Flüchtlingsunterbringung an Schulen:Hilfsbereite Nachbarn

An sechs Schulen im Landkreis leben derzeit Asylbewerber. Mit verschiedenen Aktionen versuchen die Schulfamilien, einen regelmäßigen Kontakt zu ihren Gästen aufzubauen. Aber auch die Flüchtlinge packen mit an

Von Johanna Feckl

6 Bilder

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Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

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Ebersberg

"Ich unterstützte das Landratsamt natürlich und helfe, wo ich kann", betont Eberhard Laspe, Schulleiter der Ebersberger Realschule. Seit mehr als einem Jahr leben in der alten Turnhalle der Schule etwa 50 Flüchtlinge. "Am Anfang haben wir mit den Flüchtlingen manchmal im Ethikunterricht was zusammen gemacht, zum Beispiel Spiele gespielt", erzählt die 15-jährige Anna, die eigentlich anders heißt. Mit der Zeit sei der Kontakt jedoch weniger geworden. Anna bedauert das: "Mich würde schon interessieren, wie sie von ihrem Land in unseres kamen." Worüber sie sich immer noch freut, das ist ein kleines Projekt aus dem vergangenen Schuljahr: Zusammen mit anderen Schülern aus der Jahrbuch-AG hat sie sich mit einigen Asylbewerbern zum Kochen getroffen. Eines der Rezepte hat die AG in das Jahrbuch aufgenommen.

Laut Laspe soll es in Zusammenarbeit mit dem Helferkreis bald neue Deutschkurse geben. "Dafür stellen wir natürlich gerne Räumlichkeiten zur Verfügung." Bislang sei es zu keinerlei Problemen mit den Flüchtlingen gekommen. Trotzdem: "Es ist anstrengend." Zum Teil sei der Pausenhof belegt - er hätte das Schulgelände gerne wieder für sich. "Wir wären nicht unfroh, wenn es eine andere Unterkunft gäbe, wo die Menschen es auch schöner haben."

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Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

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Grafing

Seit Ende 2013 - mit einigen Monaten Unterbrechung - nutzt das Landratsamt den Erweiterungspavillon des Grafinger Gymnasiums für die Unterbringung von derzeit 40 Asylbewerbern. "Es gibt nicht die geringsten Schwierigkeiten, ganz im Gegenteil: Schüler und Flüchtlinge spielen oft gemeinsam Fußball", sagt der stellvertretende Schulleiter Peter Söllner. Als das Landratsamt seinen Entschluss der Schule mitteilte, sind seine Kollegen und er durch die einzelnen Klassen gegangen. "Wir haben das altersgerecht erklärt: Was ist Asyl überhaupt, wer kommt da jetzt genau und so weiter", erinnert sich Söllner.

Im vergangenen Schuljahr gab es eine zehnte Klasse, die ihr Klassenzimmer direkt neben dem Pavillon hatte. Gabriele Peter war damals die Klassenlehrerin und hat einige ihrer Unterrichtsstunden für gemeinsame Kaffee- und Teerunden mit den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Gezielte Aktionen im Sinne eines regelmäßigen Kontakts gibt es laut Peter aber nicht. "Wir wollen da den Helferkreisen nicht vorgreifen." Der 16-jährige Fabian Hoppmann, Mitglied der Schülermitverantwortung (SMV), sieht das ein wenig anders: "Ich denke schon, dass man den Kontakt verbessern könnte." Zum Beispiel durch regelmäßiges Fußballspielen in Freistunden. "Aber da ist im Moment viel in Planung, von SMV- und von Lehrerseite", fügt er hinzu. Daneben bieten auch die Unterrichtsstunden Platz für die Asylthematik. So behandeln Fabian und seine Klasse das Thema im Zusammenhang mit Erörterungen im Fach Deutsch.

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Quelle: Christian Endt

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Kirchseeon

"Unsere Schulfamilie bewegt etwas - Masche für Masche" lautete das Motto kürzlich am Kirchseeoner Gymnasium. In Handarbeit haben Schüler, Eltern, Lehrkräfte und Mitglieder des Helferkreises Asyl Mützen und Stirnbänder gemacht. Alles für die seit Anfang August in der Schulturnhalle untergebrachten Flüchtlinge. "Ein paar aus dem Kollegium sind sehr strickbegeistert. Wir möchten mit unserer Aktion das Hobby mit etwas Nützlichem verbinden", erklärt Lehrerin und Organisatorin Julia Scheller das Zustandekommen des Stricktreffs. Dass vor allem so viele Schüler gekommen sind, begeistert sie sichtlich. "Manchen von ihnen fällt es gar nicht so leicht. Aber sie wollen helfen, deshalb sind sie hier und bemühen sich!"

Auch die 16-jährige Sophia und ihre ein Jahr ältere Schwester Antonia Willing sind gekommen. Sophia hat bereits ein paar Runden für ein beigefarbenes Stirnband gehäkelt. Antonia lächelt ein wenig verlegen. Ihr liegt die Handarbeit nicht sehr. Aber einen großen schwarzen Bommel hat sie schon gemacht. Neben der Strick-Aktion gibt es noch mehr Projekte an ihrer Schule. Einmal haben sie sich schon mit einigen Flüchtlingen zum Kochen verabredet. Es gab Kartoffel-Kürbis-Suppe. "Beim nächsten Mal kochen wir Chap. Das ist ein Reis-Hühnchen-Gericht", sagt Sophia. Antonia erzählt, dass seit den Sommerferien auch einige Schüler zweimal die Woche Deutsch unterrichten. "Das macht total Spaß! Mittlerweile sind wir ungefähr 50, die helfen." Und auch eine Kleiderspenden-Aktion hat die Schülerschaft bereits organisiert.

