Süddeutsche Zeitung

Fortbestand gefährdet:Der Weinbeisser in Anzing sucht einen neuen Wirt

Die beiden Münchner Gastronomen wollen die Verantwortung für das Lokal abgeben. Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden.

Von Anja Blum, Anzing

Der Weinbeisser in Anzing ist nicht nur eine wunderbare Kleinkunstbühne, wo man Musik und Kabarett aus nächster Nähe erleben kann, nein, er ist auch und vor allem ein Zuhause. Zu verdanken hat er das zum einen seinem guten Geist Conny Hoffmann, und zum anderen seiner besonderen Architektur: In der vormaligen Bauernstube herrscht eine Atmosphäre der Offenheit und Herzlichkeit, die ihresgleichen sucht. Trotzdem ist das kulturelle Kleinod nun - mal wieder - in Gefahr.

Die beiden Münchner Wirte, die das Lokal vor zwei Jahren übernommen haben, wollen die Verantwortung dafür abgeben, zu schwierig sei der Spagat zwischen ihren Lokalen und Familien in der Landeshauptstadt einerseits und dem Bögelhof in Anzing andererseits. "Ich habe schon lange ein schlechtes Gewissen, weil man in den Weinbeisser mehr Energie reinstecken könnte und sollte", sagt Gastronom Stefan Oelze. "Ich mache das einfach zu sehr nebenher."

Deswegen wolle er zum Jahresende auf jeden Fall aussteigen, obwohl der Betrieb der Kleinkunstbühne "riesen Spaß" mache. Sein Kollege Dirk Zeilmann könne sich ein weiteres Engagement in Anzing zwar vorstellen - aber auf keinen Fall alleine. "Deswegen suchen wir jetzt jemanden, der Lust auf den Weinbeisser hat, am besten aus Anzing oder Umgebung."

"Der Weinbeisser ist nicht irgendeine Kneipe, sondern eine Institution"

Und nicht nur die beiden Gastronomen sind auf der Suche nach Ersatz, auch Conny Hoffmann, jener Film-und Theatermacher, der den Weinbeisser vor 30 Jahren gegründet hat, und Herbert Westermeyer, der Besitzer des Bögelhofs, wollen auf keinen Fall, dass das Kultlokal seine Türen zum Jahresende schließen muss. Der Weinbeisser sei schließlich "nicht irgendeine Kneipe, sondern eine Institution", sagt Hoffmann. Doch seit er die Geschäfte 2005 abgegeben mussten die Freunde der "kleinsten Bühne der Welt" immer wieder um deren Fortbestand bangen.

Auch in Zukunft werde er selbst gerne das dortige Kulturprogramm gestalten, sagt Hoffmann, doch die Rolle des Wirtes wolle er auf keinen Fall wieder übernehmen: "Um Gottes Willen! Ich werde bald 80 - und habe noch jede Menge anderer Pläne", sagt er und lacht. Bis Mai 2019 hatte Hoffmann die kommende Veranstaltungsreihe im Weinbeisser bereits geplant, nun musste er alle Abende im nächsten Jahr erst einmal absagen. Fest stehen nurmehr vier Termine von September bis Dezember.

Das Problem: Den Weinbeisser kann - jedenfalls in den Augen aller Akteure - nicht irgendjemand übernehmen. Hoffman bringt es auf den Punkt: Dafür brauche es einen Liebhaber, dem es nicht um die große Kohle gehe. "Derjenige muss die Philosophie des Weinbeissers verstehen."

Auch für Westermeyer ist das Lokal eine "kleine, feine Sache", deren Besonderheit in der Kommunikation unter den Gästen liege: "Diese kleine Stube bringt die Leute zusammen, man redet dort einfach ganz ungezwungen miteinander." Für Oelze und Zeilmann, die eigentlich die Idealbesetzung seien, zeigt Hoffmann Verständnis. Wenn man derart zwischen den Stühlen sitze, sei es sehr schwierig, gerade in der Gastronomie.

Im Betrieb selbst liegt die Entscheidung offenbar nicht begründet: Das Lokal sei immer gut besucht, die Veranstaltungen meistens ausgebucht, sagt Hoffmann. "Außerdem ist der Bögelhof ein tolle Location für private Feste", fügt Oelze hinzu. Die Stube mit Bühne und Bar wurde erst vor zwei Jahren liebevoll renoviert, hinzu kommt der Hof für Veranstaltungen unter freiem Himmel. "Es ist eigentlich alles da", sagt Westermeyer. Nicht nur für den Besitzer ist es kaum vorstellbar, dass sich die Türe des Weinbeissers einmal endgültig schließt. Und bislang hat sie ja auch jedes Mal doch wieder jemand geöffnet.

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SZ vom 14.08.2018/koei
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