In Bayern leben rund 25 verschiedene Fledermausarten. Davon werden 2017 mehr als die Hälfte auf der Roten Liste des Bayerischen Landesamtes für Umwelt als mindestens gefährdet bis zu extrem selten eingestuft. Anlässlich der 28. europäischen Nacht der Fledermäuse an diesem Wochenende spricht Ursula Kunz vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) aus Ebersberg über die Gefahren für die Tiere im Landkreis und was man für sie tun kann.
SZ: Sie sind Ansprechpartnerin für Fledermäuse beim LBV Ebersberg und pflegen unter anderem verletze Tiere. Was genau finden Sie an ihnen denn so faszinierend?
Ursula Kunz: Erstens: Fledermäuse beherrschen seit 50 Millionen Jahren etwas, was wir Menschen erst seit 100 Jahren können: Ultraschall-Echoorientierung. Das allein ist schon faszinierend, finde ich. Und zweitens: Sie sind die einzigen Säugetiere, die aktiv – mit Flügelschlag – fliegen können. Die Tiere können mit den Händen fliegen und mit den Ohren ein unglaublich feines Hörbild „sehen“. Und dann werden sie, so klein wie sie sind, unglaublich alt! Denn sie besitzen Zellen, die den Alterungsprozess verlangsamen können. Fledermäuse erkranken kaum an Krebs und überleben Infektionskrankheiten, die für andere Säugetiere tödlich sind. So werden sie im Vergleich zu anderen Säugetieren mit ähnlichem Gewicht und Körpergröße etwa dreimal so alt. Man konnte mal nachweisen, dass eine große Bartfledermaus 41 Jahre alt wurde. Das ist schon extrem!

Welche Fledermausarten kommen im Landkreis Ebersberg vor und wo findet man sie?
Die Zwergfledermaus und die Kleine Bartfledermaus sind die beiden Arten, die wir an unseren Häusern am häufigsten haben. Die siedeln meist hinter dem Fensterladen oder der Holzverschalung. Auch ihre jeweiligen Schwesterarten, die Mückenfledermaus und die Große Bartfledermaus kommen bei uns vor. Aber aufpassen, der Name täuscht: Eine Große Bartfledermaus wiegt höchstens acht bis zehn Gramm und wird vier bis fünf Zentimeter groß. Erst mit ihrer Flügelspannweite von 20 Zentimetern wirkt sie dann „riesig“. Was auch mal Spalten am Haus bewohnen kann, sind Breitflügelfledermaus oder Zweifarbfledermäuse. Große Mausohren hängen in Steinhöring und Glonn frei im Speicher des Kirchenschiffes, einzelne Männchen im Turm. Das Braune und das Graue Langohr haben wir auch im Landkreis. Bei einem Netzfang ist uns ein Muttertier der sehr seltenen Mopsfledermaus begegnet. Und tatsächlich haben wir das Glück, auch die stark gefährdete Wimperfledermaus im Landkreis nachgewiesen zu haben.
Wie geht es dabei den Tieren hier im Landkreis Ebersberg, auch im Vergleich zu anderen Orten?
Besonders gut geht es den Fledermäusen nirgends! Sogar im Forst haben wir nicht genügend natürliche Höhlen, in denen die Tiere leben können. Vor allem die älteren Bäume, die solche Quartiere liefern könnten, sind dann oft diejenigen, die bei einem Schneebruch umgehauen werden. Deshalb ist die Wohnungsnot, unter anderem durch den Klimawandel bedingt, gewaltig. Um die Not ein wenig zu lindern, wurden vor 15 Jahren mehr als 1000 Fledermauskästen als Ersatzquartiere zusätzlich zu den rund 7000 schon vorhandenen Vogelnistkästen angebracht. Die werden alle von Ehrenamtlichen kontrolliert. So können wir den im Forst relativ häufig vorkommenden Arten Bechstein-, Langohr-, Wasser- und Fransenfledermaus helfen und dem Artenschwund entgegenwirken. Durch den großen Wald haben wir damit bessere Chancen als manch andere Landkreise, aber ein Allheilmittel ist der Forst nicht. Das Insektensterben macht auch vor dem Forst nicht gänzlich Halt.

Welche Rolle spielen Fledermäuse in unserem Ökosystem und warum sind sie für die Umwelt so wichtig?
Sie sind diejenigen, die in unseren Ökosystemen unter anderem die Rolle haben, massenhaft auftretende, schädliche oder Krankheiten übertragende Insekten in Schach zu halten. Damit halten sie das Gleichgewicht in der Natur aufrecht. Denn werden Schädlinge mit der Giftspritze entfernt, werden auch andere nützliche Tiere getötet. Die Fledermäuse hingegen stürzen sich auf die Tiere, von denen gerade am meisten da sind und lassen die anderen außen vor. So erbeuten sie Mücken, Schnaken, Borkenkäfer oder Zünslermotten und sind damit auch eine Schutzpolizei im Ökosystem.
Dennoch werden Fledermäuse oft mit Krankheiten wie Corona oder Tollwut in Verbindung gebracht, wie hoch schätzen Sie das von den Tieren ausgehende Risiko ein?
Es ist, glaube ich, wahrscheinlicher vom Blitz erschlagen zu werden als von einer Fledermaus, die Tollwut hat, gebissen zu werden. Nur jemand, der intensiver mit Fledermäusen zu tun hat, etwa um verletzte Tiere zu kurieren, braucht überhaupt eine Tollwut-Impfung. Personen, die bei sich am Haus Fledermäuse nur wohnen haben, benötigen keine. Schließlich sollen sie die Nachtflieger ja nicht anlangen, sondern in Ruhe lassen. Auch kann man sich mit dem Kot, den man aus einem Kasten räumt, nicht infizieren. Da ist bei unseren Fledermäusen noch nie ein Krankheitserreger vorgekommen, der einem Menschen gefährlich werden könnte, auch kein Corona. Da mussten wir Pfleger sogar eine Maske anziehen, um unsere Fledermäuse nicht anzustecken.

Welche Maßnahmen können also ergriffen werden, um den Fledermäusen im Landkreis zu helfen?
Gegen die Wohnungsnot kann man auch daheim bei sich einen Fledermauskasten aufhängen, sei es ein Flachkasten am Haus oder ein Rundkasten an einem Baum im Garten. Dort sollte es am besten vorwiegend einheimische Pflanzen, viele Kräuter, blühende und auch nachts blühende Pflanzen geben. Nur dann finden, genügend Beute-Insekten einen Unterschlupf und Nahrung. Eine Fledermaus fliegt natürlich auch nur dorthin, wo sie selbst was zum Fressen findet. Außerdem ziehen Fledermäuse, wenn es ihnen in einem Kasten zu heiß wird oder dort Parasiten hausen, samt ihren Kindern um. Am besten wäre für die Tiere also eine Art Nachbarschaftshilfe mit einem Netzwerk aus Kästen.
Informationen zur europäischen Fledermausnacht und zu Veranstaltungen in der Region sind auf der LBV Website zu finden www.lbv.de/mitmachen/fuer-einsteiger/batnight/.