Festkonzert 1200 Jahre Zorneding:Hohe Kunst und Hingabe

Daniel Müller-Schott, Ilona Then-Bergh und Tobias Stork bilden ein kongeniales Trio. Alle drei sind in der Gemeinde verwurzelt

Rita Baedeker

Sprungkästen, wie sie Generationen von Schülern zur Ertüchtigung des Leibes bezwangen, sind zur Bühnentreppe umfunktioniert, die Sprossenwand dient zur Ablage von Taschen und Jacken, über der Bühne hängt das Netz für Basketballturniere, farbige Linien markieren die Felder für Mannschaftsspiele.

Der Kulturverein Zorneding-Baldham hatte zuvor Bedenken, ob eine grell erleuchtete, an Trillerpfeife und Kindergeschrei erinnernde Schulturnhalle ein würdiger Ort sei für das Festkonzert zum 1200-jährigen Bestehen der Gemeinde und zum 50-jährigen Geburtstag des Vereins. Da der Martinstadl wegen der laufenden brandschutztechnischen Umbauarbeiten derzeit unbenutzbar ist, kam nur die Turnhalle als Alternative in Frage.

Hier nun demonstrieren drei Ausnahme-Musiker, solistisch und kammermusikalisch mit höchsten Auszeichnungen dekoriert, was sie unter "Mannschaftssport" verstehen - ein hochvirtuoses, sensibel aufeinander reagierendes, mit Hingabe musizierendes Ensemble, ein Ensemble, das nicht einmal richtig zusammen hat "trainieren" können und dennoch eine Einheit bildet. Der Cellist Daniel Müller-Schott hat am Vorabend noch in Locarno konzertiert. Seine Verpflichtungen weltweit führen den Musiker, der bei Cellisten wie Schiff und Isserlis studiert und dem Sir André Previn ein Konzert gewidmet hat, selten in seinen Heimatort. In Zorneding aufgewachsen ist auch der Pianist Tobias Stork, ein Schüler von Gerhard Oppitz. Er und Müller-Schott sind gemeinsam zur Schule gegangen und haben als Buben eine Zeitlang zusammen im Trio musiziert. Beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert 1989 war Stork Müller-Schotts Partner am Klavier. Der erste Preis damals war Auftakt für beider Karriere. Die Geigerin Ilona Then-Bergh ist ebenfalls in Zorneding verwurzelt. Sie ist die Nichte von Heinz Küspert, dem ehemaligen langjährigen Vorstand des Kulturvereins, auch ihre Mutter war im Vorstand tätig. Then-Bergh gehörte dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks an, heute ist sie Professorin und setzt sich für die Entdeckung unbekannter Werke ein.

Einzig und allein für diesen besonderen Abend haben sich die drei Musiker zu einem Trio zusammengetan. Ihrer Heimatgemeinde haben sie damit ein einzigartiges Geschenk gemacht, das allen, die dabei waren, unvergesslich bleiben wird. Nicht nur, weil sie zum Olymp der Kammermusik gehören. Das Konzert ist ein historischer Glücksfall, weil die Drei einander mit für alle sichtbarer Freude und Empathie als musikalische Partner entdecken, sich mit kleinen Gesten und Zeichen verständigen, ermuntern, anstacheln, ein Feuer entfachen, das sich bald auf das Publikum überträgt. Ein Lächeln, eine kleine Drehung, ein intensiver Blick - mehr und mehr wird aus dem Konzert auch eine Choreografie. Schöner können Leibesübungen nicht sein. Vergessen sind alle Bedenken, alle Turngeräte und die vom Verein in dem rührenden Versuch, die Halle zu verschönern, aufgestellten Grünpflanzen.

Bei seiner Begrüßung wählt Bürgermeister Piet Mayr ein Bild, das sich als überaus passend erweisen soll: "Wie bei einer Feuerwerksrakete erleuchten heute tausend Funken den Himmel", sagt er. Der musikalische Funkenregen sprüht bei den ersten Takten von Mozarts spätem Klaviertrio in B-Dur noch ein klein wenig vorsichtig, doch bald verbinden sich die drei Temperamente zu vollkommener Klangschönheit. Farbenreich und wie im Plauderton stimmen die Musiker Claude Debussys Klaviertrio in G-Dur an. Das Stück ist ein Frühwerk, das erst 1986 veröffentlicht wurde. Der Komponist hat es als 18-Jähriger in der Toskana geschrieben. Es kommt leichtfüßig daher, verzaubert mit süßen und heiteren Empfindungen. Die Musiker kosten die Stimmungen ganz aus, gestalten einen zärtlichen Dialog zwischen Geige und Cello, beide klingen samtig und sonor. Das Scherzo klingt wie der Tanz eines Kobolds, angeschoben von genüsslich stampfenden Piano-Akkorden. Im dritten Satz zeigt Daniel Müller-Schott, wie "espressivo" klingen kann, sein warmer intensiver Ton geht unter die Haut.

Beim dritten Werk des Abends, Mendelssohn-Bartholdys lyrischem d-Moll-Trio, wachsen dem Trio Flügel. Nach dem liedhaften Thema im langsamen Satz, Paradestück für den Cellisten, der auch Mendelssohns "Lied ohne Worte" eingespielt hat, stürzen sich die Musiker, jeder mit traumwandlerischer Sicherheit und Eleganz, in ein Finale, dem tosender Applaus folgt. Mit der ersten Zugabe, dem Presto aus Joseph Haydns "Zigeunertrio", setzt dieses Trio furioso eins drauf. "Schnell ist immer gut", lautet ein Kommentar aus dem Publikum, das mit dem herrlichen "Schwan" von Saint-Saëns in der Bearbeitung für Klaviertrio entlassen wird und noch lange danach einen erhöhten Puls spürt. Wie früher nach dem Turnen, nur viel schöner.

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