"Soziales Engagement spielt bei uns eine große Rolle", sagt Schulleiterin Gabriele Söllheim. So haben sich ebenso einige der Lehrkräfte dazu bereit erklärt, den Flüchtlingen Deutschunterricht zu geben. Neben den vielen Aktionen wird die Asylthematik aber auch im Unterricht behandelt. "Wir haben in Sozialkunde darüber gesprochen", sagt Sophia.

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Quelle: Peter Hinz-Rosin

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Markt Schwaben

Es ist erst wenige Wochen her, seit die Integrationsbeauftragte des Landratsamtes Mirjana Šimić von den Mitgliedern des Projekt-Seminars "Schule ohne Rassismus" und der "Eine-Welt-Gruppe" gründlich ausgefragt wurde. Es ging um die 129 Flüchtlinge, die seit Oktober in der Schulturnhalle des Franz-Marc-Gymnasiums leben. Nun sind es die zwei Gruppen selbst, die Rede und Antwort stehen müssen. "Das sind unsere Multiplikatoren", erklärt Schulleiter Gerhard Dittmann. Die Idee ist, dass die beiden Gruppen als speziell informierte Schüler ihre Mitschüler selbst über die Flüchtlingssituation aufklären. An zwei Tagen versammeln sich die einzelnen Jahrgänge der Unter- und Mittelstufe nacheinander zu der Informationsveranstaltung. Zu zweit tragen die Mitglieder der zwei Gruppen Informationen über verschiedene Themenbereiche vor: Fluchtgründe und -routen, das Asylverfahren, Leistungen und soziale Betreuung der Flüchtlinge, die Flüchtlingssituation im Landkreis und in Markt Schwaben. Zuletzt nennen sie einige Vorschläge, wie man selbst helfen kann.

Nachdem die Mitglieder der "Multiplikatoren"-Gruppe die letzte Jahrgangsstufe informiert hat, besprechen sie untereinander den Erfolg ihrer Veranstaltung. Einige der Mitschüler hätten bislang vieles nicht verstehen können, "warum die überhaupt fliehen und so", sagt der 17-jährige Tim Zeiff. "Deshalb haben wir versucht, das alles einmal anders zu erklären", ergänzt die 18-jährige Marie Gaschner. Die jugendlichen Organisatoren sind der Meinung, dass ihnen das auch gelungen ist.

Und wie geht es nun weiter mit den Schülern und den Asylbewerbern? Fußballspielen nach dem Unterricht, ein gemeinsames Kochbuch gestalten, Plätzchen backen, ein Benefizkonzert oder ein regelmäßiger Filmabend im Schulgebäude: "Es gibt viele Ideen", fasst Marie Gaschner zusammen.

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Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

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Poing

In der Turnhalle der Poinger Seerosenschule (hier ein Foto aus Markt Schwaben) leben bereits seit vergangenem Herbst etwa 50 Asylbewerber. "Ab und zu sitzt mal einer hier auf unserem Vorplatz und telefoniert", erzählt die stellvertretende Schulleiterin Petra Weiß. Für Weiß ist das aber keinesfalls ein Störfaktor. "Generell empfinde ich die Situation nicht als sehr präsent."

Als das Landratsamt beschloss, die Schulturnhalle als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, gab es eine Informationsveranstaltung, erinnert sich Weiß. Zusätzlich haben die Lehrkräfte im Unterricht ihren Schülern die Situation erklärt. "Jeder Lehrer hat das auf seine Weise gemacht." Mittlerweile sind sogar einige der Flüchtlinge aktiv am Schulleben beteiligt. In den Schülerübungsfirmen der Oberstufe komme es immer mal wieder vor, dass einer der Asylbewerber mit Genehmigung des Landratsamtes mitanpackt, erzählt Weiß. Bislang haben die Flüchtlinge zum Beispiel die Kochfirma, die Schreinerei und Malerei sowie die Fahrradwerkstatt unterstützt. "Das läuft recht gut und kommt auch gut an", sagt Weiß.

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Quelle: Peter Hinz-Rosin

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Vaterstetten

Seit Mitte Oktober leben auch auf dem Schulgelände des Humboldt-Gymnasiums wieder Flüchtlinge. Bereits im vergangenen Schuljahr waren übergangsweise für vier Wochen Familien und Männer in der Turnhalle untergebracht. Genau wie damals läuft die aktuelle Unterbringung über einen Notfallplan. Das bedeutet, dass diese Lösung lediglich eine temporäre darstellt.

"Das ist alles sehr unaufgeregt", sagt Schulleiter Rüdiger Modell. Der Schulbetrieb werde durch die zeitweiligen Gäste in keiner Weise beeinträchtigt. "Nur für den Sportunterricht mussten wir Ausweichmöglichkeiten finden." Bislang fand der meiste Unterricht im Freien statt. "Bei dem tollen Wetter, das bis vor kurzem noch war, ist das aber auch kein Problem gewesen", sagt Modell. Laut dem Schulleiter findet kein direkter Austausch zwischen den Flüchtlingen und den Schülern statt - zumindest nicht im Rahmen von Unterrichtsstunden. Modell verweist hier auf die verhältnismäßig kurze Verweildauer der Flüchtlinge.

© SZ vom 11.12.2015
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