Frauenhaus:Mehr Gewaltschutz für den Landkreis Ebersberg

Millionenprogramm zum Schutz vor häuslicher Gewalt

Symbolfoto.

(Foto: Mikko Stig/dpa)

Der Bedarf an Frauenhausplätzen ist hoch, das Angebot klein. Das soll sich ändern.

Von Simon Groß, Ebersberg

Der Landkreis will mehr Rückzugsräume für Frauen und Kinder schaffen, die unter häuslicher Gewalt leiden. Außerdem ist geplant, das Angebot an Wohnungen auszuweiten, in die betroffene Frauen und Kinder längerfristig einziehen können. Bislang unterhält der Landkreis im Verbund mit Erding ein Frauenhaus mit fünf gemeinsamen Plätzen und stellt eine Notwohnung zur Verfügung. Wie die zusätzlichen Angebote konkret umgesetzt werden und ob der Landkreis zukünftig ein eigenes Frauenhaus bekommt, bleibt jedoch unbeantwortet. Die Maßnahmen sind Teil des umfangreichen Programms "Gesamtkonzept für Hilfe bei häuslicher und sexualisierter Gewalt", das der Kreistagsausschuss für Soziales, Familie, Bildung, Sport und Kultur (SFB) in seiner jüngsten Sitzung beschlossen hat.

Dem Beschluss vorausgegangen war eine ausführliche Diskussion, die weniger zwischen den Kreisräten als vielmehr zwischen diesen und der Verwaltung stattfand. Kreisrätin Ilke Ackstaller (Grüne) beklagte, dass das gemeinsame Frauenhaus in Erding kontinuierlich voll sei: "Es muss mehr Plätze geben. Ich habe schon gehört, dass Frauen nach Franken geschickt wurden." Martin Ache, Vorsitzender der Außenstelle des Weissen Rings in Ebersberg, bestätigt das Problem am Telefon: "Wir mussten manche Frauen auch schon in Pensionen unterbringen, weil in Erding oder München keine Plätze mehr zur Verfügung standen. Manchmal telefonieren wir bis nach Rosenheim." Kreisrätin Renate Will (FDP) kritisierte im Ausschuss ebenfalls die aktuelle Situation mit Blick auf den Nachwuchs: "Viele Frauen nehmen das Angebot oft erst an, wenn die Kinder bedroht werden, dann gibt es aber nicht genügend Platz für die Familie." Das gelte auch für die Notwohnung des Landkreises, sagt Anglea Rupp vom Frauennotruf Ebersberg. Die Wohnung, in die Frauen übergangsweise ziehen könnten, wenn die Gefährdungslage es zulasse, sei sehr klein und biete maximal Platz für eine Frau mit einem Kleinkind.

Marion Wolinski vom Ebersberger Landratsamt betont, dass die Suche nach neuen Möglichkeiten der Unterbringung laufe, aber dass die Verwaltung die Aufgabe nicht im Alleingang bewältigen könne. Es brauche Zeit, um das nötige Fachpersonal einzustellen und außerdem müssten zunächst entsprechende Träger gefunden werden. Diese warteten momentan aber noch auf Förderrichtlinien, derzeit sei die Finanzierung oft noch unklar. Grundsätzlich steht zur Debatte, ob der Landkreis weiterhin im Verbund mit Erding ein gemeinsames Frauenhaus betreiben will oder ob Ebersberg zukünftig ein eigenes bekommt.

Aktuell stehen in Erding fünf Plätze für beide Landkreise zur Verfügung, deren Kosten sie sich paritätisch teilen, unabhängig davon, wie viele Frauen aus dem jeweiligen Landkreis dort untergebracht sind. Bis März 2022 läuft der Vertrag mit Erding noch. Angela Rupp, die den Frauennotruf Ebersberg leitet, gibt zu bedenken, dass es nicht einfach sei, einen geeigneten Ort für ein Frauenhaus zu finden. Schließlich müsse die Adresse des Ortes geheim bleiben, es müsse trotzdem gut angebunden, aber auch mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen wie etwa speziellen Schlössern ausgestattet sein.

Dabei sind die Bedingungen für den Ausbau der Frauenhausplätze denkbar gut. Die Bayerische Staatsregierung hat im August dieses Jahres eine neue Förderrichtlinie erlassen, die den Bedarf der Landkreise höher ansetzt als früher. Während zuvor pro 10 000 Einwohnerinnen zwischen 16 und 60 Jahren ein Frauenhausplatz zur Verfügung stehen sollte, wurde die Altersgrenze nun auf 80 Jahre erhöht. Da der Schlüssel aber nahezu gleich geblieben ist (10 327 zu eins), ergibt sich im Fall Ebersberg eine neue förderfähige Anzahl von 5,25 Plätzen - was der doppelten Menge der derzeit zur Verfügung stehenden Plätze des Landkreises entspricht. Im Verbund könnten Ebersberg und Erding damit zehn Plätze förderfähig bereitstellen. Die neue Richtlinie ist Ergebnis des sogenannten Drei-Stufen-Plans, den der bayerische Landtag im April 2016 verabschiedet hat und eine kurz-, mittel- und langfristige Förderung von Hilfsmaßnahmen für Familien, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, vorsieht. Die Richtlinie umfasst auch Förderungen im Personalbereich. Anlass der Gesetzesinitiative waren die Ergebnisse einer vom Freistaat in Auftrag gegebenen Studie, die im Februar 2016 veröffentlicht wurde. Die Zahlen darin: alarmierend. Etwa 35 Prozent mehr Frauenhausplätze müsse der Freistaat zur Verfügung stellen, um dem bestehenden Bedarf gerecht zu werden.

Entwickelt worden sei das Konzept des Kreistags aber unabhängig von den Plänen des Freistaates, sagt Wolinski im Gespräch. Anlass dafür waren zwei Anträge, welche die Kreistagsfraktionen der Grünen und der SPD Anfang 2018 eingebracht hatten. Damals forderten die Grünen ein umfassendes Konzept zu Beratung, Schutz und Unterkunft von Frauen und Kindern mit Gewalterfahrung. Die SPD setzte sich für den gezielten Ausbau von Frauenhausplätzen sowie Übergangs- und Notwohnungen ein. Zur Ausarbeitung des Konzepts wurde ein Runder Tisch einberufen, an dem neben Vertretern von Politik, Verwaltung und Polizei, die für den Schutz der Betroffenen sorgenden Einrichtungen wie etwa der Frauennotruf Ebersberg, das Frauenhaus in Erding oder der Verein Weisser Ring teilnahmen.

Um den betroffenen Frauen und ihren Kindern auch längerfristig helfen zu können, ist in dem Konzept, neben dem allgemeinen Auftrag sich für mehr Wohnraum einzusetzen, auch die Umsetzung eines sogenanntes Second-Stage-Projekts angeführt. Darin sollen Frauen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus bei der Wohnungssuche und Behördengängen, aber auch psychisch unterstützt werden. Nächste Woche soll die Entscheidung fallen, ob der Freistaat das Projekt in Ebersberg bis Juni 2021 fördern wird.

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