Süddeutsche Zeitung

Film:TSV Ebersberg goes TV

Der Kurzfilm "In our country" von Regisseurin Louisa Wagener läuft erstmals im Fernsehen

Interview Von Victor Sattler, Ebersberg

Ein Jahr ist es her, dass "In our country" Premiere feiern durfte: Der 30-minütige Kurzfilm der Ebersberger Regisseurin Louisa Wagener und Produzentin Saskia Hahn zeigt die Geschichte des aus Eritrea geflüchteten Tekle, der zum TSV Ebersberg kommt - mit dem Ziel, der nächste Jerome Boateng zu werden. Dann aber muss er sich zuerst als Teil der Mannschaft bewähren, mancher Feindseligkeit stellen und auch seine eigenen Dämonen besiegen. Der einfühlsam erzählte Film erreichte im vergangenen Jahr Menschen auf Festivals in 15 verschiedenen Ländern - und wird an diesem Mittwochabend erstmals im Bayerischen Fernsehen gezeigt.

Frau Wagener, Ihr Kurzfilm "In our country" lief auf Festivals von Pakistan über Kenia bis nach Texas. Wie haben sich die Reaktionen unterschieden?

Louisa Wagener: Ich wäre ja gern auf jedes Festival gegangen, nur, oft übernehmen die gar nicht die Anreisekosten. Zumindest deutschlandweit, das kann ich sagen, ist der Film immer gut angekommen. Das hat uns so glücklich gemacht. Aber auch Filmemacher aus Amerika haben mich angeschrieben, weil sie "In our Country" so toll fanden, aus Indien hab' ich etwa mal über Facebook was bekommen. Anscheinend ist das ein Film, der überall ankommt. Und wir haben ihn ja auch für viele Leute konzipiert, mit so einem wichtigen, weltweiten Thema.

Ja, man merkt als Zuschauer, dass Sie die Handlung möglichst universell gehalten haben. Was macht den Film trotzdem typisch Ebersberg?

Naja, ich wollte einen Kontrast haben, um das schwere Flüchtlingsthema ein bisschen aufzulockern. In der Presse hat mich die Darstellung nämlich immer deprimiert gemacht. Ich war in meiner Kindheit total oft mit meinem Bruder auf dem Ebersberger Fußballplatz und hab diese Spiele gesehen, die Väter am Rand, die reinbrüllen und ihre Jungs fertigmachen (lacht). Ich hab diese typischen Trainer gesehen, wie Michi Altinger im Film nun einen spielt. Die Bilder hatte ich sofort im Kopf, und die mussten einfach rein: Dieser Lokalpatriotismus beim Fußball. Auch das Derby zwischen Ebersberg und Grafing hat sich bei mir eingeprägt. Wenn mein Bruder im Turnier gegen Grafing verloren hat, dann war erst mal zwei Wochen lang schlechte Stimmung.

Das Produktionsteam bestand aus einer Regisseurin, einer Produzentin und einer Kamerafrau - leider eine absolute Seltenheit in der Branche. Trotzdem haben Sie sich als Handlungsrahmen den Fußball rausgesucht, alle Darsteller sind Männer. War das nicht komisch?

Es war schon eine Herausforderung, sich bei so vielen Männern durchzusetzen. Manchmal braucht es dann sogar einen Mann als zweiten Regieassistenten, der die Horde in Schach halten und durchgreifen kann, da war ich ganz froh. Was uns aber zum Vorteil gereicht hat, war, dass wir emotionaler rangegangen sind als ein Mann es vielleicht getan hätte. Wir haben versucht, einen emotionalen Ansatz zu finden, um zu kaschieren, dass wir gar nicht so wahnsinnig viel Ahnung vom Fußball haben (lacht)!

So eine Filmproduktion braucht mehrere Monate, aber die politische Situation und die Meinung der Leute zum Thema Asyl können sich von einem Tag auf den nächsten ändern. Hattet ihr je Angst, dass euch die Aktualität zum Verhängnis wird?

Ja, das hatten wir tatsächlich! Wir haben angefangen, als das Thema noch gar nicht so aktuell war, und dann hat es sich während unserer Produktion erst so akut entwickelt. Deshalb haben wir auch gesagt, wir wollen genauestens recherchieren, wir wollen versuchen, alle Seiten darzustellen, anstatt mit dem Finger auf eine bestimmte Gruppe zu zeigen und zu urteilen: "Hey, ihr macht das falsch!". Das reicht von den Betreuern, die sich vielleicht mal überfordert fühlen, bis zu den Flüchtlingen, die auch mal unpünktlich oder unzuverlässig - und eben nicht immer perfekt sind. Wir haben für alle Seiten Verständnis gehabt. Und das hat mich im Nachhinein jetzt so glücklich gemacht, wie viele Leute doch auf uns zukamen und sagten: "Hey, wir haben uns richtig dargestellt gefühlt." Oder: "Wir haben uns verstanden gefühlt. Wir sind nicht die Bösen!" Da haben wir echt ein schönes Feedback bekommen: Nämlich, dass sich keiner irgendwie angegriffen gefühlt hat.

Was bedeutet Ihnen ein Jahr nach der Premiere noch die Fernsehausstrahlung im Bayerischen Fernsehen?

Das ist der krönende Abschluss. Wir haben da jetzt zwei Jahre lang Herzblut reingesteckt, aber wir waren ja selbst überrascht, wie viele Möglichkeiten wir bekamen, den Film zu zeigen: Wir haben hier im Landkreis zum Beispiel eine Schulen-Tour mit Aufführungen im Klassenzimmer gemacht, man kann den Film aber auch in der Bücherei im Gasteig ausleihen, er wurde in einige Lehrprogramme aufgenommen - da ist soviel passiert! Aber im Fernsehen können ihn doch noch mal viel mehr Leute sehen.

Finden Sie es persönlich schade, dass es keinen besseren Sendeplatz für den Film als um ein Uhr in der Früh gibt?

Ja, schon. Für den Nachwuchs ist das schade. Klar, man versteht das, es gibt ja mega-viel Programm - aber bei so einem wichtigen Thema wünscht man sich natürlich als Filmemacher schon, dass der Film von so vielen Leuten wie möglich gesehen wird. Ich weiß nicht, wie viele letztlich nachts für uns aufbleiben werden... Aber dafür sind wir ja auch noch ganz am Anfang. Wir kommen noch nicht in die ARD oder ins ZDF, aber das wird sich alles noch entwickeln.

Bestimmt!

"In Our Country" läuft, im Rahmen einer Kurzfilmnacht von diesem Mittwoch, 15., auf Donnerstag, 16. November, gegen 0.50 Uhr früh im Bayerischen Fernsehen.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2017
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