Freising:Schnüffler auf Insektensuche

Timo und Aisbär, die beiden Hunde von Michaela Starke, sind dafür ausgebildet, Exemplare des Asiatischen Laubholzbockkäfers zu finden. Der Schädling wird vor allem mit Palettenholz eingeschleppt. In Deutschland sieht man den Einsatz der Vierbeiner allerdings noch skeptisch

Von Kerstin Vogel, Freising

Dass Timo und Aisbär Spaß an ihrer Arbeit haben, ist nicht zu übersehen. Kaum legt Michaela Starke die notwendigen Utensilien bereit, stehen die beiden Hunde, die vorher friedlich im Schatten gedöst haben, erwartungsvoll da. Es kann losgehen, signalisieren sie schwanzwedelnd, die Spürnasen sind bereit. Frauchen braucht unterdessen noch ein bisschen, denn das Training, das heute auf dem Plan steht, muss vorbereitet werden - und die Aufgabe, die Timo und Aisbär zu lösen haben, ist keine alltägliche.

Timo und Aisbär können Käfer suchen und finden. Asiatische Laubholzbockkäfer, um genau zu sein, bis zu vier Zentimeter lange Insekten, schwarz, mit einer schönen Zeichnung auf dem Rücken, die gleichwohl niemand haben möchte. Es sind Schädlinge, vor allem über Palettenholz aus Asien eingeschleppt, die keine natürlichen Feinde in Deutschland haben und leicht großen Schaden vor allem in stadtnahen Baumbeständen anrichten können. Insgesamt 16 Laubbaumarten, darunter Ahorn, Buche und Birke, zählen zu den Wirtsbäumen. In Feldkirchen tauchte der Käfer im Jahr 2012 auf. Weil nach geltendem EU-Recht im Umkreis von 100 Metern um einen befallenen Baum vorsorglich alle potenziellen Wirtspflanzen abgeholzt werden müssen, war eine große Fällaktion die Folge. Die in Freising ansässige Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL), die für Pflanzenschutz zuständig ist, wies eine Quarantänezone um Feldkirchen aus, in der immer wieder Spuren des Asiatischen Laubholzbockkäfers gefunden werden. Auch die Ortschaft Weißenfeld in der Gemeinde Vaterstetten steht unter Quarantäne, bisher hat der Käfer die Landkreisgrenze aber wohl noch nicht überschritten.

Freising: Aisbär hat eine Geruchsprobe des Asiatischen Laubholzbockkäfers gefunden und zeigt das seiner Hundeführerin, indem er an dem Stamm hochspringt.

Aisbär hat eine Geruchsprobe des Asiatischen Laubholzbockkäfers gefunden und zeigt das seiner Hundeführerin, indem er an dem Stamm hochspringt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Michaela Starke hat in Freising Forstingenieurwesen studiert - und auch Käfer haben sie in dieser Zeit schon beschäftigt, ihre Bachelorarbeit ging über den Großen Roten Pappelblattkäfer. Ihre Freizeit aber verbrachte sie mit Timo, Aisbär und verschiedenen Hundesportarten, was eine Kommilitonin schließlich auf die zündende Idee brachte: Timo und Aisbär würden zu Anoplophora-Spürhunden ausgebildet, so der Fachbegriff, Michaela Starke könnte Hobby und Beruf verbinden und eine wichtige Aufgabe im Kampf gegen den Käferbefall übernehmen. In Österreich gibt es schon einige solcher Suchhunde, teilweise nehmen die dort arbeitenden Baumkletterer auf der Suche nach den Schädlingen die Spürnasen sogar mit in die Wipfel, wie Starke erzählt.

In Deutschland sei man noch skeptisch, bedauert die 31-Jährige, die zuständige LFL baue bislang noch vor allem auf visuelles Monitoring, habe aber selber schon Mensch-Hund-Teams zur Ausbildung nach Österreich geschickt - zu eben den einwöchigen Lehrgängen, die auch Timo und Aisbär im September und November 2015 absolviert haben. Ursprünglich hatte Starke nur Aisbär, ihren zwei Jahren alten Berger de Suisse, ernsthaft für die Schnüffelarbeit ausbilden wollen. Timo sollte nur nebenher ein wenig mitarbeiten. Doch der viereinhalb Jahre alte Terrier-Mischling überraschte auf den Spuren des Laubholzbocks mit guten Schnüffelleistungen - auch wenn man ihn zwischendrin "immer mal wieder an seine Aufgabe erinnern muss", wie Starke grinsend erzählt.

Hilfreiche Hundenase

Die Nase eines Hundes funktioniert zwischen 40 und 100 Mal besser als die des Menschen. Kein Wunder also, dass der Mensch gerne den Hund zu Hilfe nimmt, wenn es darum geht, Dinge anhand ihres Geruchs aufzuspüren. Bekannt sind Drogen-, Sprengstoff- oder Geldsuchhunde, die Suche nach Insekten mittels Hundenasen ist dagegen noch relativ jung.

Für die Arbeit als Anoplophora-Spürhund werden die vierbeinigen Azubis zunächst mit dem Geruch bekannt gemacht. Weil asiatische Laubholzbockkäfer Quarantäneschädlinge sind, dürfen sie das Labor nicht verlassen. Die Hundeführer müssen sich mit Bohrspänen der Larven, Holzstücken mit Bohrgängen oder Zigarettenfiltern mit Lebendlarvengeruch behelfen. Die Geruchsproben werden in Deckelgläsern konserviert.

