Schloss Eichbichl in Frauenneuharting:Dem Untergang entrissen

Schloss Eichbichl in Frauenneuharting: Ulrich und Rea von Raben haben Schloss Eichbichl vor 20 Jahren gekauft.

Ulrich und Rea von Raben haben Schloss Eichbichl vor 20 Jahren gekauft.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Vor 20 Jahren hat die Adelsfamilie von Raben eine "Ruine mit Tünche" erworben. Die Schlossbesitzer erzählen, wie es sich in dem alten Gemäuer lebt - und warum es bald das erste energieautarke Schloss Bayerns sein soll.

Von Carolin Fries

Der Chronist Simon Lausch hielt den vermeintlichen "Niedergang Eichbichls" Anfang des 20. Jahrhunderts in folgenden Worten fest: "Als es lange Zeit unbewohnt war, wurde es schließlich von einem Bäcker erworben und natürlich auch entsprechend verschandelt, der Schloßweiher abgelassen." Von dem spätgotischen Wasserschloss in Frauenneuharting verschwanden damals tatsächlich Ringmauer, Zugbrücke und Türme, einzelne Gebäudeteile sollen gar verkauft worden sein.

1908 musste der nördliche Anbau - fast ein Drittel des Gesamtbaus - abgerissen werden, weil sich durch das Ablassen des Weihers das Gebäude gesetzt hatte und Risse in Mauern und Gewölbe entstanden waren. Lausch schrieb von einer "Ruine, einsam und verlassen". Dass diese Ruine gut einhundert Jahre später auf dem besten Weg sein sollte, das erste energieautarke Schloss Bayerns zu werden, konnte er damals freilich nicht ahnen.

Anmutig, aber keinesfalls protzig

Schloss Eichbichl liegt im Wiesengrund in einer Senke zwischen Jakobneuharting und Tegernau. Es wirkt anmutig, aber in keiner Weise protzig. Die rot-weiß gestrichenen Fensterläden aus Eichenholz strahlen mit den zahlreichen Grüntönen der Umgebung um die Wette, im Hintergrund wie gemalt die Alpenkette. Harmonisch eingebettet in seine Umgebung führt ein aufgekiester Weg vorbei an blühenden Rabatten zum Schloss. An der Fassade ranken Blauregen und Efeu empor, daneben eine schlichte Holztür. Etwa 750 Jahre stehen diese alten Mauern hier schon und unweigerlich stellt sich die Frage, wie viele Menschen den Weg durch diese Tür in all diesen Jahren gegangen sind - in welcher Funktion und mit welchen Absichten.

Schloss Eichbichl in Frauenneuharting: Schloss Eichbichl wie es heute von Rea und Ulrich von Raben und ihren vier Kindern bewohnt wird.

Schloss Eichbichl wie es heute von Rea und Ulrich von Raben und ihren vier Kindern bewohnt wird.

(Foto: Christian Endt)

Erstmals greifbar wird die Geschichte Eichbichls den Historikern mit einer gewissen Siguna Höhenkircherin von Eichbichl, die im Jahr 1330 einen namentlich nicht näher bekannten Hirschauer zu Hirschberg heiratete. Bis 1562 bleibt das Schloss in Besitz der Höhenkircher, die es schließlich für 1786 Gulden an Hieronymus Pronner verkaufen. Der Lizentiat der Rechte und Kanzler der Stände in Bayern erwirbt zu jener Zeit zahlreiche Höfe, Huben und Gründe in der Umgebung. Zwei weitere Generationen bleibt das 1528 in einer topographischen Beschreibung des Rentamtes München beschriebene "Eichbichl, Burg jenseits des desselben Baches" bei der Familie Pronner, dann kauft es 1605 das Jesuiten-Kolleg.

"Diese verstanden es in der weiteren Entwicklung nicht nur den Besitz der Hofmark zu wahren, sondern darüber hinaus auch die Niedergerichtsbarkeit über alle ihre einschichtigen Güter gegen die Einsprüche des Landgerichts Schwaben zu verteidigen", heißt es im "Heimatbuch Frauenneuharting" von Berthold und Bernhard Schäfer. Als Papst Clemens XIV. 1773 die Jesuiten aufhob, mussten auch die Ebersberger Jesuiten ihr Kloster und die angeschlossenen Hofmarken verlassen. Der gesamte Besitz wird der kurfürstlichen Hofkammer unterstellt - bis vier Jahre später Kurfürst Karl Theodor die Herrschaft übernimmt. Er lässt den Jesuiten die Malteser folgen - das Kreuz ihres Ordens ziert bis heute die Stuckdecke des Salons im ersten Stock.

Die Familie bewahrte das Schloss vor dem Verfall

Nach dem Abgang des Ritterordens 1808 wurde die Hofmark Eichbichl aufgelöst, das Schloss selbst stand mehrere Jahre leer. Von 1815 an gab es dann bis in die Gegenwart hinein verschiedene Besitzer. Dass aus der Ruine von 1908 oder aber dem "Restbau des Schlosses Eichbichl" wie die Schäfers es in ihrem Buch nennen, wieder ein ansehnliches Schloss wurde, liegt an "verschiedenen Renovierungsmaßnahmen", mit denen man das Gebäude "dem drohenden Untergang entriss". Maßgeblichen Anteil daran hat zweifelsohne die Familie von Raben, die Eichbichl vor 20 Jahren erwarb.

