Dinge aufgeführt, die beachtet werden sollen - etwa Pünktlichkeit: Wer deutlich zu spät kommt, darf nicht mehr mitspielen. Das klingt vielleicht hart, Mayer sagt aber, es gehe nicht anders: "Man muss Konsequenzen ziehen." Das Team, das die Trainingseinheiten abwechselnd oder gemeinsam leitet, sind Mayers Schwester Nathalie, die Sportwissenschaft studiert, und seine Freundin Leonie, die Arabisch, Persisch und Türkisch spricht. Dazu kommen noch Spieler der zweiten und dritten Mannschaft, die selbst aktiv spielen und sich zum Beispiel Trainingsübungen ausdenken und anleiten.

Langfristig möchte man "die Jungs in den Verein integrieren", sagt Mayer. Geklappt hat das mittlerweile schon, Mayer wurde durch den Asylkick auf Joseph D'Almeida aufmerksam, lud ihn zum Training der dritten Herrenmannschaft des TSV Ebersberg ein. In der vergangenen Saison durfte er schon in der B-Klasse ran, also im offiziellen Ligenbetrieb des bayerischen Fußballverbands (BFV). Dort bestritt er in sieben Spielen 367 Minuten für die Grün-Weißen, also mehr als die Hälfte der Spielzeit. Auch sein Kumpel Saeed Kallon, im Gegensatz zum großen, zweikampfstarken Verteidiger D'Almeida ein kleiner, richtig schneller Spieler, hat schon Spiele im TSV-Dress absolviert.

Im August 2015, bereits einige Monate nach dem Start des regelmäßigen Sonntagsfußballs, hatten die beiden talentierten Fußballer einen Spielerpass bekommen. Der ist nötig, um in einer BFV-Liga spielen zu dürfen. Dann folgte für Kallon aber der Umzug ins Flüchtlingsheim nach Kirchseeon, folglich sah man ihn am Sonntag nur noch selten. "Natürlich ist es schade und auch tragisch, wenn Spieler auf einmal nicht mehr kommen." Sei es wegen eines Umzugs oder weil jemand abgeschoben wird. Daher mache es "keinen Sinn, einem Spieler einen Pass auszustellen, bei dem man nicht weiß, wie lange er noch hier ist", so der Abteilungsleiter, der seit gut einem Jahr die Geschicke der Fußballsparte des TSV Ebersberg lenkt.

Wenn man ihm länger zuhört, dann merkt man, es steckt ein genauer Plan hinter dem Konzept "Asylkick". Er und sein Team möchten helfen, die Trainingseinheiten am Sonntag bringen eine Regelmäßigkeit ins Leben der Spieler, das von der andauernden Warterei, etwa auf Asylanträge, geprägt ist. Sie nehmen das Angebot sehr gut an, freuen sich über die sportliche Ablenkung von den Sorgen im Kopf, sagt Mayer.

Ohne passende Kleidung geht es allerdings natürlich nicht, nicht beim Fußball. Eine Grundausstattung haben die Asylbewerber bekommen, Fußballschuhe, ausrangierte TSV-Trikots und alte Trikots der deutschen Nationalmannschaft. Auch über die Fördergelder ist er froh, allerdings ist er nicht davon überzeugt, dass die Asylbewerber alles umsonst bekommen. "Unterstützung und Hilfe ist immer gut!" sagt er, allerdings müsse man den jungen Männern auch zeigen, "dass das Leben etwas kostet".

Von Herbst an wird es eine vierte Mannschaft geben, berichtet Mayer. Das Besondere daran ist, dass das Team gemischt aus Flüchtlingen und Spielern des TSV Ebersberg bestehen soll. Sie wird in der neu geschaffenen Freizeitliga des BFV gegen andere Teams antreten. "Damit die Leute sehen, dass Flüchtlinge ein Teil von Ebersberg, ein Teil der Gesellschaft sind", sagt Mayer. Dann geht es um Taktik und Technik, um Punkte und Tore - und vor allem darum, dass die Mannschaft zusammenhält.

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