Allein der Anblick der Fotos– der Arkadengang, der früher durch Bretter, heute durch Stahlpaneele vom Innenhof des Schlosses abgegrenzt wurde, der Blick in den einstigen Auskleideraum -, verursacht eine Erschütterung, die nur schwer fassbar ist. Es gab auch einen Untersuchungsraum im ehemaligen Vernichtungslager Hartheim, von dem aus die Menschen direkt in die Gaskammer gelotst wurden, einen Raum zur Lagerung des Gases und einen für die Leichen. Heute sind die Fotos frei im Internet verfügbar, in den 40-er Jahren, als die ehemalige Betreuungsanstalt in eine Tötungsstation umgebaut worden war, wurde sie von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Dass es jemandem gelang, in ihre Nähe zu kommen und sogar ein Foto des Schlosses Hartheim zu machen, wie der Bauer Karl Schuhmann, war eine Seltenheit.
Wohl noch am Tag seiner Verschickung wurde Josef Huber ermordet
Josef Huber und Johann Obermaier aber waren dort, kurz nur, sie müssen auch jene Räume kennengelernt haben, die von den Opfern des Regimes nur noch in eine Richtung verlassen wurden. Am 29. November 1940 wurde Josef Huber, geboren 36 Jahre und vier Tage zuvor in Raunstädt, Gemeinde Frauenneuharting, mit der Bahn nach Linz und mit dem Bus weiter bis zur Tötungsanstalt Hartheim gebracht. Wohl noch am gleichen Tag wurde er dort in der Gaskammer ermordet. Drei Wochen zuvor hatte Johann Obermeier, 50 Jahre alt, und ebenfalls in Frauenneuharting zu Hause, das gleiche Schicksal erlitten. Getötet durch Kohlenmonoxyd, das durch ein Rohr in den Raum, der kaum verändert wurde und heute von Besuchern der Gedenkstätte über einen Steg betreten werden kann, eingeleitet worden war.
Wie viel die beiden Männer, deren Schicksal der Grafinger Stadtarchivar und Museumsleiter Bernhard Schäfer recherchiert hat, von ihren letzten Augenblicken mitbekommen haben, ist nicht überliefert. Der Patient Obermaier, dem der Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Gabersee, Friedrich Utz, im Patienten-Meldebogen für die „Euthanasie“-Zentrale in Berlin „Schizophrenie“ im Endzustand bescheinigte, sei „sprachlich verworren“, seine Arbeitsleistung „minderwertig“, so zitiert ihn Schäfer. Auch Josef Huber war ein Jahr lang Patient in Gabersee gewesen. Er litt an Epilepsie, die Zahl seiner Anfälle hatte sich im Laufe dieses Jahres auf etwa 15 pro Monat erhöht.

„Euthanasie“-Gutachter aus der Hauptstadt trafen die Entscheidung über das von den Nationalsozialisten sogenannte „unwerte“ Leben, ohne ihre Opfer jemals selbst gesehen zu haben. Ihre Unterschrift besiegelte ihr Schicksal, auch die der beiden Männer aus Frauenneuharting. Ihre Namen kamen auf eine „Verlegungsliste“, hat Historiker Schäfer recherchiert.
Etwa 30 000 Menschen starben in den Jahren 1940 bis 1944 in der eigens eingerichteten Gaskammer in Hartheim, psychisch Kranke, Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, aber auch Häftlinge aus Konzentrationslagern, die nicht mehr arbeiten könnten, Zwangsarbeiter aus Osteuropa und der damaligen Sowjetunion, heißt es auf der Homepage des heutigen Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim.
Johann Obermeier gehörte zu einer Gruppe von insgesamt 120 Patienten aus Gabersee, die gemeinsam nach Hartheim geschickt wurden und dort zu Tode kamen. „Am 7. November 1940 musste Johann Obermaier mit 119 weiteren Gaberseer Patienten, 59 männlichen und 60 weiblichen ‚Pfleglingen‘, die am Straßenübergang nach Gern bereitgestellten Zugwaggons besteigen“, hat Schäfer in seinen Unterlagen vermerkt.
Der Historiker hat die Lebensdaten der beiden Männer zusammengetragen. Seit Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Schicksale von Opfern der NS-Herrschaft und speziell des Euthanasieprogramms nachzuzeichnen, er hat 2023 eine Sonderausstellung über Opfer aus dem Ebersberger Raum organisiert und war bis dahin auf ungefähr 240 Fälle von Zwangssterilisation und 30 „Euthanasie“-Morde gekommen.
Um Blutreinhaltung war es den Nationalsozialisten gegangen. Kranke Menschen hatten im sogenannten „Volkskörper“ keinen Platz. Auch nicht Josef Huber und Johann Obermaier.
Von seiner Recherche, seinen Unterlagen und weiteren Einzelheiten der Schicksale der beiden Männer berichtet Schäfer in einem Vortrag im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Heimatvereins Frauenneuharting.
Die Jahreshauptversammlung findet am Freitag, 28. Juni, im Stüberl des Feuerwehrhauses Frauenneuharting, Dorfstraße 7, statt. Beginn ist um 19.30 Uhr. Auch interessierte Nichtmitglieder sind willkommen.