Klimaerwärmung:Sabotage im Ebersberger Forst

Klimaerwärmung: Zerschnittene Baumsetzlinge im Ebersberger Forst, entdeckt am Montagmorgen.

Zerschnittene Baumsetzlinge im Ebersberger Forst, entdeckt am Montagmorgen.

(Foto: Forstbetrieb Wasserburg)

Im Wald werden nach den Sturmschäden 2021 Baumarten gepflanzt, die dem Klimawandel mehr Widerstandskraft entgegensetzen sollen. Jemand mit scharfem Gegenstand hat offenbar etwas dagegen.

Von Korbinian Eisenberger, Kirchseeon

Manchmal tun sich Löcher auf, für die kein Mensch etwas kann. Dieser Fall aber dürfte anders gelagert sein: Denn die Löcher, um die es geht, schauen aus, als hätte da jemand die Schärfe seiner Klinge getestet. Oder wie der Förster Daniel Fraunhoffer es ausdrückt: "Es sind mehrere Schichten feste Folie, da kommt man nur mit einem spitzen Cutter oder Messer durch."

Im Ebersberger Forst sollen eigentlich in diesen Wochen die Löcher in den Westteilen des Waldes gestopft werden: Wo der Sturm im Sommer 2021 seine Spuren hinterließ, sollen neue Pflanzen wachsen. Der Forstbetrieb Wasserburg hat sich zu diesem Zweck Paletten mit verpackten Baumschulsetzlingen liefern lassen. Die Pflanzen stehen auch nach wie vor im Forst, allerdings ist die Schutzfolie an mehreren Stellen aufgeschnitten. Zwei Fragen stellen sich: Warum diese Schnitte? Und warum das Plastik?

Vom Forstbetrieb ist am Montag zu erfahren, dass die Plastikfolien nicht nur für die Anlieferung einen Zweck erfüllen. Es handle sich vielmehr um ein "effizientes Verfahren, um die Pflanzen frisch zu halten", wie Forstbetriebsleiter Heinz Utschig mitteilt. "Sinn dieser Verpackung ist, dass die Wurzeln der Pflanzen nicht austrocknen."

"Vielleicht hat es einer gut gemeint, aber das ist völlig nach hinten losgegangen."

Hintergrund ist, dass die Natur mit ihren Tieren, Gräsern und Wälder in der Region um München abermals äußerst dürre Frühjahrsmonate zu überstehen hat. Bayerns Forstbetriebe und Privatwaldbesitzer müssen deswegen einen noch höheren Aufwand betreiben. Etwa bei dem Ziel, den Rückbau der Wälder von Mono- zu einstigen Mischkulturen voranzutreiben. So wie nun im Ebersberger Forst.

Daniel Fraunhoffer ist einer der dienstältesten Revierförster im Ebersberger Forst. Rund um Kirchseeon hat der 62-Jährige den Bäumen jahrzehntelang bei Wachsen zugesehen. Manchmal aber ist es in wenigen Sekunden um sie geschehen. Bei einem Sturm - oder bei anderen Attacken.

Klimaerwärmung: Daniel Fraunhoffer, 62, Revierförster in Kirchseeon.

Daniel Fraunhoffer, 62, Revierförster in Kirchseeon.

(Foto: Christian Endt)

Am Montag machte Fraunhoffer eine jener Entdeckungen, die Waldarbeitern wie ihm das Leben erschweren: Schlitze in der Schutzschicht. "Bei der gesamten Anlieferung von letzter Woche", sagt er. Vier Paletten mit insgesamt mehreren tausend Baumsetzlingen. "Hauptsächlich Eichen und Buchen", sagt Fraunhoffer. Hitzerobuste Laubbäume also. Viel Geld sei investiert worden, allein für diese Charge um die 10 000 Euro. Durch den Lufteintritt seien die Wurzeln der äußeren Setzlinge nun ausgetrocknet. Er hoffe, so der Förster, "dass wir noch einiges retten können".

Woran man erkennt, dass ein Setzling nicht mehr wachsen wird

Da der oder die Hersteller dieser Löcher auf ein Bekennerschreiben verzichteten, suchen die Staatsforsten selbst nach möglichen Erklärungen. Womöglich hatten die Saboteure tatsächlich im Sinn, die Pflanzen zu befreien. Etwa, weil sie die Verpackung womöglich weniger als Sonnenschutz wahrnahmen denn als Freiheitsentzug. "Vielleicht hat es einer gut gemeint, aber das ist völlig nach hinten losgegangen", sagt Forstchef Utschig. Die Folienverpackung schade den Pflanzen nicht, sie nutze ihnen. Man empfehle dringend, weitere Durchlöcherungs-Aktionen zu unterlassen.

Klimaerwärmung: Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebs Wasserburg.

Heinz Utschig, Leiter des Forstbetriebs Wasserburg.

(Foto: Christian Endt)

Bei Setzlings-Pflanzen gibt es zwei Indikatoren, an denen man erkennt, ob sie kaputt sind: Wer mit dem Fingernagel an der Rinde kratzt, stößt unter der Rinde auf eine dünne Gewebeschicht. "Bei einer gesunden Pflanze leuchtet diese Schicht grün", so Fraunhoffer. Ist das Grün verblasst, wird der Setzling nicht mehr wachsen. Auch schlecht: "Wenn die Wurzeln ganz weiß sind, ist die Pflanze hinüber."

Die Waldarbeiter sind nun dabei, die Paletten komplett zu enthüllen und die tausende Setzlinge mit feuchter Erde zu bedecken. Erhalten, was zu erhalten ist. Jene, die durchkommen, sollen dann helfen, doch noch die eigentlichen Löcher in Daniel Fraunhoffers Revier zu stopfen. Der Stellplatz für die verpackten Setzlinge in seinem Revier, der könnte schon bald videoüberwacht werden. Vom Forstbetrieb heißt es, dass man gerade darüber nachdenke.

Den Revierförster Daniel Frauenhoffer macht vor allem diese Frage nachdenklich: Wer macht sowas? Und warum? "Man kann in die Köpfe der Leute nicht hineinschauen", sagt er. Und man muss kein Ast sein, um einen geknickten Eindruck zu hinterlassen.

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