Zu Beginn der Ausbildung dürfen die Hunde an diesen Gläsern schnüffeln und werden dafür belohnt. Relativ schnell wird dieser Vorgang auch benannt, bei Michaela Starke etwa heißt der Geruch "Käfer", was gleichzeitig ihr Suchkommando ist. Im Verlauf der Ausbildung werden die Gläser mit dem Geruchsträgern dann in Tröge gestellt - und der Hund wird belohnt, wenn er sich für den richtigen Trog interessiert.

Im nächsten Schritt kommt ein Tisch mit Löchern über das Geruchsglas und der Hund bekommt seine Belohnung, wenn er die Nase über das Loch hält, unter dem das Glas steht. Hat er das verstanden, steht einer "richtigen Suche" schon fast nichts mehr im Weg.

Bei der Käfersuche tragen die Hunde spezielle Geschirre, die zusammen mit dem Suchkommando bedeuten, dass jetzt die Arbeit beginnt. Außer dem Asiatischen Laubholzbockkäfer können sie auch den Zitrusbockkäfer erschnüffeln, einen weiteren Schädling aus Asien, der allerdings noch nicht so verbreitet ist. vo

Tatsächlich schaut sich Timo auch bei diesem Training immer mal wieder nach Frauchen um, während er die Bäume auf dem Gelände des Hundevereins HSV Moosburg/Aich sorgfältig abschnüffelt und schließlich an einer Fundstelle durch Kratzen seinen Erfolg anzeigt. Frauchen hatte hier vorher Geruchsproben versteckt - und das ist eine Wissenschaft für sich. Denn weil der asiatische Laubholzbockkäfer ein Quarantäneschädling ist, darf Michaela Starke keine haben, nicht einmal tote. Für das Training der Hunde muss sie auf Bohrspäne zurückgreifen, die von den Larven des Käfers im Stamm zurückgelassen wurden - oder auf Zigarettenfilter, die im Labor zusammen mit Käferlarven aufbewahrt wurden und deren Geruch angenommen haben (Kasten).

Zwanzig Minuten kann ein ausgebildeter Anoplophora-Spürhund am Stück arbeiten, danach braucht er eine mindestens ebenso lange Pause. Die Schnüffelei ist Schwerstarbeit für die Hunde, auch wenn sie mit großem Spaß bei der Sache sind. Aisbär, der die Trainingsstrecke auf dem Moosburger Hundeplatz schon vor Timo absolviert und gewissenhaft alle Bäume auf Käfergeruch untersucht hat, zeigt normalerweise durch heftiges Scharren an, dass er etwas gefunden hat. Er lernt jedoch gerade, auch ordentlich zu bellen, wenn er den Geruch lokalisiert hat. Sollte er einmal ein ganzes Waldstück absuchen müssen, könnte er so leichter auf sich aufmerksam machen und: Der Laubholzbockkäfer sucht seinen Weg eigentlich nach oben in die Kronen der Bäume.

Freising: Timo zeigt durch Scharren an, dass er etwas gefunden hat. Der Terrier-Mischling muss manchmal noch an seine Arbeit erinnert werden.

Timo zeigt durch Scharren an, dass er etwas gefunden hat. Der Terrier-Mischling muss manchmal noch an seine Arbeit erinnert werden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Nach der Eiablage bohren sich die Larven den Stamm oder dickere Äste hinauf, um den Wirtsbaum oben als Käfer wieder zu verlassen, wie Starke erklärt. Dabei würden jedoch die Wasser- und Zuckerleitungen der Bäume beschädigt, was zu deren Absterben führe. In diesem Stadium aber sei ein Befall visuell vor allem bei belaubten Kronen kaum zu erkennen, wirbt die 31-Jährige für den Einsatz von Spürhunden. Aisbär hat gelernt, seine Nase auch in Richtung Wipfel einzusetzen und springt schließlich hartnäckig an einem Stamm hoch, um die in einer Astgabel versteckte Geruchsprobe anzuzeigen - bellend, weil er so weit oben nicht scharren kann.

Weil sich der Laubholzbock zum Glück nur sehr langsam ausbreitet, sieht Michaela Starke die Aufgabenbereiche ihrer Hunde aktuell neben dem Monitoring in Baumschulen vor allem in der Verpackungsholzkontrolle, etwa bei den Steinhändlern, die ihre Ware aus Asien auf Holzpaletten geliefert bekommen und dem ungeliebten Käfer damit eine Einreisemöglichkeit bieten. Zwar müssten Paletten eigentlich gegen die Insekten behandelt werden, sagt Starke - aber wie es halt so ist, nicht jeder beachtet alle Bestimmungen. Nicht umsonst sei der asiatische Laubholzbockkäfer bislang vor allem in der Umgebung von Häfen und Flughäfen aufgetreten, zuletzt am Kelheimer Hafen, wo im April dieses Jahres wegen des Schädlings Alarm geschlagen wurde.

Timo und Aisbär ist all das herzlich egal. Für sie zählt nur die Belohnung, die es nach getaner Arbeit gibt. Aisbär, der weiße Schäferhund, bekommt sein Spielzeug, sobald er einen Käferfund gemeldet hat, und flitzt damit anschließend in großen Runden über die Wiese. Für Timo muss es manchmal stattdessen etwas zu fressen sein, verrät Michaela Starke: "Eine besonders gute Wurst etwa" - denn umsonst arbeitet auch ein Hund nicht gerne.

Michaela Starke lebt in Wartenberg. Sie und ihre Hunde sind vom Bundesamt für Wald (BFW) in Österreich als Anoplophora-Suchteams zertifiziert und stehen für entsprechende Aufträge zur Verfügung. Die Ausbildung ist von der Landesanstalt für Landwirtschaft anerkannt. Kontakt: www.facebook.com/anoplophora.spuerhunde.oberbayern

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