Süddeutsche Zeitung

Silvester:Vaterstetten will Feuerwerk zum Jahreswechsel nicht einschränken

Der Gemeinderat lehnt einen Antrag zur Verschärfung der Feuerwerksregeln im Ortsgebiet ab. Ein Beispiel in Bayern zeigt, wie es anders geht

Von Korbinian Eisenberger, Vaterstetten

Dass ein Feuerwerk vergänglich ist, stimmt kaum, besticht es doch durch seine alljährliche Wiederkehr. Diese Konstante konnte auch der Vaterstettener Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor Silvester nicht durchbrechen. Es fehlte aber nicht viel, um daran zu rütteln: Die Fraktionen der SPD und der Grünen stimmten einem Antrag zu, mit dem Ziel, die Vaterstettener Sprengkraft zum Wechsel ins Jahr 2020 einzuschränken. Gegen die Stimmen der Freien Wähler und der fraktionsstärksten CSU blitzte der Antrag am Ende aber trotzdem ab. So dürfen es die Einwohner der Großgemeinde auch heuer wieder ungezügelt krachen lassen.

Jedes Jahr wird diese Debatte geführt, in Internetforen und in der Zeitung - von der großen Politik bis hin zum kleinen Dorfplatz. Immer pünktlich im Dezember tun sich die alten Fronten auf: Bei den einen juckt der Zündfinder, die anderen gehen in Habachtstellung - tendenziell sind das Frühschläfer, Haustierbesitzer und Umweltschützer. Es wird debattiert und gestritten - und am Ende wird wie nun in Vaterstetten geknallt und gezündet wie immer. Warum Kommunen sich von Eingriffen ins Feuerwerksregelwerk scheuen, ließ die Gemeinderatssitzung am Donnerstagabend dank einiger Hinweise erahnen.

Kritiker sagen, ein Verbot könnte gar nicht kontrolliert werden

Es war die große Debatte in einem kleinen Raum. Antragsteller Manfred Schmidt (FBU/AfD) forderte darin, dass "im Umkreis von 150 Metern Luftlinie von Kirchen, Senioren- und Pflegeheimen, von unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden und Anlagen sowie um besonders brandempfindliche Gebäude" keine Feuerwerke abgebrannt werden dürfen. Als Begründung nannte er die Belastung für Tiere und Haustiere, die gesundheitliche Beeinträchtigung der Anwohner durch Feinstaub, und den Schutz von denkmalgeschützten Häusern. Schmidt beließ es nicht bei diesen bekannten Argumenten, sondern reicherte sie mit einer Provokation an. In Zeiten der Debatten über Klima und Emissionen sei es "scheinheilig", diesen Antrag abzulehnen.

Die Gegenrede kam von CSU-Bürgermeisterkandidat Leonhard Spitzauer - deutlich kürzer und pointierter, aber auch weniger von Argumenten geprägt. Dann sei er eben "scheinheilig", so Spitzauer, aber private Feuerwerke "gehören einfach zu Silvester dazu", sagte er. Sein Parteikollege Albert Wirth wollte sich die Scheinheiligkeit hingegen nicht anhängen lassen. Er stellte die Kontrolle einer Verbotsregelung in Frage. "Wie soll das in ganz Vaterstetten funktionieren", sagte er - und warf angesichts dessen wiederum dem Antragsteller Scheinheiligkeit vor. Schmidt parierte mit einem Lösungsansatz: Man könne im Verdachtsfall eines Verstoßes die Polizei anrufen. Zur Seite sprang ihm SPD-Fraktionschef Josef Mittermeier, der einen pyrotechnischen Kompromiss vorschlug: "Die Kleinknallerei abschaffen, dafür ein großes Feuerwerk für alle."

Auch andere Stadt- und Gemeinderäte werden sich mit dem Thema befassen

Dass dem Raketenabwehr-Antrag nur neun von 29 Stimmberechtigten folgten, dürfte weniger an dem selbst für Schmidts Verhältnisse enorm ausgeprägtem Redeanteil in dieser Sitzung gelegen haben. Eher an der Einordnung, die Vaterstettens Geschäftsführer Georg Kast kurz vor der Abstimmung zum Besten gab. Der erklärte, er empfinde "durchaus Sympathie" für Schmidts Antrag. Nach Rücksprache mit einem Spezialisten vom Bayerischen Gemeindetag aber sei eine eigene kommunale Regelung für Privatfeuerwerke in Vaterstetten nicht haltbar. "Wenn das wer anficht, werden wir es zurück nehmen, weil wir es vor Gericht nicht halten können", so Kast. Vaterstetten könne sich nicht ohne triftigen Grund über geltendes Gesetz erheben, so Kast: "Wir können erst dann tätig werden, wenn etwas passiert ist."

Vaterstetten hat entschieden, in den Wochen vor Silvester wird die örtliche Feuerwerksregelung aber auch andere Gremien im Landkreis Ebersberg beschäftigen. Dass der ablehnende Beschluss dort nun als Präzedenzfall für sämtliche Gemeinden und Städte im Landkreis gelten muss, darf jedoch bezweifelt werden, auch das ging aus der Vaterstettener Sitzung hervor.

Antragsteller Schmidt war in seiner Argumentation auf einen Fall jenseits der Ebersberger Landkreisgrenzen eingegangen. Der Markt Berchtesgaden unweit der österreichischen Grenze hat erwiesenermaßen seit längerem eine individuelle Regelung für die Silvesternacht. Dort darf im Umkreis von 100 Metern zu bestimmten - etwa denkmalgeschützten - Gebäuden kein Feuerwerk abgebrannt werden. Vaterstettens Geschäftsführer Kast stellte jedoch - abermals nach Rücksprache mit dem Bayerischen Gemeindetag - die Vergleichbarkeit in Zweifel. Der Markt Berchtesgaden habe "sehr viele Schindeldächer", so Kast, in Vaterstetten sei dies ganz anders. Sein Vortrag jedenfalls zündete im Vaterstettener Gemeinderat besser.

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SZ vom 09.12.2019
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