Süddeutsche Zeitung

Frauenneuhartinger Weiler sollen umbenannt werden:Wie hätten Sie es denn gerne?

Eschenloh oder Eschenlohe, Am Haus oder Mayer am Haus - in Frauenneuharting stimmen einige Ortsbezeichnungen nicht mit dem amtlichen Liegenschaftskataster überein. Weil sich die Menschen aber an die neuen Schreibweisen gewöhnt haben, sollen nun zwei Weiler umbenannt werden

Carolin Fries

Wie kann es passieren, dass einer Ortschaft im Namen ein Buchstabe abhanden kommt? Dass zum Beispiel aus dem Weiler Lochen in Frauenneuharting irgendwann Lohen wird und aus Eschenlohe Eschenloh? Frauenneuhartings Bürgermeister Josef Singer sagt: "Mei, im Laufe der Jahrzehnte schreibt's halt mal jemand anders." So muss es wohl auch im Fall dieser zwei Weilern in der Gemeinde im südlichen Landkreis gewesen sein, und es stört sich niemand daran, ganz im Gegenteil. Doch die amtliche Ordnung ist mit dem verlorenen "c" hier und dem "e" dort aus den Fugen geraten. Im Liegenschaftskataster aus dem Jahr 1856 nämlich sind die Ortschaften nun mal anders registriert. Und deshalb gibt die Datenbank des Ebersberger Vermessungsamtes Alarm, wenn irgendwo ein K anstelle eines C steht, oder aber ein a unterschlagen wird. "Da muss nur der Herr Huber dem Herrn Mayer ein Stück Wiese verkaufen", erklärt Amtsleiter Hans Baumgartner. "Ist das dann auf der Notariatsurkunde falsch eingetragen und wir geben das ein, meldet das die nächtliche Datenprüfung." In der Regel, so Baumgartner, handele es sich dabei um "Schreibungenauigkeiten" oder aber eine nicht eingetragene Hausnummer. Diese freilich müssen aus der Welt geschaffen werden. Dafür zuständig sind wiederum die Gemeinde und der Bezirk Oberbayern - "die müssen sich abstimmen, wie sie es gerne hätten".

So hat die Frauenneuhartinger Gemeindeverwaltung bereits vor etwa einem Jahr Post vom Vermessungsamt bekommen, doch bitte die Ortsbezeichnungen für Eschenlohe und Lochen zu vereinheitlichen. Und das, wo man sich im Gemeinderat erst ein paar Monate zuvor auf eine Schreibweise für die Weiler Raunstädt und Mayer am Haus festgelegt hatte.

Mayer am Haus

Zwei Höfe gibt es in dem kleinen Weiler, der laut Ortsschild einfach nur "Am Haus" heißt. "Auf das Mayer legen wir keinen Wert", sagt Cäcilia Hagenreiner, die auf dem Bergmayer-Hof lebt. Der Zusatz Mayer sei einfach immer ein Wörtchen mehr zu schreiben gewesen, das man irgendwann wohl aus Bequemlichkeit weggelassen hätte, "außer es handelte sich um offizielle Papiere", wie sie hinzufügt. Am Haustaferl steht ebenfalls "Am Haus", die Post käme auch meistens an. "Nur manchmal landet ein Packerl in Haus", erzählt sie. Haus, das ist ein benachbarter Weiler, nur wenige Kilometer weiter, ebenfalls in Frauenneuharting. Im Telefonbuch aber findet man die Familie Hagenreiner wie auch die Bewohner des Vogelmayer-Hofes - die Familie Numberger - mit der Adresse Mayer am Haus.

Eine Bezeichnung mit historischer Bedeutung wie Kreisarchivar Bernhard Schäfer erklärt. Mayer benennt nach einer alten Einteilung die Ertragskraft eines ganzen Hofes - während der Huber nur ein halber Hof war und der Lechner oder Lehner ein Viertelhof. Und auf diesem Hof soll im Hochmittelalter für die Burg der Herren von Haging gewirtschaftet worden sein - den befestigten Adelssitz Am Haus. Erst später wurde der Hof geteilt. In alten Überlieferungen ist laut Schäfer immer von Mayer am Haus die Rede, und dabei soll es laut Bürgermeister Josef Singer auch bleiben. "Mir ist das wurscht", sagt Georg Numberger. Er und auch Cäcilia Hagenreiner berichten, von der Gemeinde bereits ein neues Haustaferl bekommen zu haben mit der Aufschrift "Mayer am Haus". Befestigt haben sie es noch nicht. Wer hinauffährt in den kleinen Weiler, der liest auf grünem Hintergrund noch immer "Am Haus". Solange dieses Schild nicht ausgewechselt ist, wollen Numberger und Hagenreiner ihre Haustaferl nicht abnehmen. Für wann ein neues Schild geplant ist? "Das müssen wir jetzt wirklich mal machen lassen", sagt Bürgermeister Josef Singer.

