Flugzeuglärm:Zwischen Himmel und Mensch

Lesezeit: 3 min

Tobias Eschenbacher, Oberbürgermeister von Freising und Vorsitzender der Fluglärmkommission, erläutert in Pliening die Flugbewegungen der vom Flughafen Erding kommenden Maschinen, die sich rund um das Funkfeuer in Ottersberg (roter Punkt) auffächern. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Vorsitzende der Fluglärmkommission, Tobias Eschenbacher, rät Betroffenen, besonders laute Maschinen zu notieren und zu melden. Vor allem aber ruft er zun Widerstand gegen die dritte Startbahn auf

Von Alexandra Leuthner, Pliening

Eines kann Lisi Burghart nicht passieren -, dass sie vergessen würde, die Fenster der Schlafzimmer ihrer drei Kinder zu schließen. Der Lärm der vom Himmel herab dröhnt, lässt ihr gar keine andere Wahl. Vor der Infoveranstaltung "Fluglärm" am Dienstagabend in Pliening hat sie sich die Mühe gemacht, zwei Wochen lang genau zu notieren, wann es abends laut wird über Ottersberg und festgestellt: Täglich ab 22.20 Uhr vibriert über ihrem Haus die Luft. "40 Minuten lang geht das so", erklärte sie im Bürgersaal vor etwa 70 Zuhörern, "da kommt einer nach dem anderen." Oft seien ihre Kinder davon aufgewacht. Warum gerade um diese Uhrzeit so viele Maschinen unterwegs seien, wollte sie von Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte), Oberbürgermeister der Stadt Freising und Vorsitzender der Fluglärmkommission wissen, der auf Einladung der Gemeinde nach Pliening gekommen war.

So ähnlich wie Lisi Burghart, die ihren Hof fast unmittelbar neben dem Ottersberger Funkfeuer hat, geht es vielen, die genau in oder in der Nähe der Flugschneisen wohnen, von denen eine direkt vom Flughafen nach Südosten führt. Auf einer zweiten Route machen die Flugzeuge einen etwas größeren Bogen, der sie zunächst in Richtung Neufahrn und Eching im Westen und dann im spitzen Winkel gen Süden fliegen lässt. Beide Routen haben das Ottersberger Funkfeuer als Anhaltspunkt. Nun fordert die Nachbarkommune Markt Schwaben, die im Sommer 2017 eine Lärmmessung initiiert hatte, dass sämtliche Maschinen exakt bis zum Funkfeuer fliegen müssen und dann erst in ihre endgültige Flugrichtung abbiegen dürfen. Auf einer Karte konnte Eschenbacher zeigen, dass sich die Routen tatsächlich vor dem Funkfeuer auffächern - was die Belastung für den Süden Markt Schwabens definitiv erhöht. Eine Forderung, die Plienings Bürgermeister Roland Frick (CSU) mit dem Satz quittierte: "Dann hat Pliening alles."

Wie kompliziert es sei, die Belastungen der Bürger im Umfeld des Flughafens zu verringern, erkläre sich just an diesem Beispiel, sagte Eschenbacher: "Wenn man eine Route verändert, dann wird es anderswo lauter." Tatsächlich dürften die Piloten bereits abbiegen, sobald sie eine Flughöhe von 6500 Fuß oder knapp 2000 Metern erreicht haben. Dieser Zeitpunkt aber sei unterschiedlich. "Ein schweres Flugzeug wie der A 380, der kommt nicht so schnell hoch." Was eine Erklärung dafür sein könne, dass die Lautstärke und Nähe der Maschinen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, wie von einigen Zuhörern beschrieben. "Wenn wir abends auf der Terrasse sitzen, dann haben wir manchmal das Gefühl, so ein Flugzeug landet in unserem Garten", erklärte ein Anlieger der Speicherseestraße in Landsham, jenem Ortsteil von Pliening, der von einem Großteil der Flugzeuge direkt überflogen wird. "Das ist ein Geräusch, als würde man einen Ferrari von Tempo 200 aus in den zweiten Gang schalten." Sogar "nachts um halb eins donnern vier, fünf Maschinen über uns, fast jeden Tag", erklärte ein anderer.

Da die Fluglärmkommission keine Entscheidungsbefugnisse hat und lediglich beratend tätig ist, riet Eschenbacher den Betroffenen, sich besonders laute Maschinen und deren Flugzeiten zu notieren und an ihn oder Roland Frick weiterzuleiten. Wenn eine Maschine tatsächlich zu tief fliege, werde das von der Flugsicherung verfolgt, "das kann auch angezeigt werden." Tatsächlich würden die Motoren grundsätzlich zwar immer leiser, die Flugzeuge aber größer, was sich auf die Steigfähigkeit negativ auswirke. Die Deutsche Flugsicherung sei bemüht, Flugrouten in unmittelbarer Nähe des Flughafens zu bündeln und in der Ferne zu streuen, um die Belastung möglichst gering zu halten. Sie müsse aber auch gewährleisten, dass Flugzeuge sicher flögen. So betrage die international empfohlene Steiggeschwindigkeit 200 Fuß pro nautischer Meile. In München müssten die startenden Maschinen fast doppelt so schnell steigen, dabei aber unter den anfliegenden Maschinen bleiben, um nicht deren Flugbahnen zu kreuzen.

Was die angesprochene Häufung der Flugzeuge über Ottersberg am Abend angehe, so Eschenbacher, da müsse wohl der Flughafen ein bestimmtes Kontingent unterbringen, das bis 23 Uhr starten dürfe. Grundsätzlich gelte das Nachtflugverbot zwischen 23 und sechs Uhr, bis Mitternacht aber und zwischen fünf und sechs Uhr gebe es Ausnahmegenehmigungen.

All das zeige, dass es nur darum gehen könne, noch mehr Flugbewegungen und eine dritte Startbahn in München zu verhindern, so Eschenbacher. 40 Millionen Passagiere im Jahr seien genug, "wir müssen nicht die Nummer eins sein, Platz neun reicht doch auch". Es würden aber immer mehr Flüge in München zentralisiert, gerade die Lufthansa mit ihrer Beteiligung am Terminal II ziehe aus betriebswirtschaftlichen Gründen immer mehr Flugbewegungen hierher. Allein acht Maschinen flögen jeden Tag nach Nürnberg - ein Flughafen, der bequem mit dem Zug erreichbar sei -, ein Drittel der Flugverbindungen gehe von München aus zu Zielen in unter 500 Kilometer Entfernung. Eine dritte Startbahn aber würde, so eine Studie, den Flughafen Nürnberg überflüssig machen, sagte Eschenbacher. Sie würde aber auf jeden Fall zu noch mehr Belastungen durch Lärm und auch Feinstaub führen.

Eine Gesundheitsstudie über die Auswirkungen von Fein- und Feinststäuben in Flughafennähe laufe gerade an - und könnte ein möglicher Ansatzpunkt für die Startbahngegner werden. Kein Gegenargument sei dagegen der Wohnungsbau in größerer Flughafenentfernung, zum Beispiel in Poing, wie der Kommissionsvorsitzende auf eine Frage erläuterte: Dort hätten die Maschinen 6500 Fuß erreicht, laut Gesetz gelte die Belastung dann als "zumutbar." Umgekehrt aber dürfe im Freisinger Ortsteil Pulling etwa halt nicht mehr gebaut werden - die Flugzeuge fliegen einfach zu tief.

© SZ vom 12.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: