Mitten in der Region:Beobachtungen von der Abseitslinie

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Tor! Tor! Tor! Während manche Fans Fußball als Sport sehr ernst nehmen, gibt es auch andere, die das gar nicht tun. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Plötzlich sind alle in der Familie Fußball-Fans. Doch einigen dient die EM nur als Vorwand, um mal wieder richtig Spaß zu haben.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Das Land kleidet sich wieder in Schwarz-Rot-Gold, Nationalflaggen flattern im Wind, und zu den Spielzeiten der deutschen Mannschaft ist kaum etwas los auf den Straßen. Kein Wunder, ist doch plötzlich auch die eigene Familie zu wahren Fußballkennern mutiert. Die siebenjährige Tochter, die sich bisher vor allem für Taekwondo und Trampolinspringen interessiert hat, möchte ein Trikot haben. Schließlich malt sie sich selbst eines und schreibt auf die Rückseite des T-Shirts: Müller, 13. Erstaunt fragt man: „Ja, hat der Andreas denn nicht die 25?“ Genervt antwortet die Tochter: „Mama, der heißt Thomas und hat die Nummer 13.“

Der Kleinste möchte auch schön aussehen und malt sich mit schwarzem, rotem und gelbem Nagellack alle Zehennägel und die dazugehörigen Zehen an, und zwar jeden in allen drei Farben. Die Mama selbst macht natürlich beim traditionellen Kicktipp der Großfamilie mit und gibt großspurig an, wenn sie kurzzeitig auf einem der vorderen Plätze landet. Die Gelegenheit zum Prahlen hält leider nicht lange an – aber wer bitte schön hätte ahnen können, dass die Dänen die Engländer so in Schach halten?! Alle Familienmitglieder freuen sich jedenfalls riesig, als man zum EM-Gucken mit anderen Familien eingeladen wird. Es wird gegrillt, die Stimmung ist gut, und die ersten paar Minuten schaffen es sogar alle Anwesenden, gebannt auf den Fernseher zu schauen.

Als Erster gibt der Mittlere auf. Lieber schaut er, ob er noch heimlich ein paar Chips naschen kann - wo doch alle gerade so schön abgelenkt sind. Der Kleine schafft es, sich einen Kindheitstraum zu erfüllen: Er schmeißt sich ins Planschbecken, um sich danach im Sandkasten wie ein kleines Schnitzel zu panieren – passt zumindest zu den angemalten Zehen. Und auch die Tochter macht noch vor Ende der ersten Halbzeit lieber mit den anderen Kindern eine Wasserschlacht, als sich die zweiundzwanzig schwitzenden Männer bei ihrem Kampf um den Ball anzuschauen.

Das Ende vom Lied: Während die Frauen in der ersten Reihe vor der Live-Übertragung sitzen und fröhlich über geplante Konzertbesuche, Cosmic Music und Wanderungen quatschen, verrenken die Männer aus der zweiten Reihe ihre Hälse, um einen Blick auf das Geballere auf dem Bildschirm zu erhaschen. Klischees? Ach Quatsch. Der Papa nämlich, das wissen alle, der ist auch nur zum Essen gekommen.

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