Süddeutsche Zeitung

Fleißige Ebersberger:Boomregion mit Nachholbedarf

Die Zahl der Arbeitsplätze im Landkreis nimmt einer aktuellen Studie zufolge seit Jahren stetig zu. Besonders gesucht werden Mitarbeiter im Bereich Handel und Dienstleistung

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Im Landkreis arbeiten immer mehr Menschen, das geht aus aktuellen Daten des Statistischen Landesamtes und des Planungsverbandes äußerer Wirtschaftsraum München hervor. Demnach waren Ende 2017, aktuellere Statistiken gibt es noch nicht, genau 39 795 Personen bei einer im Landkreis ansässigen Firma angestellt. Im Vergleich zu vor zehn Jahren entspricht dies einem Zuwachs von etwa 30 Prozent.

Auch darüber, in welchen Bereichen die meisten der rund 10 000 neuen Jobs entstanden sind, gibt die Statistik Auskunft. Demnach entfallen aktuell knapp 39 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze auf den Bereich Dienstleistungen. Knapp darunter, mit etwa 38 Prozent, liegt der Bereich Handel und Verkehr, die restlichen 23 Prozent entfallen auf das produzierende Gewerbe. In absoluten Zahlen sind dies rund 15 600 Beschäftigte im Dienstleistungssektor, 15 200 im Bereich Handel und Verkehr sowie etwa 9200 im produzierenden Gewerbe.

Zehn Jahre zuvor lag dessen Anteil noch bei ungefähr 27 Prozent, in Handel und Verkehr waren 35 Prozent der Angestellten tätig und im Dienstleistungssektor waren es 38 Prozent. Dennoch sind in allen drei Bereichen die Jobs zahlreicher geworden. In absoluten Zahlen waren nämlich 2007 noch knapp 8100 Personen in Betrieben des produzierenden Gewerbes beschäftigt, 10500 arbeiteten im Sektor Handel und Verkehr und 11 400 im Bereich Dienstleistung.

Trotzdem bleibt festzustellen, dass die beiden letzteren seit 2007 besonders stark gewachsen sind. Was sicher nicht zuletzt in der Gewerbepolitik der Landkreiskommunen begründet liegt. So gingen etwa in Vaterstetten und Poing große Gewerbeflächen in Betrieb, die hauptsächlich von Firmen aus der Handels- und Logistiksparte besiedelt wurden. Auch gibt es zunehmend Bestrebungen, die immer teurer werdenden Flächen möglichst gut zu nutzen, etwa durch den Bau von Hotels oder Bürogebäuden, was ebenfalls mehr Jobs im Bereich Dienstleistung bedeutet.

Dieser Trend ist laut Statistischem Landesamt in der gesamten Region München zu beobachten. Waren 2007 noch etwa die Hälfte aller Jobs im Bereich Dienstleistung angesiedelt, waren es 2017 bereits knapp 59 Prozent. Ein Anstieg, der in absoluten Werten noch deutlicher ausfällt, schließlich stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen in der Region im gleichen Zeitraum von 1,1 auf 1,4 Millionen. Auch was die Gewerbeanmeldungen angeht, sind die Dienstleister mit durchschnittlich einem Drittel der größte Einzelposten.

Für den Landkreis Ebersberg bedeutet diese Entwicklung eine fast konkurrenzlos niedrige Arbeitslosenquote. Laut Statistik lag sie 2017 im Jahresdurchschnitt bei zwei Prozent, was fast für den Spitzenplatz aller Landkreise der Region reichte. Nur in Erding waren mit 1,8 Prozent noch weniger Leute arbeitslos gemeldet, Platz drei ging an Freising mit 2,1 Prozent. Zum Vergleich: Bayernweit lag die Arbeitslosenquote 2017 bei 3,2 Prozent, in der Landeshauptstadt sogar bei 4,2 Prozent.

Die annähernde Vollbeschäftigung macht sich offenbar auch positiv im Geldbeutel der Ebersberger bemerkbar. Im Ranking aller Landkreise sowie der Landeshauptstadt kommt Ebersberg auf Platz vier in der Kategorie "verfügbares Einkommen" - dieses entspricht im Wesentlichen dem Nettoverdienst. Knapp 26 800 Euro kommen demnach pro Ebersberger und Jahr zusammen, das liegt knapp über dem Oberbayernschnitt von 26 540 Euro und ein gutes Stück über dem bayerischen Mittel von 23 945 Euro. Allerdings etwas unter dem Regionsdurchschnitt von rund 28 100 Euro pro Jahr und Person - und das liegt an den drei Kommunen am oberen Ende der Einkommensskala. So verdient ein Durchschnittsmünchner - egal ob Landkreis oder Stadt - etwa 29 000 Euro netto im Jahr, in Starnberg liegt das verfügbare Einkommen sogar bei rund 35 000 Euro.

Mehr Nachholbedarf als bei den Spitzenverdiensten gibt es im Landkreis aber in einem anderen Bereich: dem Verhältnis Arbeitsplätze zu Einwohner. Denn auch wenn beide Zahlen stetig steigen, sind die Ebersberger mit örtlichen Jobs unterversorgt. So kommen auf 1000 Einwohnern gerade einmal 283 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. In der Region München sind es im Schnitt 491, Spitzenreiter sind hierbei Landkreis und Stadt München mit 648 und 584 Jobs pro 1000 Bewohner. Nur in den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck gibt es mit 269 beziehungsweise 227 noch weniger örtliche Arbeitsstellen.

Dies zeigt sich auch am sogenannten "Arbeitsplatz-Besatz", also am Verhältnis arbeitende Bevölkerung zu Jobs im jeweiligen Landkreis. Für Ebersberg liegt dieser Wert bei 0,68 - was konkret heißt, von 100 berufstätigen Ebersbergern haben nur 68 einen Job im Landkreis gefunden. Zum Vergleich: In der Stadt München liegt der Wert bei 1,32, im Landkreis sogar bei 1,64. Was bedeutet, pro 100 einheimische Arbeitskräfte pendeln dort 32 beziehungsweise 64 Kollegen aus einem anderen Landkreis ein. Allerdings kommen im langjährigen Durchschnitt offenbar immer weniger dieser Pendler aus Ebersberg - denn auch wenn das Verhältnis Jobs zu Einwohnern unterdurchschnittlich bleibt, steigt es dennoch leicht an. Vor zehn Jahren errechneten die Statistiker noch lediglich 242 Arbeitsplätze auf 1000 Einwohner, also 41 weniger als aktuell.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4533326
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.