Rea (60) und Ulrich von Raben (62) lebten damals mit ihren vier Kindern im spanischen Pamplona. Ulrich von Raben entstammt dem mecklenburgischen Adelsgeschlecht der Raben, die unter der Herrschaft Napoleons vier Schlösser verloren. Als sich für den Physiker und die Allgemeinärztin nach drei Jahren in Spanien eine Rückkehr nach Deutschland abzeichnete, radelte Ulrich von Raben jeden Sonntag mit den Kindern in der Sonne Navarras zum Zeitungskiosk, um vier Eis und eine deutsche Zeitung zu kaufen. Daheim wurden dann die Immobilienanzeigen durchgekämmt. "Es wurde der Wunsch tradiert, wieder ein Schloss als Familiensitz einzurichten", erzählt Ulrich von Raben.

Das Ehepaar besichtigte diverse Objekte, irgendwann stand fest, dass der Familiensitz in Bayern liegen soll. Eichbichl schauten sie zweimal an. "Man könnte es sich ja nicht schöner malen", erinnert sich Ulrich von Raben an seinen ersten Eindruck. Die Lage sei schließlich entscheidend gewesen: "eine attraktive Nähe zu München - und eine attraktive Ferne". Gewiss nimmt das Paar auch den Sanierungsbedarf des Gebäudes wahr, doch "das kriegen wir hin" sagen sie sich mit einer ordentlichen Portion Gottvertrauen. 1995 erwarben sie die "Ruine mit Tünche" wie Rea von Raben sagt. Damals stand das Schloss bereits unter Denkmalschutz. Ulrich von Rabens Eltern ziehen in den ersten Stock, eine separate Wohnung im Erdgeschoss wird vermietet. Auf Schloss Eichbichl kehrt wieder Leben ein.

Vier Kinder erfüllen das alte Gemäuer mit ihrem Lachen

Schloss Eichbichl

Die Lithografie von Alois Sebastian Reichl zeigt das Schloss mit seinen zahlreichen Nebengebäuden im Jahr 1812.

(Foto: Historíscher Verein Frauenneuharting)

Fünf, acht, zehn und zwölf Jahre alt sind die Kinder, die hier jetzt über die eichernen Holztreppen jagen, die alten Gemäuer mit ihrem Lachen füllen. Die Familie richtet sich gemütlich und stilvoll zugleich ein. Den Flur schmücken Jagdtrophäen der Verwandtschaft aus Dänemark, im Salon prangt groß das Bildnis von Herzog Carl Eugen von Württemberg, dem Urururur-Großvater von Ulrich von Raben auf dem Kamin. Doch nichts wirkt aufgesetzt, in der Küche haben die Kinder rund um den kleinen Frühstückstisch über Jahre sogar die Wände beschriften dürfen. Nie im Leben würde Rea von Raben die schnörkeligen Spuren, die von kleinen Liebesbeweisen bis zu pubertärem Gekritzel reichen, überstreichen wollen.

Neben Arbeit und Familie hat sie zusammen mit ihrem Mann das Schloss Stück für Stück saniert. Zuerst den Kamin. Später die Fenster, zwischendrin die Fassade und das Dach und nebenher verschiedene Zimmer und Salons. Die Holzläden aller 39 Fenster hat Ulrich von Raben abgeschliffen und neu gestrichen. Seine Frau hegt und pflegt den Garten, in dem regelmäßig Rehe grasen. Tagsüber schallt ein Gezwitscher aus den Bäumen, dass es eine Freude ist. Vier Bäume haben einen Namen, nach dem Vorbild der Germanen. Tritt man aus dem Schloss heraus, steht man vor Yggdrasil, der Weltenesche. Ein gigantischer Baum, dessen freudigem Blättertanz man bei einer Tasse Tee aus dem Salon im zweiten Stock zusehen kann. An den mächtigen unteren Ästen baumelt eine Schaukel.

Energetisch auf den neuesten Stand gebracht

Der Anbau für die Garagen wurde vor drei Jahren fertig, zuletzt hat man den Innenhof pflastern lassen. Bei allen Maßnahmen richte man sich stets an der historischen Lage der Räume und Gebäude aus, betont Rea von Raben. Irgendwann, so der Plan, soll es wieder so sein, wie es ursprünglich einmal konzipiert war. Doch nicht nur das. Das Ehepaar von Raben will auf Schloss Eichbichl unabhängig von fossilen Energieträgern sein - bei einem derart alten Gebäude eine echte Herausforderung.

Der erste Schritt ist bereits gemacht: Im Rahmen der "Informationsoffensive Oberflächennahe Geothermie" des Bayerischen Umweltamtes in Hof haben die von Rabens vor drei Jahren 45 Wärmekollektoren in ihrem Garten fünf Meter tief vergraben lassen. Parallel wurde eine Wärmepumpe angeschafft und eine Wandheizung im Erdgeschoss installiert. Mit maximal 55 Grad fließt nun Wasser durch die Wandrohre. Die Wände sind trocken, die Räume angenehm temperiert. Nun soll der zweite Schritt folgen: Die Stromerzeugung durch Photovoltaik.

Auf das historische Dach passt keine Anlage, Rea und Ulrich von Raben dachten deshalb an Kollektoren an der Grundstücksgrenze. Ihr Vorantrag wurde vom Landesamt für Denkmalschutz und in dessen Folge auch von der Gemeinde und dem Landratsamt abgelehnt. Rea und Ulrich von Raben überarbeiten die Planung aktuell, sie glauben fest daran, dass es eine Möglichkeit zur Umsetzung im Konsens geben wird. An der Eingangstür zum Salon werden sie jeden Tag mehrmals mit einem Zitat von Oscar Wilde konfrontiert. "Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende."

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