Frisch gerösteter Genuss:Wie die Kaffeebohne nach Aßling kam

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Seit fast zehn Jahren gibt es die Rösterei Martermühle. Was als Hobby für den Privatkonsum begann, ist mittlerweile ein florierendes Wirtschaftsunternehmen

Von Anna Horst

Wenn man am Ortsrand von Aßling aus dem Auto aussteigt, kommt einem sofort der herbe, durchdringende Duft von frisch gerösteten Kaffeebohnen entgegen geweht. Folgt man dem Geruch, führt er zu einem heimeligen Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert - der Martermühle. Hier wird seit beinahe zehn Jahren Kaffee von Hand geröstet. In dem renovierten Bauernhof befinden sich unter gemütlichem alten Gewölbe sowohl ein kleiner Laden und ein Café, als auch die Produktions- und Lagerräume, wo die Bohnen geröstet und abgepackt werden.

Was sich mittlerweile auch wirtschaftlich auszahlt, der Kaffee aus Aßling ist sehr beliebt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Angefangen hat die Rösterei als Hobby der beiden Kaffeeliebhaber Peter Vit und Ralf Heincke. Beide kamen eigentlich aus der Medienbranche, doch die Leidenschaft für guten Kaffee hat ihr Interesse am Röstvorgang geweckt. Immer wieder besuchten sie zu zweit eine kleine Rösterei und fragten den Besitzer nach Tipps und Tricks. Dieser war es schließlich auch, der ihnen 2009 ihre erste Röstmaschine für 50 Euro verkaufte. "Am Anfang haben wir nur für die Familie und Freunde geröstet, und das auch nur am Wochenende. Irgendwann kamen aber auch andere Leute, haben an unsere Fensterscheibe geklopft und wollten Kaffee kaufen", erinnert sich Vit. Alle Arbeitsschritte, von der Auswahl der Bohnen übers Rösten bis zum Verpacken haben sie in Eigenregie erledigt. Nach und nach hat die Martermühle dann immer mehr Zeit und Platz in ihrem Leben eingenommen, bis sie ihre Leidenschaft schließlich zum Beruf gemacht haben.

Die Röstmaschine ist das Herz der Martermühle. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mittlerweile ist aus dem Hobby ein erfolgreiches Unternehmen geworden, das seinen Kaffee im Großraum München bei Rewe und Edeka und im eigenen Internetshop vertreibt. Trotzdem hat die Martermühle ihren persönlichen Flair nicht verloren, nicht zuletzt, weil Vit und Heincke immer noch selbst an der Röstmaschine stehen. Die Devise der Martermühle lautet bis heute "Qualität vor Quantität". Durch Transparenz und Ehrlichkeit konnten Vit und Heincke viele Kunden überzeugen. Schlechte Zeiten habe es in dem Sinne noch nicht gegeben. Anfangs sei der Betrieb zwar klein gewesen, aber sie hätten ja keine hohen Erwartungen gehabt, sagt Heincke. Vor fast zehn Jahren haben die Leute durchs Hörensagen von der Martermühle erfahren. Der große Durchbruch kam dann mit Fernsehreportagen über die Unterschiede zwischen kleinen und großen Röstereien. Mit der Produktion seien sie erst einmal gar nicht hinterhergekommen, erzählt Heincke. Die Martermühle wurde dann vergrößert, Angestellte wurden eingestellt, um der großen Nachfrage begegnen zu können.

Welche Bohnen es wert sind, dort verarbeitet zu werden, wird in der Kaffeemanufaktur genau unter die Lupe genommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kaffee ist eines der Lieblingsgetränke der Deutschen, 164 Liter pro Jahr und Kopf werden hier getrunken. Unterdessen wissen sowohl Kaffeeliebhaber als auch Gastronomen oft nicht, worauf es bei gutem Kaffee überhaupt ankommt. "Wir wollen deshalb die Verbraucher für das Thema Kaffee sensibilisieren", sagt Heincke. Bei der Martermühle kann man auch Führungen buchen und den Röstprozess hautnah erleben.

"Wir wählen unseren Rohkaffee sorgfältig aus und besuchen unsere Kaffeebauern auch persönlich", erzählt Heincke. Diese würden die Kaffeebohnen mit der Hand ernten und so eine bestmögliche Qualität sicherstellen. "Bei industriellem Kaffee wird mit der Maschine abgeerntet. Da sind dann natürlich auch verfaulte oder noch gar nicht reife Bohnen dabei, weil die ja nicht alle gleichzeitig reif sind", sagt Vit.

