Offene Ateliers in Frauenneuharting:Kunst statt Kühe

Josef Köstler bietet auf seinem Hof in Hagenberg mehreren Malerinnen eine Heimat. Am Wochenende stellen in den Ateliers dort sieben Künstlerinnen und Künstler aus.

Von Anja Blum

Auf den ersten Blick haben Landwirtschaft und Kunst ja nicht viel miteinander gemein. In Hagenberg bei Frauenneuharting aber kann man beides atmen. Hier treffen Erde und Himmel, Körper und Geist aufeinander. Schon auf der Fahrt zu dem Gehöft zwischen Grafing und Tegernau bietet sich ein oberbayerisches Tableau zum Niederknien, mit Alpenkette, Kirchturm, Wiesen und Wäldern im Weichzeichner-Nebel. Poesie pur. Doch was den staunenden Besucher im Inneren des Hofes erwartet, ist nicht weniger erbaulich: Sein Besitzer Josef "Beppo" Köstler hat hier ein Refugium der bildenden Kunst erschaffen, indem er die Räumlichkeiten mit einigen Freunden teilt.

Fünf professionelle Malerinnen aus der Region arbeiten mittlerweile in Hagenberg und machen den ehemaligen Bauernhof so zu einem Hort der Kreativität. Am kommenden Wochenende öffnet dieser bereits zum dritten Mal für zwei Tage seine Pforten. Mit Gästen stellen diesmal sieben Künstlerinnen und Künstler in mehreren Ateliers aus: Ruth Effern, Angelika Sieber, Ingrid Wieser-Kil, Gertraud Dobmeier, Susanne Weyand, Robert Gockner und Josef Köstler selbst. Gezeigt wird vor allem Malerei, aber auch Papierarbeiten, Objektkunst und Skulpturen sind zu sehen. Für Besucher geöffnet ist der Kunst-Hof am Samstag und Sonntag, 13./14. November, jeweils von 12 bis 17 Uhr.

Robert Gockner 'Gollum'; Frauenneuharting Ateliers in Hagenberg

Robert Gockner präsentiert seinen „Gollum“.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ruth Effern aus Taufkirchen zum Beispiel sagt, dass sie ihre wichtigste Inspiration in der Natur finde - insofern ist Hagenberg vermutlich der optimale Ort für ihr Schaffen. Die Lehrbeauftragte an der Kunstakademie in München ist bekannt für ihre sensiblen Kompositionen aus Farbe, Papier und Zeichnung. Dazu klebt sie unzählige zarte Papierschichten übereinander und bemalt sie anschließend. Auch Angelika Siegers Kunst findet ihre Motive in der Natur, sie übertrage "Gesehenes und Empfundenes in Malerei", so die Künstlerin. Ursprünglich aus München stammend, arbeitet sie mittlerweile nicht nur in Hagenberg, sondern lebt auch dort. In ihrem Atelier gibt Sieger Malunterricht, außerdem ist sie Dozentin an der Akademie Eigenart in Bad Heilbrunn. Ihre Gemälde begeistern vor allem mit eine ungemein nuancenreichen Farbpalette. Birgit Jung wiederum hat sich ganz dezidiert dem Thema Erde verschrieben, der Erde, "die uns trägt, berührt in ihrer Farbigkeit, in ihrer Tiefe und in ihrem Wandel, im Werden und Vergehen". Die Künstlerin aus Wasserburg arbeitet gerne monochrom, erschafft körnig strukturierte, meist wolkig-erdige Farbflächen, in denen der Geist sich im Nu verlieren kann. An den offenen Ateliers kann sich Jung allerdings diesmal nicht beteiligen.

Gertraud Dobmeier findet ihre Anlässe zum Malen "außen und innen: ein Augenblick, eine Begegnung, eine Zwiesprache mit dem Material, ein innerer Kampf, eine sinnliche Lust". Ihr Medium ist allem voran die Farbe. Die Kunsttherapeutin arbeitet erst seit Kurzem in Hagenberg. Schon lange dabei ist hingegen Ingrid Wieser-Kil aus Aßling, deren vielschichtige Gemälde aus einem intuitiven Malprozess heraus entstehen. Sie ist bekannt für rätselhaft Figurales, für Farblandschaften und Bilderwelten, die jenseits unserer Realität liegen und den Betrachter zu eigenen Deutungen inspirieren sollen.

Als "immer noch in Ausbildung" bezeichnet sich der Gastgeber, Josef Köstler. Das Oberhaupt einer Grafinger Gärtnerei-Familie arbeitet leidenschaftlich gerne mit dem Pinsel, "eigentlich immer schon", sagt er. Köstler malt meist großformatig und sehr narrativ, seine Bilder wollen Geschichten erzählen. Doch eine künstlerische Ausbildung hat er nie absolviert, weswegen ihm der Austausch mit Gleichgesinnten so am Herzen liegt. Er, der Laie, könne von den Profis auf seinem Hof nur profitieren, an ihrer Kritik dürfe er als Maler wachsen. "Manche sammeln Kunst, böse Zungen behaupten, ich sammle Künstler", sagt Beppo Köstler und lacht herzlich. Von so etwas wie Besitzansprüchen nämlich ist der Hausherr meilenweit entfernt, er schätzt einfach die Nähe der Maler. "Wenn hier überall an den Staffeleien etwas geschieht, das ist mir eine tiefe Freude", sagt er und seine blauen Augen strahlen.

Deswegen begann Köstler vor ein paar Jahren schon, in Hagenberg mehr Platz fürs Malen zu schaffen, baute Scheune und Speicher Schritt für Schritt in Eigenregie aus. Nicht perfekt-geleckt, sondern mit dem Blick und der Energie des zupackenden Malers und Gärtners. Viel Licht von oben, freie Flächen, Stauraum für Leinwände und eine freundlich-offene Atmosphäre lassen nun die Künstlerherzen höher schlagen. Für die Malerinnen aber ist Hagenberg nicht nur ein angenehmer Platz zum Arbeiten in epischer Lage, sondern vor allem ein inspirierendes Netzwerk. "Hier herrscht einfach eine tolle Energie", sagt Wieser-Kil.

Und weil die Flächen in Hagenberg großzügig sind, hat die Künstlergemeinschaft wieder zwei Gastaussteller eingeladen. Sie werden die Malerei um Objekte und Skulpturen bereichern. Susanne Weyand aus Abersdorf bei Steinhöring thematisiert immer wieder die Zerbrechlichkeit, aber auch die Beeinflussbarkeit des Menschen: Auf den ersten Blick vermeintlich vertraute Gegenstände ebnen bei näherer Betrachtung durch ihre Umdeutungen oder seltsame Kombinationen den Weg für vielschichtige Interpretationen. Auch den Bildhauer Robert Gockner interessiert das "Suchen, Finden, Zerlegen, Umbauen und Neuzusammensetzen". Sein Ziel sind elementare Grundformen, "in ihrer Klarheit scheinbar unberührbar und endgültig". Der Kunstschmied lebt und arbeitet in Weiding bei Ebersberg, in Hagenberg sind seine Arbeiten im Außenbereich zu sehen.

Offenen Ateliers 2021 in Hagenberg 1 bei Frauenneuharting, am Samstag und Sonntag, 13./14. November, geöffnet jeweils von 12 bis 17 Uhr. Es gibt Kaffee, Kuchen und Gegrilltes. Es gelten die 3G-Regelung und die aktuellen Hygienevorschriften (Masken und Abstand).

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