Freunde zu Gast in Ebersberg:Seele bebt, Saal jubelt

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Luxuriöse Besetzung: Dirigent Daniel Heuschen gebietet über 59 Bläser und drei Percussionisten. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die "Harmonie Municipale Echternach" bringt im Alten Speicher selten gehörte sinfonische Blasmusik formvollendet zum Klingen

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Bei James Bond-Filmen sprechen Rezensenten gern von einer "Sinfonie von Effekten". Das Augenmerk richtet sich auf spektakuläre Stunts, auf die kuriosen Spezialwaffen von "Q" und auf die Ladies, mit denen sich der Superspion umgibt. Die Musik dazu wird wohl auch wahrgenommen, aber mehr wie eine Signatur, eine Erkennungsmelodie: So klingt's, wenn Bond bei der Arbeit ist. Dass der Filmmusik eine viel wichtigere Rolle zukommt, liegt im Ursprung der bewegten Bilder, als Pianisten oder kleine Orchester im Kino Dramatik und Farbe ins Spiel auf der Leinwand brachten. Daran hat sich bis heute wenig geändert, nur nehmen wir es nicht mehr so wahr - es sei denn, wir besuchen ein Konzert der Harmonie Municipale Echternach (HME) im Alten Speicher zu Ebersberg und bekommen dort zum Ausklang das Medley "The Best of James Bond" serviert. Nicht als schlichte Kopie der Filmmusik, sondern auf sinfonischem Niveau, vergleichbar mit einer ausgedehnten Ouvertüre oder einer sinfonischen Dichtung.

Orchester wie das HME findet man in unserer Region eher selten, in den Beneluxländern haben sie eine lange Tradition. Da kann ein Dirigent wie Daniel Heuschen aus einem ganz anderen Reservoir schöpfen - und sich den Luxus leisten, allein schon die beiden Gruppen "Oboe - Englisch Horn" und "Klarinette" jeweils mit einem Dutzend Musikerinnen und Musikern zu besetzen. Tutti brachte das Orchester 59 Bläser und drei Percussionisten auf die Bühne und damit ein Klangvolumen zusammen, das den weiten Raum des Saales locker füllte. Was weniger in den dramatischen Fortepassagen für Erstaunen sorgte, sondern vor allem dann, wenn "pianissimo" anzeigt war. So feinfühlig leise konnten die Luxemburger ihre Instrumente hauchen lassen, dass es ihnen wohl auch gelänge, aus einem Laubhaufen ein einzelnes Blatt herauszupusten, ohne dass die anderen auch nur zittern.

Es war ein Genuss, dem fein ausdifferenzierten Klangbild dieses Orchesters zu lauschen - ganz sinfonisch eben. Mal durften die Trompeten einen Akzent setzen, mal rollten die Tuben einen Teppich aus. Mal ließen die Fagotte die Melodie tanzen, mal bliesen die Hörner zur Attacke. Es soll hier nicht das Verdienst von traditionellen Blasmusiken und Marschorchestern verkannt werden, aber diese Art der Interpretation, wie sie das HME ablieferte, bewegt sich in einer anderen Liga. Da versteht man ansatzlos, warum die Wagners dieser Welt zu einem Bläsersatz greifen, wenn sie nach Effekten mit Tiefenwirkung suchen.

José Alberto Pinas "The Legend of Maracaibo" oder "The Godfather Saga" von Coppola/Rota gaben den Zuhörern vielfältige Gelegenheit begeistert zu sein, vom Summen in der Stille bis zum Beben in der Seele, die beide mit den Mitteln von Blasinstrumenten eine Intensität und Strahlkraft erhalten, wie sie kein noch so akzentuiertes Streichensemble und kein noch so kräftiger Basso continuo hinbekommen. Um das nicht misszuverstehen: Die geblasene Interpretation ist nicht besser als die gestrichene, sie ist nur grundsätzlich und mitreißend anders.

Sogar der "Lustigen Witwe" verleiht das Orchester aus Luxemburg einen Tiefsinn, den man im leichten Operettenmilieu eigentlich nicht vermuten würde. Ähnliches gelingt den Musikern bei einem Arrangement von Melodien aus dem "Dschungelbuch"-Film, wo sich die pfiffigen Anekdoten mit den philosophischen Phasen zu einer musikalischen Nacherzählung zusammenfinden, die trotz Ohrwurmfaktor durchaus Neuigkeitswert hat. In diese Kategorie darf man auch das Opus "The Superjhemp retörns" rechnen, einen erst unlängst erschienenen, im Großherzogtum schon zum Kultfilm gereiften Streifen - hierzulande noch unbekannt, aber dank dieser musikalischen Botschafter bei manchem jetzt auf die Wunschliste gerückt: Wenn der Film nur halb so viel Spaß macht wie die Musik, wird's ein unterhaltsamer Kinoabend.

Jubelnder Applaus schon ab dem zweiten Stück, begleitet anfangs von vereinzelten, am Ende von choristischen Bravo-Rufen, ließ schnell erkennen, dass die Melodien, wie das HME sie vortrug, das Vergnügen im gut besuchten Ebersberger Saal kontinuierlich steigerten. Da mag auch die Freundschaft hereingespielt haben, die sich zwischen dem Jubilate-Chor und den Luxemburgern entwickelt hat, seit die Zornedinger dort vor Jahresfrist singend zu Gast waren. Das Konzert am Freitagabend war der Gegenbesuch. Dennoch entfiel ein Großteil des Beifalls auf die ungewohnte Stilform eines sinfonischen Blasorchesters und der ungewöhnlichen, raumfüllenden, zwischen federleicht und sturmmächtig wandelnden Kraft der Intonation. Dass bei der Zugabe dann auch noch ein Teil eines Unesco-Kulturerbes zu hören war, die Hymne der Echternacher Springprozession, gab dem Konzertabend den letzten, noch einmal überraschenden Schliff.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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