Raunstädt

Der Ort findet sich erstmals 1416 schriftlich festgehalten, und zwar in der Schreibweise "Ravelstet". "Der Name verweist auf die Stätte, das heißt die Ansiedlung eines Raffold, in dem der Ortsgründer gesehen werden kann", erklärt der Historiker Bernhard Schäfer. In der weiteren Entwicklung sei die Benennung verschiedentlich in den Dativ Plural gesetzt und lautlich ergänzt worden (Ränfftlstetten). Mundartlich sei daraus im 19. Jahrhundert -stätt geworden Und so steht es seit Jahren an der Ortstafel - wenn wohl auch nicht mehr lange. Denn im Ortsnamenverzeichnis ist der Weiler als Raunstädt registriert. Und dabei soll es auch bleiben, wie Bürgermeister Singer auf Nachfrage der SZ bestätigt. Auch wenn Bernhard Schäfer die Bezeichnung -städt für eine "Hervorbringung des 20. Jahrhunderts" hält. Im Sommer vergangenen Jahres wurden die Einwohner über die geänderte Schreibweise informiert. "Ein bisschen geärgert habe ich mich schon", sagt Regina Huber, dass sie überall ihre Adresse hat ändern lassen müssen. Dabei ist die Angelegenheit für sie klar: "Für mich ist und bleibt das hier eine Stätte und keine Stadt. Mit zwei Häusern."

Eschenlohe

Mit e, so wird der Frauenneuhartinger Weiler derzeit beim Vermessungsamt in den amtlichen Flurkarten geführt. Doch wer die Strecke von Aßling nach Frauenneuharting fährt, der wird auf zwei Schildern - nur etwa einen Kilometer voneinander entfernt - einmal nach Eschenloh und einmal nach Eschenlohe verwiesen. Bislang hat das offenbar niemanden gestört, nur einmal soll ein dort ansässiger Metallbaubetrieb seine Lieferung nicht erhalten haben, erzählt der Bürgermeister - die ging nach Eschenlohe bei Garmisch-Partenkirchen. Derlei Verwechslungen will man künftig ausschließen: Das e soll nach dem Willen des Gemeinderates weg. Gestützt wird der Beschluss auf eine Befragung der Menschen, die in dem Weiler leben. Sie durften in den vergangenen Wochen ankreuzen, welche Schreibweise sie gerne hätten. "Einheitlich" sei ein Votum für Eschenloh gefallen, berichtet der Bürgermeister. "Weil es immer schon so war", sagt Evi Niedermaier, die dort mit ihrer Familie lebt. Auch Bernhard Schäfer plädiert für eine Schreibweise ohne e: "Der Name beschreibt einen freien Platz (Espan) in einem lichten Wald (Loh)", sagt er. Die Gemeinde hat nun eine Umbenennung beantragt.

Lochen

"Kein Mensch sagt Lochen." Fragt man Otto Pfeiffer, dann wohnt er in Lohen. So steht es am Ortsschild und so wollen es auch die Bewohner der drei Häuser in dem Weiler. Auch sie wurden in einem Schreiben der Gemeinde gefragt, welche Schreibweise sie gerne hätten. Und auch hier ist man sich einig. "Das war schon immer Lohen", sagt Anneliese Moosmeyer. Weshalb die Datenbank des Vermessungsamtes Lochen abgespeichert hat, kann sie sich nicht erklären. Bernhard Schäfer bezeichnet Lochen als eine mundartliche Form, die Anfang des 14. Jahrhunderts Eingang in die Schriftlichkeit gefunden habe. Ursprünglich stehe der Name "Lohe" , wie er erstmals im Jahre 934 in Schriftquellen auftauche, für einen lichten Wald (Loh). Deshalb hat die Gemeinde auch für diesen Weiler eine Umbenennung beantragt und zuletzt noch einmal nachträglich begründet. Die Meinung der Beteiligten ist nämlich laut Vermessungsamtsleiter Hans Baumgartner nicht ausschlaggebend für eine Änderung. Lediglich bei wiederkehrenden Verunglimpfungen des Ortsnamen, sei das ein Argument. "In der Regel gilt nur als begründet, was historisch belegt ist", so der Amtsleiter. So gesehen haben die Einwohner Lohens und Eschenlohs Glück, dass Bernhard Schäfer entsprechende Schriftstücke gefunden hat.

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SZ vom 23.02.2013
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