Frauenneuharting:Auf der Suche nach verborgenen Heiligen

Mit Hilfe eines Laserscanners holt der Kunsthistoriker Gerald Dobler in der Haginger Kirche gotische Fresken ans Licht.

Rita Baedeker

Frauenneuharting - Manchmal genügen scharfe Augen, Geduld und eine gute Lichtquelle, um auf eine große Entdeckung zu stoßen. Den Wasserburger Kunsthistoriker Gerald Dobler, der seit eineinhalb Jahren die kleine Filialkirche Sankt Leonhard in Haging bei Frauenneuharting erforscht, führten seine Leidenschaft für Wandmalereien und eine Taschenlampe auf die Spur verborgener gotischer Fresken, die sich hinter Darstellungen aus der Zeit um 1600 verstecken.

Frauenneuharting: Der Kunsthistoriker Gerald Dobler erforscht die Haginger Kirche.

Der Kunsthistoriker Gerald Dobler erforscht die Haginger Kirche.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In dieser Zeit wurden - wie es häufig in Kirchen geschah - die älteren Bilder übermalt. Gründe für diese aus heutiger Sicht unbegreifliche Zerstörung mag es mehrere gegeben haben: Sei es, dass eine Kirche zu einem anderen Schutzheiligen wechselte und dies im Bildprogramm zum Ausdruck gebracht werden musste; sei es, dass eine Renovierung anstand, ein Umbau im Stil der Zeit.

In der um das Jahr 1000 erstmals erwähnten Kirche gibt es Fresken aus zwei verschiedenen Epochen. Einige stammen aus dem frühen 15. Jahrhundert, andere aus der Zeit um 1600. Erst in den Fünfziger Jahren wurden sie freigelegt. Die jüngeren, so Dobler, sind in Secco-Technik gearbeitet und blasser als die hervorragend erhaltenen "al fresco", also nass in nass, gemalten gotischen Darstellungen.

Zunächst nahm Dobler nur seine Taschenlampe mit, wenn er nach Haging fuhr, und leuchtete in schrägem Winkel die Wände an. Und siehe da! Im Streiflicht zeigten sich verräterische Spuren - Ritzungen, Kanten im Putz, Rahmen, rätselhafte Linien, angedeutete Gewand- und Bauformen, deren Umrisse mit den aktuellen Darstellungen in keiner Weise übereinstimmten. Dann rückte er den Bildern mit einem Laserscanner zu Leibe. Und fand unter den Farben und Formen Motive aus gotischer Zeit. Es zeichnete sich zum Beispiel ein Nimbus ab, Umrisse eines Baldachins nahmen Gestalt an. Unter der Darstellung des Heiligen Leonhard verberge sich höchstwahrscheinlich die Szene des "Marientods", sagt Dobler, der eine ganze Bildserie gotischer Fresken aus anderen Kirchen gesammelt hat, um die neu entdeckten Motive mit anderen Darstellungen aus der Zeit zu vergleichen. Dass die Gottesmutter das Patrozinium an einen einfachen Heiligen abtreten musste, hatte sicher praktische Gründe. Den Bauern war Leonhard als Hüter von Vieh und Hof vermutlich noch wichtiger als die Madonna. Eine Tafel mit Hufeisen in der Kirche - vielleicht einstige Votivgaben - erinnert an den Kult um den Heiligen.

Andere Darstellungen wiederum, so Dobler, illustrieren zwar genau dieselbe biblische Geschichte wie ihre älteren Vor-Bilder, sind aber in Stil und Komposition völlig anders. Unter der heute sichtbaren "Anbetung der Könige" zum Beispiel - befindet sich eine zweite Anbetung. Allerdings unterscheiden sich Bildaufbau und Haltung der Figuren erheblich.

Mit Hilfe des Laserscanners, der Oberflächen rasterartig abtastet und ein dreidimensionales Bild erzeugt, will Dobler in detektivischer Kleinarbeit die verborgenen Heiligen ans Licht bringen und diese auf dem Bildschirm rekonstruieren. Das Gerät erlaubt verschiedene Darstellungen der Bilder - mal als Oberflächenreliefs, die jede noch so feine Struktur offenlegen, mal als Vollbild mit allen Farben. Die Technik ist seit längerem erprobt. Sie wurde beispielsweise bei der in der Ausstellung "Kreuz und Kruzifix" 2005 in Freising gezeigten Replik des kostbaren Schaftlacher Kruzifixes angewandt, die mit Hilfe eines Laserscanners gefertigt wurde. Doblers mit Taschenlampe und Zeichenstift dokumentierter Befund wurde von den ersten Ergebnissen, die der Scanner lieferte, bestätigt. Ein Beitrag über die Haginger Fresken ist im nächsten Jahrbuch des "Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg" geplant.

Vergangenen Donnerstag hat der Kunsthistoriker sein Vorhaben im Gemeinderat von Frauenneuharting vorgestellt. Von den Kosten, die etwa 6500 Euro betragen, wird die Gemeinde 2500 Euro übernehmen, wie Bürgermeister Josef Singer erklärte. Für den Restbetrag werden Sponsoren gesucht. "Das Projekt ist für uns sehr wertvoll", betonte Singer. In zwei bis drei Monaten wird Dobler beginnen. "Die Arbeit in der Kirche dauert nur wenige Tage, aber die Aufbereitung der Daten nimmt viel Zeit in Anspruch." Um den Schatz zu dokumentieren und sichtbar zu machen, werden die Scannerbilder noch einmal grafisch verstärkt.

Die Entdeckung verschaffe der Kunstgeschichte neue Erkenntnisse über Zustand, Komposition, Darstellung und Inhalt der gotischen Malereien in Haging, sagt Dobler. Und bringt einen Freskenzyklus ans Licht, der sonst für immer verborgen und vergessen geblieben wäre.

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