31. Frauenlisten-Bundeskongress:"Es gibt Gemeinden ohne eine einzige Mandatsträgerin"

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Seit 15 Jahren ist Regine Müller Vorsitzende des Vereins "Frauen für Moosach" - der einzigen Frauenliste im Landkreis Ebersberg. (Foto: Ralf Blechschmid (oh))

In Moosach kommen nun Kommunalpolitikerinnen aus ganz Deutschland zu einem Kongress zusammen - Veranstalter ist der Verein "Frauen für Moosach". Hier spricht dessen Vorsitzende Regine Müller über die Notwendigkeit von weiblicher Beteiligung.

Interview von Johanna Feckl, Moosach

Moosach hat im Vergleich zu allen anderen Kommunen im Landkreis Ebersberg ein Alleinstellungsmerkmal: Dort ist die einzige Frauenliste angesiedelt, der Verein "Frauen für Moosach". Diese Seltenheit ist allerdings kaum verwunderlich: In ganz Bayern gibt es nur 23 Frauenlisten mit mindestens einem Mandat. Am kommenden Wochenende trägt der Moosacher Verein den 31. Bundeskongress der Frauenlisten aus. Vorsitzende Regine Müller über die Notwendigkeit solcher Listen und über den Status quo von Frauen in der Politik im Landkreis.

SZ: Frau Müller, mittlerweile besetzen viele Parteien ihre Wahllisten paritätisch mit Männern und Frauen, die Bundesvorstände von Grünen und SPD werden seit einiger Zeit von einer gemischten Doppelspitze geleitet. Sind in solchen Zeiten Frauenlisten noch zeitgemäß?

Regine Müller: Frauenlisten gibt es vorwiegend in ländlichen Kommunen - dort herrscht oft noch ein sehr konservatives Denken, was die Beteiligung von Frauen in der Politik anbelangt. Schließlich liegt der Frauenanteil in politischen Gremien auf dem Land wie beispielsweise im Kreis Erding meist bei um die 20 Prozent - wenn überhaupt! Es gibt auch Gemeinden ohne eine einzige Mandatsträgerin. Bei einem solch hohen Ungleichgewicht sind Frauenlisten unbedingt notwendig.

Wäre es nicht besser, die Strukturen der Orts- und Kreisverbände von Parteien so zu verändern, dass Frauen und Männer gleich stark vertreten sind?

Auf dem Land gibt es leider häufig keine Listen von Parteien, die auf Landes- und Bundesebene vertreten sind. Bei uns in Moosach zum Beispiel gibt es keine Grünen, keine SPD, keine FDP, keine ÖDP. So geht es vielen Kommunen, das ist keine Moosacher Eigenart. Das sind jedoch häufig die Parteien, die schon seit einiger Zeit ihre Wahllisten paritätisch besetzen. Wenn man sich also auf der einen Seite genau das wünscht - was wir in unserem Verein alle tun - aber es auf der anderen Seite diese Parteien in einem Ort gar nicht gibt, dann brauchen wir Frauenlisten. Denn sie sind ein Garant dafür, die weibliche Beteiligung in den Gremien zu erhöhen oder mancherorts überhaupt erst zu bilden.

Am bevorstehenden Wochenende richtet der Verein den 31. Bundeskongress kommunaler Frauenlisten aus. Wie kam das zustande?

Seit Jahren nehmen wir selbst am Bundeskongress teil. Die Kongresse werden von der Basis organisiert, also von einzelnen Frauenlisten. Das finden wir wichtig und gut - und so wollten wir den Stab auch gerne einmal übernehmen.

Wie viele Teilnehmerinnen erwarten Sie?

Aktuell sind 35 Mandatsträgerinnen und Delegierte angemeldet. Hinzu kommen noch die Mitglieder unseres Vereins. Wir haben ehrlicherweise mit etwas mehr gerechnet - normalerweise kommen etwa 80 Frauen. Durch das weitestgehende Brachliegen in den vergangenen zwei Jahren haben sich einige Veranstaltungen angesammelt, aber niemand kann sich zweiteilen. Außerdem ist die Pandemie nicht vorbei, und so meiden einige weiterhin größere Menschenansammlungen.

Über welche Themen werden Sie beim Kongress sprechen?

Wir haben das Programm selbst gestaltet, deshalb ist uns im Grunde jeder Vortrag sehr wichtig. Aber auf die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundeswirtschaftsministerin, Bärbel Kofler, sind wir zum Beispiel schon äußerst gespannt. Sie wird darüber referieren, warum eine feministische Entwicklungspolitik die Gesellschaft voranbringt und wird hier von konkreten Projektbeispielen berichten. Außerdem spricht Martina Wegner über Bürgerbeteiligung als Grundpfeiler der Demokratie sowie über deren Chancen und Risiken - sie ist Professorin an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München.

Sind die Gegebenheiten auf kommunaler Ebene überhaupt vergleichbar - vom tiefsten Bayern bis in den hohen Norden?

Ja, der Erfahrungsaustausch ist enorm wichtig und wertvoll. Schwierigkeiten bei Themen wie Verkehr, Infrastruktur oder Kinderbetreuung im ländlichen Raum sind überall ähnlich. Hinzu kommt, dass Frauenlisten im Allgemeinen einige gemeinsame Ziele verfolgen, zum Beispiel Frauenförderung, die Parité oder das Schaffen von Hilfsangeboten wie Frauenhäuser.

Seit der vergangenen Kommunalwahl 2020 gibt es statt einer nun vier Bürgermeisterinnen im Landkreis Ebersberg - also um 300 Prozent mehr. Zufall oder Zeitenwende?

Unser Landkreis liegt beim Thema Frauen im Vergleich zu anderen recht gut im Rennen. So liegt im Ebersberger Kreistag der Frauenanteil bei fast 43 Prozent - im bayerischen Durchschnitt sind es knapp 30 Prozent. Ich denke nicht, dass das ein Zufall ist: Wir haben eine starke Frauen-Union, ebenso wie tolle Frauen von Grünen und SPD - und das schon seit Jahrzehnten. Diese erfolgreichen Vorbilder von Kommunalpolitikerinnen sind ein Signal, das auch das Bürgermeisteramt für Frauen attraktiv gemacht hat. Und auch das Rollenklischee vom Mann im Rathaus-Chefsessel weicht sich bei Wählerinnen und Wählern mehr und mehr auf, viele Menschen wählen mittlerweile einfach Frauen. Aber klar ist trotzdem: Es ist noch ein weiter Weg, bis wir bei 50 zu 50 angekommen sind - auch im Landkreis Ebersberg.

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