Gastronomie:Pfiat di, Rosi!

Gastronomie: Fast vier Jahre war Rosi Lemke die Wirtin vom Höherwirt - das kommende Wochenende wird aber ihr letztes sein.

Fast vier Jahre war Rosi Lemke die Wirtin vom Höherwirt - das kommende Wochenende wird aber ihr letztes sein.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 2019 war Rosi Lemke die Wirtin vom Höherwirt bei Frauenneuharting - bis jetzt: Zum Dezember hört die 48-Jährige auf. Das bedeutet aber noch lange nicht das Aus für die Wirtschaft.

Von Johanna Feckl, Frauenneuharting

Von Wirtshaussterben will Rosi Lemke nicht sprechen, das betont sie. Die 48-Jährige sitzt am Stammtisch in der Gaststube beim Höherwirt in Frauenneuharting, dessen Wirtin sie seit 2019 ist. Der kommende Sonntag und Montag werden die letzten beiden Tage sein, an denen der Höherwirt jeden herzlich willkommen heißt, der selbst gebackene Kuchen à la Rosi, Flaschenbier und die urig-gemütliche Atmosphäre der Gaststätte lieb gewonnen hat. "Unsere regulären Öffnungszeiten wird es erst einmal nicht mehr geben, weil ich als Wirtin aufhöre", sagt Lemke. "Aber unsere Wirtschaft ist damit nicht gestorben." Denn für private Veranstaltungen kann man den Höherwirt weiterhin mieten, und zu besonderen Anlässen wie etwa am Vatertag will das Wirtshaus sogar regulär öffnen - soweit die bisherigen Pläne.

Lemke kommt aus der Küche zurück in die Stube, stellt zwei Gläser Wasser auf den Tisch und setzt sich. Sie seufzt. "Corona hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht." Es ist nicht so, dass die Wirtschaft schlecht lief, seitdem sie wieder geöffnet ist - das Gegenteil ist sogar der Fall. Der Sommer war sonnig und lang, der Biergarten an manchen Tagen brechend voll. "Das waren dann gut 60 Gäste", sagt Lemke. "Aber das ist einfach nicht mehr zu schaffen." Denn allesamt hat die 48-Jährige alleine bedient, nur in der Küche hatte sie Unterstützung von der 74-jährigen Rosi Weigl, Lemkes Mutter und Frau von Hans Weigl, der 1999 den Höherwirt eröffnet hatte - einfach so. Zwei Jahre ging das damals gut, dann klopfte das Gewerbeamt an die Tür, die Wirtschaft musste schließen. Doch noch im selben Jahr war der Höherwirt wieder zurück, dieses Mal ganz offiziell mit einer eingeschränkten Schanklizenz - deshalb gibt es Getränke dort seit jeher nur in Flaschen.

Gastronomie: Vier Tische sind in der gemütlichen Gaststube - der Bestand des Wirtshauses führt übrigens bis ins 15. Jahrhundert zurück, es steht unter Denkmalschutz.

Vier Tische sind in der gemütlichen Gaststube - der Bestand des Wirtshauses führt übrigens bis ins 15. Jahrhundert zurück, es steht unter Denkmalschutz.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lange hat Lemke nach einer Bedienung gesucht. Gefunden hat sie keine. Warum? Das kann sich die 48-Jährige nicht erklären. Vielleicht liegt auch das an Corona - viele, die sich zuvor durch Kellnern etwas hinzuverdient hatten, haben sich nach anderen Minijobs umgeschaut. Vielleicht liegt es aber auch an der Abgeschiedenheit des Höherwirts - als Gast ein wunderbares Ausflugsziel, als Mitarbeiter könnte der Arbeitsweg nach einer Weile jedoch durchaus nervig werden.

Hinzu kommt das wirtschaftliche Risiko, das immer weiter ansteigt - Corona ist ja nicht einfach verschwunden, die Inflation kommt nun noch oben drauf. "Da ist immer diese Unsicherheit, was die Zukunft bringt", so Lemke. Muss die Gastro wieder zusperren? Kommen neue Regeln? Bleiben die Gäste wegen der Inflation aus?

Einen einzigen freien Tag gönnt sich Rosi Lemke

Seit dem Sommer arbeitet Lemke deshalb halbtags in einer Metzgerei. Als Angestellte kann sie mit einem fixen Gehalt rechnen, das ist ihr als Mutter von zwei Kindern viel wert. Seitdem hat sie aber auch nur einen freien Tag pro Woche. Dienstag und Donnerstag ist sie in der Metzgerei, Freitag und Samstag mit Einkaufen, Backen und Herrichten für die Abende beschäftigt, an denen die Wirtschaft häufig für private Feste vermietet ist, Sonntag und Montag das Gleiche wieder, denn da hat der Höherwirt regulär geöffnet.

Gastronomie: Der Biergarten vor dem Wirthaus ist im Sommer bei schönem Wetter brechend voll.

Der Biergarten vor dem Wirthaus ist im Sommer bei schönem Wetter brechend voll.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Für mich als Wirtin steckt viel mehr in der Wirtschaft, als man von außen sieht", sagt Lemke. Das hat schon öfter dazu geführt, dass sie von Gästen mit deren Unverständnis konfrontiert wurde. Zum Beispiel, als sie sich einen Kapselriss an der Hand zugezogen hatte - wie hätte sie da mit nur einer gesunden Hand 60 Leute bedienen sollen, wenn es selbst mit zwei Händen kaum zu bewerkstelligen ist? Der Höherwirt blieb also zu. Und Beschwerden darüber kamen prompt. Genau so wie an den zwei Wochen im September, als Lemke nicht öffnete, weil sie im Sommerurlaub war. Oder als geschlossen blieb, weil sie mit Corona krank im Bett lag.

Gastronomie: Höherwirt heißt die Wirtschaft übrigens nicht, weil die Wirtsfamilie "Höher" heißt, sondern wegen des Ortsteils Höherberg bei Frauenneuharting, in dem das Wirtshaus ist.

Höherwirt heißt die Wirtschaft übrigens nicht, weil die Wirtsfamilie "Höher" heißt, sondern wegen des Ortsteils Höherberg bei Frauenneuharting, in dem das Wirtshaus ist.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Trotz alledem: Rosi Lemke ist Wirtin mit Leidenschaft. Die vielen Stammgäste, die immer Verständnis haben - sie sind ihr ans Herz gewachsen. Wenn sie an die letzten beiden regulären Öffnungstage denkt, dann wird ihr "angst und bange", wie sie es formuliert. Sie seufzt wieder. Leicht sei ihr die Entscheidung nicht gefallen. Wenn sie langfristig Personal gefunden hätte. Wenn Corona nicht wäre. Wenn nicht alles teurer werden würde - vielleicht wäre es dann anders gekommen.

"Es ist meine ganz persönliche Entscheidung", sagt sie. "Ich bin gerne Wirtin - aber ich mag auch nicht mehr immer nur arbeiten." Im letzten Sommer hat sie ihren Motorradführerschein gemacht. Lemke freut sich, dass sie bald mehr Zeit für ihr neues Hobby haben wird. Und ganz wird sie vermutlich gar nicht weg sein, auch wenn sie nicht mehr die Höherwirt-Wirtin ist. Und das nicht nur, weil die 48-Jährige gegenüber der Wirtschaft wohnt.

Die letzten regulären Öffnungstage sind am Sonntag, 27. November, und Montag, 28. November, jeweils ab 14 Uhr. Infos über künftige Sonderöffnungszeiten gibt es auf Instagram und Facebook.

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