Forschungsprojekt im Ebersberger Forst:Tierischer Wohnungsmarkt

Im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit hat Lukas Hofmann untersucht, von welchen Lebewesen verlassene Spechthöhlen genutzt werden. Dabei sind ihm einige erstaunliche Aufnahmen gelungen

Von Christian Bauer

Lukas Hofmann deutet auf ein Loch hoch oben im Stamm einer Buche. Ein Paradebeispiel für eine Schwarzspechthöhle: Geschätzt elf Meter hoch, knapp unterhalb der Krone, sodass ein Marder nicht von unten hineinklettern und ein Raubvogel nicht davor landen kann. Mit einem Ast kratzt der 24-jährige Forstanwärter am Stamm. Etwaige Bewohner gehen, wie er erklärt, bei dem Geräusch von einem kletternden Raubtier aus, und spähen daher aus dem Höhleneingang heraus. Pech, heute ist niemand zuhause - aber die Brutzeit dauert ja noch eine Weile an.

Hofmann kennt diese Höhle im Ebersberger Forst gut. Ein Jahr lang hing dort eine seiner selbstauslösenden Wildkameras - genau wie an 14 weiteren Bäumen sowohl hier im Ebersberger als auch im Höhenkirchener und Hofoldinger Forst, im Forstenrieder Park und in Wolfersberg. Von Februar 2017 an entstanden daraus etwa 30 000 Fotos - ein großer Teil davon zwar Fehlauslösungen, dennoch auch eine beträchtliche Menge an Schnappschüssen ein- und ausgehender Tiere. Das Ganze geschah im Rahmen einer Bachelor-Arbeit zum Thema Nutzung von Schwarzspechthöhlen.

Hofmann ist einer von drei Autoren dieser Arbeit. Mitkommilitone Yannick Heller ist danach auf Weltreise gegangen, Patrick Bilan hat bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) angefangen.

Im Laufe des Projekts kristallisierte sich der Raufußkauz - oder auch Perleule - als zentrales Beobachtungsobjekt heraus. Beide Namen des Raubvogels sind sehr passend gewählt. Hofmann zufolge sind seine Füße und Krallen ungewöhnlich stark befiedert, und die Flügel weiß gepunktet. Als klassische Waldart für Nadelwälder diesen Höhenniveaus habe sich der Kauz perfekt für die Arbeit geeignet. Ziel war es, Erkenntnisse über Brutzeitraum und -verhalten oder die Folgenutzung der Höhlen aus den Beobachtungen abzuleiten. Daraus ergab sich zum Teil Erstaunliches: Wird eine Höhle frei, so ist im Regelfall binnen weniger Stunden ein "Nachmieter" eingezogen. Anderes kommt weniger überraschend, etwa, dass der Bruterfolg mit der Sicherheit der Höhle zusammenhängt. Durch eigens aufgestellte Brutkästen fand man zudem heraus, dass diese zwar gern angenommen, natürliche Höhlen in der Regel aber bevorzugt werden.

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Der Raufußkauz kristallisierte sich als zentrales Beobachtungsobjekt in Lukas Hofmanns Studie heraus. Ziel war es, Erkenntnisse über Brutzeitraum und Brutverhalten der kleinen Eulenart abzuleiten. Dabei haben die Studenten teilweise Erstaunliches entdeckt.

(Foto: Rudolf Schmidt/oh)

Den Schwarzspecht bezeichnet Hofmann als "Leitart". Wo er vorkomme und Höhlen baue, seien auch andere Arten imstande zu brüten, indem sie die verlassenen Behausungen übernehmen. Welches Tier in welche Höhlen einzieht, "das wird immer wieder neu ausgefochten". Dass Höhlen leer bleiben, kommt hingegen so gut wie nie vor. Wenn keine Raubvögel sie sich unter die Nägel reißen, dann eben Fledermäuse, Meisen oder Bienenvölker. Der Raufußkauz ist auf die Höhlen des Schwarzspechts angewiesen. Mit zehn bis 15 Zentimetern Durchmesser haben die Eingänge genau die richtige Größe, sodass sie selbst hineinpassen, größere Räuber jedoch nicht. Zudem ist das Loch oben abgeschrägt, damit es nicht hineinregnen kann. Solche Höhlen findet man so gut wie ausschließlich an Buchen, die mit ihrer glatten Rinde Schutz vor Kletterfeinden bieten.

All das erzählt Hofmann leidenschaftlich. Die Verbundenheit zur Natur sei schon immer da gewesen, schon als Kind sei er immer mit Vater und Bruder gern Fischen gegangen. Als er dann an einem Studieninformationstag spontan bei einer Übung zum Thema Waldbau mitgehen durfte, war es um ihn geschehen. Er habe sich sogleich zugehörig gefühlt, wie sie da mit Gummistiefeln und Hunden durch den Wald stapften. Dass er sich daraufhin entschied, Forstingenieurswesen zu studieren, habe er bis heute nie bereut.

Sein zweites Ausbildungsjahr verbringt Hofmann momentan bei den Bayerischen Staatsforsten in Waldsassen. Später würde er gerne Leiter seines eigenen Reviers werden. Wo, das ist ihm eigentlich egal. "Hauptsache Wald, man ist draußen, und kann Einfluss nehmen." Als Unterhachinger sei er in diesem Berufsfeld eine große Ausnahme. Die meisten kommen seiner Erfahrung nach vom Land, haben oft auch einen Landwirtschaftsbetrieb zuhause.

Während er mit seinem Auto über die wenig befahrenen Wege des Ebersberger Forsts zockelt, gibt er weitere Details über den Raufußkauz zum Besten. Der Brutzeitraum beginnt im März, die intensivste Phase dauert an bis Ende Juni, Anfang Juli. An den richtigen Stellen hätte man also in den letzten Wochen den Balzruf hören können. Dies ist eines der Dinge, die Hofmann kürzlich einigen Ebersberger Waldbesitzern in einem Vortrag erklärte - und auch, dass der Erhalt von Höhlenbäumen eine "recht einfache, günstige Art" sei, Naturschutz zu betreiben.

Forschungsprojekt im Ebersberger Forst: Lukas Hofmann studiert Forstingenieurswesen und träumt davon, später sein eigenes Revier zu leiten.

Lukas Hofmann studiert Forstingenieurswesen und träumt davon, später sein eigenes Revier zu leiten.

(Foto: Christian Bauer/oh)

Die Männchen der Perleule haben ihr festes Revier, Weibchen hingegen folgen der Nahrung - "Wo Mäuse sind, da wird auch gebrütet." Zwischen vier und sieben Küken bringt eine Brut hervor - von denen nicht alle flügge werden. Da zusätzlich zu den Fotos auch immer ein zehnsekündiger Film ausgelöst wurde, konnten - oder mussten - die Studenten mit ansehen, wie ein Marder zwei Küken aus einer Höhle schleppte. Aber nicht alle Aufnahmen sind so grausam. Allein zu sehen, wie die Kleinen ihre Köpfe aus der Höhle strecken, wenn die Eltern zum Füttern heimkehren, dürfte all die Mühen wert gewesen sein - die nicht unerheblich waren. Um die Kameras aufzuhängen, war sogar eine Ausbildung zum gewerblichen Bäumeklettern nötig.

Gelohnt hat es sich allemal: Mehr als 15 Thesen wurden in der Bachelor-Arbeit untersucht. Nur eines kann Hofmann nicht beantworten: Warum sagt man eigentlich "komischer Kauz"? Vielleicht, weil ihre starren Augen und ihre ruckartigen Bewegungen etwas seltsam wirken, meint er achselzuckend.

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