Flüchtlinge in Markt Schwaben:Helfer im Krisenmodus

Flüchtlinge in Markt Schwaben: In der Turnhalle in Markt Schwaben stehen für 220 Bewohner lediglich vier Waschmaschinen zur Verfügung.

In der Turnhalle in Markt Schwaben stehen für 220 Bewohner lediglich vier Waschmaschinen zur Verfügung.

(Foto: Hinz-Rosin)

In Markt Schwaben zeigen sich die Flüchtlingshelfer frustriert über die beengten Platzverhältnisse in der Notunterkunft. Mit derartigen Problemen hat man in Vaterstetten dagegen nicht zu kämpfen.

Von Isabel Meixner, Markt Schwaben/Vaterstetten

Nach Beschwerden aus Kirchseeon über die Zustände in der dortigen Flüchtlingsunterkunft gibt es nun auch Kritik aus Markt Schwaben. Für die 220 in der Dreifachturnhalle des Gymnasiums untergebrachten Flüchtlinge stünden lediglich vier Waschmaschinen und weniger als zehn Toiletten zur Verfügung, schildert Tobias Vorburg, Leiter des Aktivkreises Flüchtlinge.

Seit Wochen warteten 80 Neuankömmlinge auf Kochtöpfe. Bei der Erkrankung von vier Asylbewerbern an Windpocken sieht er gar eine Teilschuld beim Landratsamt: Statt die Kranken zu isolieren, habe man alle Asylbewerber gegen Windpocken geimpft, dabei aber trotz Hinweisen nicht an zirka 30 Neuankömmlinge gedacht. "Der Landrat spricht von einer Notsituation", sagt er. "Ich frage mich, wie lange wir noch in diesem Krisenmodus arbeiten sollen?"

Das Landratsamt verteidigt sein Vorgehen

Im Landratsamt verteidigt man das Vorgehen nach dem Windpocken-Ausbruch. Bei einer Verlegung der Erkrankten hätte die Gefahr bestanden, dass sich noch mehr Menschen ansteckten, so Landratsamts-Sprecher Norbert Neugebauer. Daher habe man entschieden, sie in der Unterkunft in Markt Schwaben zu lassen, wo die meisten Bewohner geimpft seien. Die Impfungen seien ein Angebot, die meisten Flüchtlinge hätten davon Gebrauch gemacht.

Auch was die Ausstattung betrifft, beispielsweise bei den Kochgeräten, habe man sich an den Gegebenheiten orientiert. Es seien 270 Töpfe für 220 Personen bereitgestellt worden. Leider hätten sich einige drei oder vier Töpfe genommen. "Wir ordern Töpfe beim Zulieferer nach, jedoch gibt es derzeit Lieferengpässe", so Neugebauer. Da man aber auch in Markt Schwaben so bald wie möglich auf ein Catering umstellen wolle, habe sich das Thema bald erledigt.

Die Kräfte der Ehrenamtlichen sind erschöpft

Der erneute Hilferuf aus einem Helferkreis zeigt, dass nicht nur die Kräfte der Mitarbeiter im Landratsamt fast erschöpft sind, sondern auch die der Ehrenamtlichen. Erst kurz vor Weihnachten hatte die Gemeinde Kirchseeon in einem Brief an Landrat Robert Niedergesäß (CSU) die Zustände ebenfalls in der Gymnasiumturnhalle als "menschenunwürdig" kritisiert. Dort lagern die Asylbewerber aus Mangel an Kühlschränken Kochtöpfe unter den Betten, die Küchencontainer sind dreckig, auch wurden sämtliche Tische und Stühle aus der Halle verbannt, weil statt 130 inzwischen 170 Flüchtlinge untergebracht werden mussten. Der Helferkreis fühlt sich mit der Betreuung der Asylbewerber allein gelassen.

Ähnlich ergeht es den Markt Schwabener Ehrenamtlichen. Tobias Vorburg, der auch im Kreisvorstand der Grünen tätig ist, fordert ein Konzept von Landrat Niedergesäß, etwa dass der Landkreis Gebäude in Leichtbauweise errichtet, um mehr Plätze für Flüchtlinge zu bekommen. Der derzeitige Zustand "hat nichts mehr mit Menschenwürde zu tun, auch eine Turnhalle hat eine Kapazitätsgrenze".

Die Ausstattung orientiert sich an den Stromkapazitäten

Die Markt Schwabener Turnhalle wird inzwischen zweimal täglich von einer Putzfirma gereinigt. Das Landratsamt hatte ursprünglich geplant, 180 Asylbewerber dort unterzubringen. Von einer Überbelegung will Pressesprecherin Evelyn Schwaiger aber nicht sprechen: "Die möglichen Belegungszahlen wurden vielmehr bei den ersten Planungen geschätzt." Die Menge der Herdplatten, Kühlschränke und Waschmaschinen richte sich vor allem nach dem örtlichen Stromnetz, das in den Hallen teilweise eigens eingerichtet werden müsse. In Markt Schwaben ist das der Grund, warum die Ausstattung nicht mit der Anzahl an Flüchtlingen mitgewachsen ist.

Der Forderung, Objekte in Leichtbauweise zu errichten, würde man im Landratsamt durchaus nachkommen, freilich fehle es an Grundstücken, so Neugebauer. In Markt Schwaben beispielsweise sei zwar ein Grundstück angeboten worden, aber nur für ein Jahr. Für eine Leichtbauhalle wäre aber eine mindestens dreijährige Nutzungszeit erforderlich.

Die Helfer erleben aber auch Positives

Freilich gibt es auch positive Erfahrungen, die Helfer aus Flüchtlingsunterkünften melden. In Vaterstetten etwa zeigt sich Josef Stettner vom Helferkreis zufrieden mit dem Zustand in der Erstaufnahmeeinrichtung im Humboldt-Gymnasium. Die Turnhalle sei für 200 Flüchtlinge ausgelegt, und diese Zahl werde auch eingehalten. Allerdings untersteht sie auch der Regierung von Oberbayern und nicht - wie die anderen Notunterkünfte - dem Landratsamt. Probleme mit dreckigen Küchen gibt es hier nicht - aus dem einfachen Grund, dass hier das Essen von einem Caterer geliefert wird. Dusche und Toiletten reinigen die Flüchtlinge selbst, das funktioniere "in erträglichem Maße". Für die Bewohner gibt es Sitzecken, auch können sie sich in den Umkleideräumen aufhalten.

Ein festes Team aus zehn Ehrenamtlichen kümmert sich um die Flüchtlinge, nimmt Fragen und Beschwerden entgegen und versucht zu helfen. Insgesamt gehören dem Helferkreis 345 Personen an. Nur an Dolmetschern hapere es. Ein Übersetzer-Pool im Landkreis wäre schon hilfreich, sagt Stettner und betont: "Wir versuchen, viel selbst zu regeln." Das entlaste auch das Landratsamt. "Wir wollen mit denen gut zusammenarbeiten. Die sind auch überfordert." Überfordert fühlt sich Josef Stettner nicht. In den eineinhalb Jahren, die er dem Helferkreis angehört, habe er gelernt, bei allem Bemühen auf Distanz zu den persönlichen Schicksalsgeschichten zu gehen. Das müsse man auch, betont er: "Sonst kriegt man einen Vogel."

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