Ralf Heincke kennt die Kaffeebauern persönlich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Martermühle bezieht ihre Kaffeebohnen zum Beispiel aus Thailand, Brasilien, Guatemala, Kolumbien, Costa Rica, Panama, Indien und Äthiopien. Dabei achtet sie auch darauf, dass Anbau- und Qualitätsmerkmale, die später auf der Packung stünden, auch tatsächlich stimmten. Aufschriften auf Kaffeepackungen im Discounter wie "100% Arabica" oder "Hochlandkaffee" seien nicht an bestimmte Bedingungen gebunden. "Wenn man einen Hochlandkaffee im Supermarkt kauft, heißt das nicht, dass der in einer bestimmten Höhe angebaut wurde. Theoretisch kann man auch bei einem Anbaugebiet von 500 Metern überm Meeresspiegel "Hochlandkaffee" draufschreiben", so Heincke. Bei der Martermühle gelte aber: Hochlandkaffee wird ab 1000 Metern über dem Meeresspiegel angebaut. Und die Aufschrift "100% Arabica" sagt auch nichts über die Qualität des Kaffees, sondern ist lediglich eine bestimmte Pflanzensorte.

Peter Vit röstet in Aßling seit 2009 seinen eigenen Kaffee. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vielen Menschen sind diese Fakten aber gar nicht bewusst. "Wenn Leute hierher kommen und fragen, welche Kaffeesorte für ihren Automaten die richtige sei, zeigt das, wie wenig Wissen über Kaffee vorhanden ist", so Vit. Die Wahl der Kaffeebohnen hängt schließlich nur vom eigenen Geschmack ab.

Auch andere Tricks der Industrie sind den meisten Kaffeeliebhabern unbekannt. "Bei industriellem Kaffee ist es erlaubt, nach dem Rösten wieder fünf Prozent Wasser auf die Bohnen aufzusprühen. Das machen viele Kaffeeröstereien, um mehr Gewicht bei weniger Bohnen zu bekommen", sagt Heincke. Auf einem Bild zeigt er, was die Folge davon sein kann: Eine Kaffeebohne, die in der starken Vergrößerung gut sichtbar Schimmel angesetzt hat. In der Martermühle werde daher auf die Zugabe von Wasser und anderen Zusatzstoffen verzichtet, so die beiden Gründer.

Den Röstvorgang geht man in Aßling besonders schonend an: ungefähr 20 Minuten lang werden die Bohnen im Gasröster bei etwa 200 Grad Celsius erhitzt. "Jede Bohnensorte hat ihr eigenes Röstprofil. Die benötigte Zeit und Temperatur können deshalb unterschiedlich sein", sagt Vit. Kaffeebohnen aus dem Supermarkt werden meist bei 400 Grad Celsius oder höher für nur sehr kurze Zeit, zwei bis drei Minuten, geröstet. Allerdings bilden sich bei dieser starken Erhitzung mehr gesundheitsschädliche Stoffe wie das vermutlich krebserregende Acrylamid. "Wenn die Bohnen bei niedrigerer Temperatur erhitzt werden, kann man die Bildung von Acrylamid beschränken und die Aromen können sich besser entfalten", sagt Vit.

Bei einer Livevorführung zeigen die beiden Geschäftsführer, wie das Rösten funktioniert. Mit Unterdruck werden bis zu 30 Kilogramm Bohnen durch einen Schlauch in die Rösttrommel gesogen. Ein ohrenbetäubendes Geräusch ertönt, als der Rohkaffee in die Trommel prasselt. Durch ein kleines Guckloch kann man den Röstvorgang beobachten. "Hier sieht man, dass die Farbe der Bohnen immer dunkler wird, und riechen kann man die halb fertigen Bohnen auch schon", sagt Heincke mit Begeisterung in der Stimme. Er holt eine kleine Schaufel voll heißer Bohnen aus der Trommel, die tatsächlich schon intensiv nach frischem Kaffee riechen. Am wichtigsten sei aber der sogenannte First Crack. Dieses Knacken der Kaffeebohnen kann man hören, wenn sie so weit getrocknet sind, dass sie aufbrechen. Dann sind die Bohnen nämlich fertig.

In der Martermühle werden sie anschließend noch entsteint, ein Schritt, der bei industriellem Kaffee oft ausgelassen wird. Aber nur ein Steinchen, das nach der Ernte leicht mit in den Kaffeebohnensack gelangt, kann den Tod einer jeden Kaffeemaschine bedeuten. Ein großer Aufwand also, den die Martermühle für guten Kaffee betreibt. Und der spiegelt sich auch im Preis des Aßlinger Kaffees wieder: Mindestens 20 Euro kostet ein Kilo Kaffee, abhängig von der Sorte. Laut Vit und Heincke ist dieser Preis aber unausweichlich, wenn man Fair-Trade-Kaffee von hoher Qualität trinken möchte. Die Martermühle mache feste Preiszusagen an ihre Kaffeebauern, die weit über dem Weltmarktniveau lägen, sagen die beiden Gründer. Für sie sei das unabdingbar, genau wie die schonende Röstung und der Verzicht auf billige Zusatzstoffe. Die große Mühe zahlt sich für Vit und Heincke auf jeden Fall aus: Dieses Jahr wurden sie vom "Feinschmecker" für ihre hervorragende Kaffee-Qualität ausgezeichnet, und auch die Deutsche Röstergilde vergab schon mehrmals Gold- und Silbermedaillen an die Produkte der Martermühle.

Mehr von der Martermühle gibt es an diesem Donnerstagabend, 25. Oktober, im BR-Fernsehen. Der etwa sechsminütige Beitrag läuft ab 19 Uhr.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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